Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
Beim bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) handelt es sich um eine finanzielle Transferleistung, die an jede Person gezahlt würde, ohne an Bedingungen geknüpft zu sein. Das unterscheidet sie von allen anderen finanziellen Transferleistungen, etwa:
Die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen: Jedem Menschen gleichermaßen ein finanzielles Grundgerüst zur Verfügung zu stellen.
Durch Digitalisierung und Automatisierung werden zukünftig zahlreiche Tätigkeiten wegfallen – es braucht neue Konzepte, um die Bevölkerung finanziell zu versorgen. Auch die derzeitige Corona-Krise führt zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das bedingungslose Grundeinkommen wird von Befürwortern als Lösung der Zukunft gesehen.
Wer finanziert das bedingungslose Grundeinkommen?
Im Falle einer Umsetzung wird das bedingungslose Grundeinkommen von den Bürgern selbst finanziert. Wie aktuelle Leistungen vom Staat würde die Finanzierung durch Steuerzahlungen ablaufen. Allerdings würde ein bedingungsloses Grundeinkommen einen großen Teil der anderen Sozialleistungen ersetzen. Dazu zählen etwa:
- Arbeitslosengeld
- Bafög
- Kindergeld
- Teile der Rente
Experten, Ökonomen und auch Politiker haben bereits verschiedene Modelle zur Finanzierung erarbeitet, die rechnerisch umsetzbar scheinen. Allerdings bedarf es einer grundlegenden Reform des Steuersystems. Wie genau ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert wird, hängt zudem von der Höhe der Zahlungen pro Person ab.
Wie hoch wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Wenn es um die konkrete Summe geht, ist meist von 1.000 Euro monatlich die Rede. Gleichzeitig zeigen Berechnungen: Um nicht nur das Existenzminimum zu gewährleisten, sondern soziale Teilhabe zu ermöglichen, müsste das BGE eher zwischen 1.200 und 1.400 Euro monatlich liegen.
Kann ein bedingungsloses Grundeinkommen funktionieren?
An dieser Frage scheiden sich die Geister. Befürworter sind überzeugt, dass es klappen kann – Kritiker sehen ein Problem in der Finanzierung. Der Gedanke, mithilfe zusätzlicher Steuern oder Abgaben die Lücke zu schließen, mache Jobs unattraktiver, da Arbeitseinkommen höher besteuert würden, so die Meinung vieler Kritiker.
Außerdem gehe das bedingungslose Grundeinkommen an individuellen Bedürfnissen vorbei, weil bisherige Sozialleistungen gestrichen werden, meint der Armutsforscher und Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. Das Gießkannenprinzip tauge nicht. Vermögende Bürger benötigen diese Zahlung nicht. Bedürftige wiederum haben immer noch wenig und Wohlhabende noch mehr – Gerechtigkeit sähe anders aus.
Wie realistisch ein bedingungsloses Grundeinkommen ist und wie sich dieses auswirkt, wird immer wieder in Tests und Studien untersucht. Bisher fehlen jedoch klare Erkenntnisse.
Welche Vor- und Nachteile hat das BGE?
Da es bisher nur wenige Erfahrungen mit der Umsetzung gibt, lassen sich noch keine endgültigen Schlüsse ziehen. Trotzdem gibt es einige Vor- und Nachteile, die bei der Zahlung eines BGE erwartet werden:
Vorteile
Ein Ansatz dieser Idee geht davon aus, dass jeder Mensch nach Selbstverwirklichung strebt, aber längst nicht die Möglichkeiten dazu hat. Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht jedem, auch unerfreuliche Jobs zu kündigen, bei denen der reine Sachzwang im Vordergrund steht. Das ermöglicht…
- größere Autonomie der Berufswahl und
- größere Freiheit in der Lebensgestaltung
Das Geld steht zu Ihrer freien Verfügung, ohne dass irgendwelche Verpflichtungen entstehen. Das hat auch für den Staat Vorteile, denn die Bürokratie wird deutlich verschlankt. Statt bei jedem Antragsteller im Detail Nachweise zu sammeln, zu prüfen und gegebenenfalls Teilsummen zu bewilligen, bekommt nun jeder dasselbe.
Nachteile
Auf der Gegenseite stehen unter anderem:
Warum soll jemand Geld für Nichtstun erhalten? Wer selbst weiterhin hart arbeitet, mag es ungerecht finden, dass andere durch das Einkommen komplett vom Staat leben können. Es ist fraglich, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen mit der Arbeitsmoral zusammenhängt. Viele glauben, dass sie selbst weiter arbeiten würden – befürchten aber gleichzeitig, dass andere sich auf dem Grundeinkommen ausruhen, erklärt Ökonom und Philosoph Philip Kovce in einem Interview mit „Zeit Online“. Im schlimmsten Fall könnte also die Arbeitslosenquote steigen.
Wo gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens wird viel diskutiert, aktuell wird es aber noch nirgendwo auf der Welt umgesetzt. Finnland hat jedoch bereits im Jahr 2017 als erstes europäisches Land einen Testlauf gestartet. Für zwei Jahre erhielten knapp 2.000 Arbeitslose ein Grundeinkommen von 560 Euro. Fazit: Überwiegend negativ, der Großteil war auch nach der Studie arbeitslos. Allerdings seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig genug.
In Österreich scheiterte ein Volksbegehren zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Geplant war, dass jeder 1.200 Euro pro Monat erhält. Ein ähnliches Volksbegehren in der Schweiz wurde vor einigen Jahren mit knapp 77 Prozent aller Stimmen abgelehnt worden.
Ab wann kann es ein BGE geben?
Momentan ist trotz Diskussionen, Initiativen und auch Petitionen noch keine Einführung eines Grundeinkommens absehbar. Auch als zeitlich begrenzte Möglichkeit, um Corona-Hilfen aufzustocken, wird das Konzept nicht in Betracht gezogen.
In naher Zukunft ist ein BGE somit unwahrscheinlich. Allerdings beschäftigen sich Parteien zunehmend mit der Idee und setzen sich teilweise im Parteiprogramm damit auseinander.
Bedingungsloses Grundeinkommen per Verlosung
Ist das bedingungslose Grundeinkommen deshalb reines Wunschdenken? Nein, tatsächlich können Sie in Deutschland an einer Verlosung teilnehmen. Dahinter steckt der Verein „Mein Grundeinkommen e.V.“, der per Crowdfunding Geld sammelt. Aus dieser Finanzierung werden bedingungslose Grundeinkommen ausgelost. Gewinner erhalten ein Jahr lang 1.000 Euro monatlich.
Ebenfalls arbeitet der Verein aktuell an einer Studie, bei der 122 Teilnehmer über drei Jahre je 1.200 Euro monatlich erhalten sollen. Mehr als zwei Millionen Menschen haben sich darauf beworben, die Auswahl soll bis zum Januar 2021 andauern. Ziel ist es, über einen längeren Zeitraum herauszufinden, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf die Lebensverhältnisse auswirkt. Gleichzeitig werden Studien zur Finanzierbarkeit durchgeführt.
Da es sich jedoch nicht um ein staatliches Grundeinkommen, sondern Geld aus Gewinnspielen handelt, kann dieser auf den Leistungsbezug angerechnet werden. Empfänger von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder Bafög sollten deshalb die finanziellen Auswirkungen abwägen.
Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen
Eine finanzielle Grundversorgung für alle Bürger, das klingt verlockend. Allerdings gibt es an der Idee auch große Kritik. Häufiges Argument: Die scheinbare Fairness hinter einem gleichen Grundeinkommen für alle funktioniert nicht. Nach dem Konzept des BGE erhalten alle Menschen denselben Betrag, unabhängig vom Einkommen oder vorhandenen Vermögen.
Reiche wie Arme bekommen monatlich gleich viel. Für eine gerechtere Verteilung müsste diesem finanziellen Ungleichgewicht jedoch Rechnung getragen werden. Ansonsten bekommen die einen Geld, das sie nicht brauchen – und die anderen zu wenig Geld, das kaum ausreicht.
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