Die Idee hinter der Feynman-Methode
Vielleicht kennen Sie das auch – ob aus der Schulzeit einer Umschulung oder Online-Weiterbildung: Wir beschäftigen uns mit einem bestimmten Lernstoff sehr intensiv. Am Ende des Tages haben wir auch den Eindruck, das Thema verstanden zu haben. Umso verwunderter sind wir später, wenn wir bestimmte Aspekte des Themas nicht zufriedenstellend erklären können.
Dummerweise fällt uns das in der Regel erst auf, wenn es zu spät ist: In der Klausur oder während des Tests. Dann merken wir, dass wir den Stoff wohl doch nicht verstanden, sondern eben nur auswendig gelernt haben. Genau an dieser Stelle setzt die Feynman-Methode an, die uns dazu befähigen soll, neue Dinge gleich vier Mal schneller zu lernen.
Wer war Richard Feynman?
Richard Feynman war von Hause aus Physiker und ein echtes Multitalent. Er beschäftigte sich nicht nur mit Quantenmechanik und Quantenelektrodynamik, für die er 1965 zusammen mit den Wissenschaftlern Schwinger und Tomonaga den Nobelpreis bekam, sondern mit vielen anderen Dingen. So war er auch dafür bekannt, Safes seiner Kollegen zu knacken. Auch an der Erklärung, warum die Challenger-Raumfähre im Jahr 1986 explodierte, war er beteiligt.
Er stilisierte sich gerne als Quertreiber und Landei, obwohl er in der Wissenschaft beachtliche Erfolge vorweisen konnte. Dabei zeigt er schon früh, dass die Feynman-Methode zurecht seinen Namen trägt: Bereits in den ersten Jahren als Forscher entwickelte er eine neuartige Notation (vulgo: Schriftsystem). Darin verwendete er grafische Elemente wie gerade und Schlangenlinien, um komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen.
Wissen ist nicht gleich Wissen
Um zu verstehen, wie die Feynman-Methode funktioniert, müssen wir verschiedene Arten von Wissen auseinanderhalten:
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Oberflächliches Wissen
Das ist jenes Wissen, das uns in der Klausur oder Test Schwierigkeiten macht. Denn statt den Sachverhalt zu durchdringen und zu verstehen, haben wir lediglich die Fachbegriffe und Terminologie verinnerlicht – beherrschen das Fachchinesisch. Mit anderen Worten: Wir verstehen gar nicht, was wir sagen, sondern geben nur bestimmte Vokabeln von uns. Ein Papagei könnte das ebensogut.
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Tiefgreifendes Wissen
Demgegenüber steht das tiefgreifende Wissen und Verständnis. Wenn wir diese Stufe erlangt haben, haben wir den Sachverhalt komplett durchdrungen. Wir verstehen, warum beispielsweise Feuer heiß ist und und können das in all seinen Facetten erklären. Genau dieses Wissen befähigt uns dazu, sogenannte Transferfragen zu beantworten. Das sind diejenigen Fragen, die uns im Test häufig die meisten Probleme bereiten. Denn scheinbar wird dabei Wissen abgefragt, das wir gar nicht haben. Das stimmt aber nicht ganz. Wer einen Sachverhalt tatsächlich komplett verstanden hat, kann Verallgemeinerungen anstellen und von diesem Wissen auf neue, ähnliche Situationen schließen (einen Transfer leisten). Genau um dieses Wissen geht es auch in der Feynman-Methode.
So funktioniert die Feynman-Methode
Der Legende nach gründete Feynman zusammen mit ein paar Kollegen eine Lerngruppe (PDF). Dabei sollte jeder der Anwesenden den anderen Teilnehmern ein Thema so einfach wie möglich erklären. Eine der Voraussetzungen war, dass dabei keine Fachbegriffe oder Fremdwörter benutzt werden durften. Trotzdem – oder gerade deshalb – sollten die Zuhörer das Thema vollständig verstehen. Klingt trivial? Ist es aber überhaupt nicht. Versuchen Sie es selbst einmal.
Suchen Sie sich ein beliebiges Thema aus und bereiten Sie es so auf, dass es auch ein Kindergartenkind verstehen kann. Sie werden schnell merken, dass genau das eine hohe Kunst ist. Denn um einen Sachverhalt sehr simpel zu erklären, müssen wir ihn bis ins kleinste Detail verstanden haben. Die Feynman-Methode fördert damit unser eigenes Verständnis und befähigt uns dazu, Transferaufgaben in Prüfungen beantworten zu können.
Die einzelnen Schritte der Methode
Die Feynman-Methode besteht aus unterschiedlichen Schritten und hat einen sogenannten rekursiven Charakter. Das bedeutet, dass die Schritte nicht nur einmal angewendet werden, sondern einen Zirkel bilden. Nachdem der letzte Schritt abgeschlossen ist, geht es noch einmal von vorne los. So überprüfen Sie, ob Sie tatsächlich alles verstanden haben. Klingt komplizierter, als es letztlich ist. Schauen Sie sich die einzelnen Punkte an:
1. Thema komplett erklären
Wenn Sie mit einem neuen Thema starten, sollten Sie sich zunächst einen Überblick über Ihren aktuellen Wissensstand verschaffen. Das machen Sie, indem Sie das Thema einem (vorgestellten oder realen) Gesprächspartner erklären. Ideal ist es, wenn dieser Gesprächspartner noch nie etwas von dem Thema gehört hat. So müssen Sie nämlich kleinschnittig vorgehen und genau erklären.
2. Fehlendes Wissen notieren
Der erste Schritt hat den Charme, dass Sie schnell merken, welche Aspekte des Themas Sie nicht verstehen. Denn was Sie nicht verstanden haben, können Sie nicht erklären. Genau diese Dinge sollten Sie sich notieren. Hier setzen Sie später wieder an. Notieren gilt übrigens nicht nur für die Zusammenhänge, die Sie nicht komplett verstanden haben. Auch umgekehrt sollten Sie festhalten, wenn Sie Fachbegriffe oder Fremdwörter benutzen. Der Grund: Fachbegriffe wird kein Neuling in Bezug auf das Thema verstehen. Diese zu verwenden, bringt also nichts.
3. Wissenslücken schließen
Dinge, die Sie nicht verstanden haben und Fachbegriffe, die Sie gebrauchen, sollten Sie in diesem Schritt nachschlagen. Das funktioniert ganz einfach. Denn dank des vorhergehenden Punktes haben Sie einen genauen Überblick darüber, wo Ihre Lücken liegen. Achten Sie besonders darauf, dass Sie Fachbegriffe und spezifische Terminologie durch einfache Worte ersetzen. Auch Beispiele aus dem Alltag, die jeder Zuhörer leicht verstehen kann, helfen dabei.
4. Thema komplett erklären
Damit sind wir wieder beim ersten Schritt angelangt (wir erinnern uns: Die Feynman-Methode bildet einen Zirkel). Um zu überprüfen, ob Ihre Recherche vollständig abgeschlossen ist, sollten Sie das Thema noch einmal erklären. Stellen Sie sich also wieder Ihren unbedarften Zuhörer vor und halten Sie noch einmal Ihren Vortrag. An jeder Stelle, an der Sie stoppen oder nachdenken müssen, machen Sie sich wieder eine Notiz. Anscheinend gibt es hier noch Nachholbedarf (Schritt 3).
Feynman-Methode (PDF)
Um sich die einzelnen Schritte der Feynman-Methode besser vergegenwärtigen zu können, stellen wir sie hier als PDF zur Verfügung. Der Download ist natürlich wie immer kostenlos für unsere Leser.
Vorhandenes Wissen weiter vertiefen
Wiederholen Sie die einzelnen Schritte so oft, bis Sie das Thema ohne Probleme und ohne größere Pausen vortragen können. Wenn es soweit ist, haben Sie es tiefgreifend verstanden. Die Feynman-Methode hilft Ihnen übrigens nicht nur in Bezug auf das aktuelle Thema weiter. Wenn Sie den Stoff so weit durchringen, knüpfen Sie an bereits vorhandenes Wissen an.
Indem Sie das tun, bauen Sie ein Netz aus Informationen auf, die Sie verinnerlicht haben. Beim Lernen neuer Dinge greifen Sie auf dieses Netz zurück. Das führt dazu, dass Sie vorhandenes Wissen weiter vertiefen und neue Sachverhalte schneller lernen. Die Feynman-Methode setzt nicht auf stumpfes Reproduzieren von auswendig Gelerntem, das sogennante Bulimielernen, sondern auf tatsächliches Verstehen und Durchdringen des Sachverhalts.
Multisensorik hilft beim Verstehen
Natürlich gibt es noch viele weitere, unzählige Techniken, wie Sie sich Dinge aneignen können. Einige zielen auf Verständnis (wie die Feynman-Methode), andere auf Gedächtnistraining (Mnemotechnik). Multisensorik ist eine solche Technik. Sie wird beispielsweise beim Lernen von Vokabeln empfohlen. Die Idee dahinter: Wenn möglichst viele Sinneswahrnehmungen angesprochen werden, können wir uns das neue Wort leichter merken.
Feynman Methode: Beispiel für Multisensorik
Sie lernen Spanisch und stolpern dabei über das Wort für Apfel, nämlich „la manzana“. Um sich die Vokabel nun schnell und vor allem auch langfristig einzuprägen, sollten Sie so viele Sinne wie möglich ansprechen. Das geht so: Machen Sie die Bewegung mit der Hand, die Sie normalerweise beim Apfelessen machen. Stellen Sie sich gleichzeitig vor, wie Ihr Lieblingsapfel schmeckt. Und rufen Sie sich das Geräusch in Erinnerung, das Sie vernehmen, wenn Sie in einen Apfel beißen. Die Vorteile dieser Methode verdeutlicht die Grafik:
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