Sinne schärfen: Verbesserte Wahrnehmung als Erfolgsfaktor
In jeder Situation und bei jedem Kontakt mit anderen Menschen strömen hunderte Reize auf unsere Sinnesorgane ein. Der sprichwörtliche erste Eindruck wird maßgeblich geprägt von Geruch, Tastsinn (Händedruck), Blickkontakt und Stimme.
Wer die unterschiedlichen Impulse bewusst wahrnehmen und vor allem filtern kann, bewertet nicht nur besser – er oder sie kann auch wichtige von unwichtigen Informationen trennen.
Dadurch hört er oder sie möglicherweise den entscheidenden Zwischenton, nimmt beiläufige Gesten wahr oder spürt die Unsicherheit im Händedruck seines Gegenübers.
Schärfere Sinne sind kein Luxus, sondern können einen echten Vorteil darstellen. Dass dieser Vorteil den Genuss erhöhen und damit die Lebensqualität steigern kann, schadet ganz sicher nicht.
Was ist Wahrnehmung?
Die menschliche Wahrnehmung ist das Ergebnis aus dem Sammeln und Verarbeiten von Informationen, die wir durch verschiedene Sinneseindrücke gewinnen.
Die von den Sinnen wahrgenommenen Reize – dieser Teil der Wahrnehmung wird Perzeption genannt – werden vom Gehirn verarbeitet und mit gespeicherten Mustern abgeglichen. Unsere Wahrnehmung ist daher eine Kombination aus aktuell aufgenommenen Reizen und der Ergänzung dieser mit im Gehirn schon verarbeiteten Informationen.
Besonders deutlich wird das bei der visuellen Wahrnehmung: Zuweilen sehen wir Dinge, die sich auf den zweiten Blick als etwas völlig anderes entpuppen. Ein Beispiel dafür ist unser Test zur selektiven Wahrnehmung, den Sie HIER finden.
Ein großer Teil unserer Wahrnehmung besteht also auch aus der Konstruktion, die unser Gehirn aus diversen Informationen erstellt. Das schafft zwar Raum für Fehlinterpretationen, ist aber der einzige Weg, zugleich die Fülle der tausenden Reize pro Tag zu verarbeiten ohne wahnsinnig zu werden.
Wer seine Sinne schärft, verbessert daher nicht nur seine Perzeption, sondern trainiert zugleich die Informationsverarbeitung.
10 Übungen für schärfere Sinne
Sinne und Wahrnehmung lassen sich – ähnlich wie Muskeln oder das Gedächtnis – trainieren. Entscheidend dafür ist allerdings, dass Sie Ihre Mitmenschen und Ihr Umfeld achtsam und bewusst wahrnehmen. Diese achtsame Wahrnehmung ist nur möglich, wenn Sie Ablenkungen reduzieren oder so gut wie möglich ausschließen.
Hintergrundmusik ist beispielsweise nur sinnvoll, wenn Sie diese bewusst einsetzen – zum Beispiel, um zu entspannen. Eine ruhige, ansonsten reizarme Umgebung ist für die meisten der folgenden Übungen hilfreicher:
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Essen im Dunkeln
Es klingt seltsam, funktioniert jedoch hervorragend: Nehmen Sie Ihr Essen hin und wieder bei Kerzenschein ein oder in einem komplett dunklen Raum. Alternativ können Sie auch die Augen schließen. Konzentrieren Sie sich ganz auf den Geschmack des Essens, lassen Sie sich beim Kauen Zeit und versuchen Sie bewusst, die Textur der Speisen, das Kaugefühl und die verschiedenen Aromen zu schmecken. Die Übung wird noch effektiver, wenn Ihr Partner das Essen gekocht hat und sie die verschiedenen Zutaten nicht kennen, sondern erschmecken müssen.
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Geruchsrätsel
Eine ähnliche Übung können Sie mit Gerüchen absolvieren. Lassen von einem Partner Räucherstäbchen oder Duftkerzen entzünden und versuchen Sie, die verschiedenen Düfte zu identifizieren. Oder Sie lassen sich mit verbundenen Augen verschiedene Gewürzdosen unter die Nase halten und raten, um welches Gewürz es sich handelt. Wenn Sie die Übung mit mehreren Personen absolvieren, kann das sogar ein amüsantes Gesellschaftsspiel sein.
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Gewürze-Memory
Die Übung ist der obigen recht ähnlich. Sicher kennen Sie das Spiel Memory, bei dem Sie die zueinander passenden Karten finden müssen. Das Prinzip lässt sich auch auf Gewürze übertragen: Platzieren Sie dazu Schälchen oder Tiegel mit verschiedenen Gewürzen auf einem Tisch und decken Sie diese ab. Von jedem Gewürz müssen zwei Schälchen vorhanden sein. Jetzt probieren Sie die verschiedenen Gewürze im Wechsel mit Ihren Mitspielern und versuchen, die zusammengehörigen Schälchen zu finden.
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Geräusch- und Instrumentenrätsel
Lauschen Sie mit verbundenen Augen verschiedenen Geräuschen und versuchen Sie, die jeweilige Geräuschquelle zu identifizieren. Ähnlich können Sie bei Musik- oder Orchesteraufnahmen vorgehen. Hier sollte das Ziel sein, die verschiedenen Instrumente möglichst eindeutig zu erkennen.
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Bewusstes Barfußgehen
Eine der einfachsten Übungen ist das Barfußgehen. Für den Anfang kann es ausreichen, konzentriert durch einen stillen Raum Ihrer Wohnung zu gehen und mit den Fußsohlen ganz bewusst den Untergrund zu erfühlen. Mit einiger Übung – und schönem Wetter – können Sie das Training auch draußen auf Gras, Steinen oder speziellen Barfußpfaden fortsetzen. Ganz nebenbei trainieren Sie – vor allem, wenn Sie mit geschlossenen Augen gehen – auch Ihr Gleichgewicht.
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Fühl- und Tasträtsel
Versuchen Sie, mit verbundenen Augen verschiedene Gegenstände zu ertasten. Führen Sie diese Übung mit mehreren Personen durch, können Sie daraus eine Art Wettkampf machen und notieren, wer die meisten Gegenstände richtig erkennt. So schulen Sie auf spielerische Art und Weise den Tastsinn.
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Entspannung durch Fühlen
Wenn Sie einige Steine aus verschiedenem Material mit sich führen, können Sie Ihren Tastsinn im Alltag schulen und gleichzeitig abschalten. Immer dann, wenn Sie eine Pause brauchen oder den Kopf frei bekommen wollen, stecken Sie die Steine in Ihre Tasche, schließen die Augen und konzentrieren sich ganz darauf, die Steine zu erfühlen. Tauschen Sie die Steine regelmäßig aus, bleibt die Übung dauerhaft interessant.
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Beschreibung aus dem Gedächtnis
Die folgende Übung können Sie am besten in einer Gruppe durchführen. Betrachten Sie ein anderes Gruppenmitglied eine Minute lang aufmerksam und intensiv. Danach drehen Sie sich um und beantworten Fragen zur Person, die Ihnen von anderen Gruppenmitgliedern gestellt werden. So schulen Sie Ihre Wahrnehmungsfähigkeit und lernen, andere Menschen schnell und aufmerksam zu betrachten.
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Bewusster Kaffee- oder Tee-Genuss
Sie beginnen Ihren Tag mit einer Tasse Kaffee oder Tee? Dann nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihre Wahrnehmung zu schulen: Trinken Sie ihn mit geschlossenen Augen, behalten Sie Kaffee oder Tee einige Zeit im Mund und lassen die Aromen voll wirken. So schulen Sie nicht nur Ihre Sinne, Sie beginnen Ihren Tag auch mit einem entspannenden Morgenritual.
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Wahrnehmung durch mentales Training
Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) haben herausgefunden, dass auch mentales Training die Sinne schärfen und die Wahrnehmung verbessern kann. Dabei kann es schon reichen, sich die Sinneswahrnehmung intensiv vorzustellen, um die Sinne zu verbessern. Das funktioniert, weil unsere Wahrnehmung nicht nur aus Sinnesreizen, sondern eben auch aus der Verarbeitung dieser Reize besteht (siehe Kaste oben).
Sinne schärfen: Meditation und Achtsamkeit
Manch einer betrachtet Konzepte wie Meditation und Achtsamkeit noch mit einer gewissen Skepsis. Die ist insofern nicht völlig unbegründet, als es tatsächlich esoterisch orientierte Anbieter auf dem Markt gibt. Nichtsdestotrotz ist die Wirksamkeit dieser Methoden auch schulmedizinisch erwiesen.
Sowohl Meditation als auch Achtsamkeit als eine Meditationsform finden Anwendung in der Behandlung von Depressionen. Gerade Menschen, die jedoch im täglichen Arbeitsleben unter großem Stress leiden, sollten zumindest das eine oder andere einmal ausprobieren.
Stress entsteht ja vor allem dort, wo sich im Zuge gehäufter Arbeit und Zeitdruck ein Gefühl der Überforderung breitmacht. Alles prasselt auf Sie ein – Termine, Kundenanfragen, nervige Kollegen, Zuhause die kaputte Waschmaschine, der ausgefallene Babysitter und so weiter und so fort.
Wichtiges kann nicht mehr von Unwichtigem gefiltert werden. Mit Achtsamkeit bieten Sie diesem Karussell Einhalt, nehmen sich eine (absolut vertretbare) Auszeit und können Ihre Sinne schärfen, indem Sie sich auf eine Sache, nämlich Ihre Körperwahrnehmung konzentrieren.
Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München mit 20 meditationserfahrenen Zen-Schülern kommt zu dem Ergebnis, dass durch gezielte mentale Fokussierung während der Meditation sich ähnliche Lerneffekte erzeugen lassen wie durch langfristiges körperliches Training.
Das soll kein Plädoyer für weniger Sport sein, im Gegenteil. Sinne schärfen durch Meditation ist eine sinnvolle Ergänzung für solche Zeiten, in denen womöglich ein kurzfristiger Sportersatz gesucht wird.
Sinne aktivieren: Senioren entdecken neue Lebensqualität
Sinne schärfen spielt das ganze Leben hindurch eine große Rolle. Wie wichtig und wenig selbstverständlich eigentlich unsere Sinne sind, merken wir immer dann, wenn einer nachlässt oder beeinträchtigt ist. Wer eine dicke Erkältung hat, schmeckt kaum noch etwas, selbst das Lieblingsessen ist fad.
Übungen zur Wahrnehmung als Erwachsene können wir meist mühelos selbst bewältigen. Anders sieht es bei Kindern und Senioren aus, sie müssen gezielt an Übungen herangeführt werden. Hier lassen sich die Sinne anregen, bei Demenz, aber auch allgemein für ältere Mitmenschen, die Gefahr laufen, in Monotonie zu verharren.
Für Senioren bedeutet Sinne schärfen nämlich oftmals wieder ein Zugewinn an Lebensqualität. Gerade wenn beispielsweise die Sehfähigkeit nachlässt, ist es wichtig andere Sinne wie den Geschmackssinn zu betonen. Man kennt das Phänomen von Blinden: Lässt ein Sinn nach, werden die anderen Sinne umso stärker ausgeprägt.
Für Demenzkranke heißt Sinne schärfen, dass ihre Defizite nicht so sehr im Mittelpunkt stehen. Stattdessen wird auf das fokussiert, was funktioniert. So konnten diverse Studien zeigen, dass Musizieren die Neuroplastizität verbessert, also zur Regeneration des Gehirns beiträgt!
Nebendem trägt es zur Verbesserung der emotionalen Befindlichkeit bei. Auch die kognitiven Fähigkeiten scheinen sich zu verbessern, da durch Musik ein breites Netzwerk von Regionen aktiviert wird.
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