Lehrer gibt ungerechte Noten
Auch wenn 65 Prozent aller Eltern davon überzeugt sind, dass ihre Kinder angemessene Beurteilungen erhalten: Natürlich kommen ungerechte Noten vor. Das kann eine Frage der Sympathie beziehungsweise Antipathie sein. Möglich ist aber auch, dass Vorurteile gegenüber dem Schüler bestehen. Studien haben herausgefunden, das Lehrkräfte teilweise Kinder mit ausländischem Namen schlechter bewerten als mit deutschem.
Wie kommen Noten zustande?
Das Benotungssystem in Deutschland reicht von sehr gut (1), gut (2), befriedigend (3), ausreichend (4) und mangelhaft (5) bis ungenügend (6). Jede Leistungsbewertung, die schlechter als „ausreichend“ ausfällt, gilt als nicht bestanden. Was in die Note mit einfließt, hängt vom Bildungsort ab. In Schulen fließt neben der mündlichen und schriftlichen Prüfungsleistung (Diktate, Klausuren, Hausaufgaben) auch das Sozialverhalten und die allgemeine Mitarbeit ein. Also: Ob ein Schüler häufig in Konflikt mit anderen gerät, den Unterricht stört oder ordentlich arbeitet und hilfsbereit agiert.
Im Rahmen einer Ausbildung können praktische Prüfungen wie Herstellung einer Torte (Ausbildung zum Bäcker) oder einer Arbeitsprobe/eines Gesellenstücks (Gesellenprüfung eines Schreiners) zur Bewertung hinzukommen. Mündliche Prüfung und Hausarbeiten, je nach Studiengang aber auch praktische Anteile fließen in die Benotung von Studierenden.
Ungerechte Noten während Corona
Die derzeitige Corona-Pandemie hat den normalen Regelunterricht an Schulen, aber auch das Hochschulstudium durcheinandergewirbelt. Homeschooling und online studieren sind während des Lockdowns selbstverständlich. Fragt sich nur, wie Lehrer die Leistung zuverlässig beurteilen wollen? Denn oftmals mussten sich die Schüler den Unterrichtsstoff selbst aneignen, was so im Schulgesetz nicht vorgesehen ist. Auch die technische Ausrüstung und Schwierigkeiten mit der Verbindung haben zu Benachteiligung vieler Schüler geführt.
Nach Auskunft des Deutschen Schulportals handhaben die Bundesländer die Beurteilung unterschiedlich. Gab es im letzten Jahr noch eine Versetzungsgarantie, haben Schüler derzeit die Möglichkeit zum freiwilligen Wiederholen. Gleichzeitig mahnt die Politik die Schulen, die Schüler nicht mit Nichtversetzen zu bestrafen. Denn Noten – ob in der Schule oder im Studium – sind enorm wichtig. Vor allem am Anfang einer Karriere sind sie für viele ein entscheidendes Indiz für Intelligenz, Talent, Fleiß, Lern- und Leistungsfähigkeit. Aber sind sie auch objektiv richtig? Eben nicht immer – und entsprechend schlimm ist für die Betroffenen, wenn sie ungerechte Noten erhalten. Aber kann man sich dagegen wehren? Ja, kann man.
E-Mail an Lehrer wegen Note
Der erste Weg führt über ein persönliches Gespräch. Dafür eignen sich vor allem Elternsprechtage und Elternabende. Pandemiebedingt gibt es zahlreiche Einschränkungen und Abweichungen vom üblichen Prozedere. Nicht immer besteht die Möglichkeit zur Videokonferenz oder Telefonat. In solchen Fällen können Eltern bei ungerechten Noten eine E-Mail an den Lehrer verfassen. Zu beachten ist Folgendes:
- Bringen Sie in Erfahrung, wie die Noten zustande kommen.
- Lassen Sie sich erklären, an welcher Stelle die erbrachte Leistung von den Erwartungen abweicht.
Eine E-Mail könnte folgendermaßen aussehen:
Sehr geehrte Frau XY,
das diesjährige Halbjahrszeugnis meines Sohnes ist unerwartet schlecht ausgefallen, vor allem die Noten in Fach 1 und Fach 2 weichen stark vom letzten Zeugnis ab. Gerne möchte ich mit Ihnen über die fachlichen Leistungen von [Name] persönlich sprechen. Leider ist mir eine Teilnahme am Elternsprechtag aufgrund meines Schichtdienstes nicht möglich. In der Zeit von ____ bis____ bin ich unter der Telefonnummer 0123/456789 oder sonst jederzeit unter der angegebenen E-Mail-Adresse erreichbar. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer konstruktiven Lösung finden, wie sich [Name] noch besser einbringen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Eltern und Schüler können jederzeit Akteneinsicht nehmen, um ungerechte Noten selbst besser einschätzen zu können. Allerdings sollten sie wissen, dass die Aufsicht auf Erfolg bei einer Klage stark davon abhängt, ob ein Real- oder Verwaltungsakt vorliegt. Der Unterschied besagt im Wesentlichen, dass man nicht gegen einzelne Fachnoten klagen, sondern lediglich Beschwerde einlegen kann. Anders, wenn es um ein Abschlusszeugnis geht – etwa bei Versetzung, Schulwechsel oder Abitur.
Notenbeschwerde Muster
Wie ein formeller schriftlicher Widerspruch im Falle ungerechter Noten aussehen könnte, zeigt nachfolgendes Muster (Word) für eine Notenbeschwerde. Wie immer können Sie es kostenlos herunterladen und individuell anpassen:
Ungerechte Noten: Hier lohnt sich der Widerspruch
Es gibt immer wieder Situationen in der Schule oder im Studium, in denen sich Schüler oder Studenten ungerecht behandelt fühlen. Nicht immer hat das mit einer ungerechten Note zu tun. Falls aber doch, trauen sich nur wenige, dagegen vorzugehen. Sie haben Angst vor den Folgen – oder wissen einfach nicht, wie sie sich wehren können.
Das Wichtigste zuerst: Sie müssen ungerechte Noten nicht akzeptieren und sich damit abfinden, weil Sie glauben, sich nicht durchsetzen zu können. Einen solchen Verdacht müssen Sie aber begründen können – und da kommen gleich ein paar Optionen in Betracht. Bei folgenden Fehlern in der Benotung und im Verfahren ist ein Einspruch gerechtfertigt:
- Verstoß gegen die Chancengleichheit
- Fehlerhafte Darstellung der Prüfungsfragen
- Sachfremde Erwägungen bei der Benotung
- Nichtbeachtung des Antwortspielraums des Prüflings
- Nichtberücksichtigung der Folgefehler
- Kein unabhängiger Zweitprüfer (Zweiprüferprinzip)
- Befangener Prüfer
- Unzumutbare Prüfungsbedingungen
- Nicht eingehaltene oder nicht ausgeschöpfte Prüfungszeit
- Verstoß gegen Prüfungsvorschriften
Gegenmaßnahmen bei ungerechten Noten an der Uni
Wenn Sie sich ungerecht benotet fühlen, sollten Studenten nach Erhalt der Prüfungsergebnisse so schnell wie möglich zur Studienvertretung oder zum Vertrauensdozenten gehen. Machen Sie allerdings nicht den Fehler, sich „auf gut Glück“ gegen eine Note zu wehren. Für jede der nachfolgend genannten Optionen sollten Sie sich gut vorbereiten und Belege bereithalten, die Ihre Argumentation untermauern. Bleiben Sie zuversichtlich und lassen Sie sich nicht abwimmeln. Sie betteln nicht um eine bessere Note, sondern weisen auf einen Fehler des Dozenten hin. Diese drei Instanzen können Sie durchlaufen:
1. Gespräch mit dem Dozenten suchen
Dies sollte immer der erste Schritt sein. Dabei kann es von Vorteil sein, wenn der Dozent Sie bereits persönlich kennt, zum Beispiel, wenn Sie vor der Prüfung in seiner Sprechstunde waren. Dies kann Ihre Chancen steigern, dass der Dozent sich zu einer erneuten Einsicht der Arbeit oder der Klausur überreden lässt.
Auch wenn der Dozent Sie nicht kennt, was bei Studiengängen mit über hundert Studenten keine Seltenheit ist, sollten Sie sich vor dem Gespräch einen genauen Plan überlegen, wie Sie Ihren Standpunkt deutlich machen. Klare Verweise auf den Lernstoff, Literaturausschnitte, die Ihre Ansicht stützen, und weitere Beweise sollten Sie bereit halten und zum Gespräch mitbringen. Sie sollten erst den Kontakt suchen, wenn Sie sich eine klare Argumentation zurecht gelegt haben. Vermeiden Sie auch offene Anklagen und Vorwürfe, das bringt Sie nicht weiter. Sprechen Sie stattdessen sachlich und freundlich Ihr Problem an.
2. Widerspruch beim Prüfungsausschuss einlegen
Hat der erste Schritt nichts gebracht und Sie konnten mit dem Dozenten keine Einigung erzielen, sollten Sie sich an das Prüfungsamt wenden. Dort geben Sie einen schriftlichen Widerspruch gegen die Benotung ab. Falls Sie sich für diese Option entscheiden, dann sollten Sie so schnell wie möglich Widerspruch einlegen – meist verfällt der Rechtsanspruch einen Monat nach der Prüfung.
Legen Sie Ihre Argumente in einem Schreiben verständlich und klar dar und beschreiben Sie gegebenenfalls das bereits erfolglose Gespräch mit dem Dozenten. Falls der Prüfungsausschuss Ihren Einspruch als berechtig bewertet, wird die Prüfung oder die Klausur wiederholt. Ein anderer Dozent kann dann Ihre Hausarbeit oder Ihre Abschlussarbeit neu bewerten. Allerdings kostet ein Widerspruch personellen und zeitlichen Aufwand. Scheitern Sie, kann es sein, dass Sie die Verwaltungskosten übernehmen müssen. Je nach Universität und Bundesstaat kann die Höhe der Kosten variieren. Sie sollten sich daher im Vorfeld beim Prüfungsamt erkundigen. Weist der Prüfungsausschuss Ihren Einspruch ab, dann bleibt Ihnen nur doch der dritte Schritt.
3. Klage beim Verwaltungsgericht
Der letzte Schritt ist die juristische Unterstützung durch einen Rechtsanwalt. Diesen Schritt wagen nur die wenigsten – schon eine unverbindliche Rechtsbelehrung kostet immerhin bis zu 250 Euro. Falls es tatsächlich zu einem Verfahren kommt, können die Kosten schnell einen vierstelligen Betrag erreichen. Es lohnt sich also nur, wenn Ihre gesamte Studienlaufbahn auf dem Spiel steht – zum Beispiel bei einer drohenden Zwangsexmatrikulation – oder wenn Sie sich absolut sicher sind.
Auch wenn Sie durch ein gerichtliches Verfahren gute Chancen auf erneute Benotung haben, sollten Sie dennoch die Risiken beachten: Jeder Dozent hat den sogenannten Beurteilungsspielraum: Er alleine bestimmt den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben und die einzelne Gewichtung untereinander – eine Klage aufgrund von prüfungsspezifischen Wertungen ist schwerer durchzusetzen. Hingegen haben Klagen aufgrund von formellen oder faktischen Fehlern häufiger Aussicht auf Erfolg.
Das Noten-Paradoxon
Eine Studie des Wissenschaftsrates hat ergeben, dass es große Unterschiede in der Benotung zwischen den Fächern und den Unis in Deutschland gibt. Während der Notendurchschnitt der Bachelorstudenten in der Betriebswirtschaftslehre 2,3 beträgt, schließen Psychologiestudenten das Studium mit einem Einserschnitt ab. Die Ursache: Die Maßstäbe der Notenvergabe können sich von Fach zu Fach unterscheiden, ein „gut“ bedeutet nicht in jedem Fach dasselbe. In Hamburg hat ein Sportstudent bessere Chancen ein „sehr gut“ als Note zu bekommen als in Bochum, wo der Notendurchschnitt bei 2,3 liegt.
Das liegt nicht an den Studenten, in Bochum sind sie nicht unsportlicher als in Hamburg: Es liegt am unterschiedlichen Niveau der Anforderungen und an anderen Maßstäben. Dies kann man als unfaire Benotung deuten, auf jeden Fall sind die Noten nicht immer unter Universitäten und Bundesländern vergleichbar. Auch der allgemeine Durchschnitt der Noten an deutschen Universitäten steigt an. Schließen mittlerweile rund 80 Prozent der Absolventen mit „gut“ oder „sehr gut“ ab, waren es ein Jahrzehnt zuvor nur 70 Prozent.
Aus dieser Noteninflation entsteht das Paradoxon: Einerseits hat die Benotung immer weniger Aussagekraft hat – eben weil die Noten durchschnittlich besser werden und nur teilweise vergleichbar sind. Andererseits entscheidet sie immer noch stark über die Vergabe von Masterstudienplätzen, Stipendien, Wissenschaftsförderungen und auf lange Sicht auch über die Jobchancen. Die zukunftsweisende Rolle der Note hat sich also nicht verändert, ihr Wert hängt aber stark von dem Studienort und -fach ab.
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