Wider Erwarten, wieder Erwarten oder widererwarten?
Groß oder klein, getrennt oder zusammen – für diese Wortverbindung gibt es nur eine korrekte Schreibweise und die lautet wider Erwarten. Grund dafür sind die verschiedenen Wortarten, aus denen sich dieser feste Ausdruck zusammensetzt: Zum einen die Präposition (Verhältniswort) „wider“, zum anderen das Substantiv (Hauptwort, Nomen) „Erwarten“. Es handelt sich hierbei um eine Substantivierung des Verbs „erwarten“, das die Wortart gewechselt hat und im Genitiv (zweiter Fall, Kasus) steht.
Allesamt falsch sind die Schreibweisen wieder Erwarten, wiedererwarten oder widererwarten. Das größte Problem für viele: Es existiert mit „wieder“ ein gleichklingendes Wort. Es gehört zu den Adverbien (Umstandswörter). Allerdings hat es eine völlig andere Bedeutung als „wider“.
Bedeutung von wieder + wider
Um zu wissen, wann welche Schreibweise korrekt ist beziehungsweise wann Sie „wieder“ mit „ie“ oder „wider“ ohne „ie“ schreiben müssen, müssen Sie die Bedeutung kennen:
- wieder
Das Adverb wieder bedeutet so viel wie erneut, nochmal oder ein weiteres Mal. - wider
Die Präposition wider bedeutet gegen, entgegen und drückt einen Gegensatz aus.
Welches Wort das richtige in einem Satz ist, können Sie herausfinden, indem Sie eins der Synonyme statt wieder/wider einsetzen. Zum Beispiel in diesem Satz: Sie hatte _____ den Zug verpasst.
- Sie hatte wieder den Zug verpasst.
- Oder: Sie hatte erneut den Zug verpasst.
- Sie hatte wider den Zug verpasst.
- Nicht möglich: Sie hatte gegen den Zug verpasst.
Definition + Synonym: Was bedeutet „wider Erwarten“?
Die Wortverbindung „wider Erwarten“ bedeutet so viel wie „im Gegensatz zu allen Erwartungen“, „anders als erwartet“ oder „entgegen aller Voraussagen“. Man wählt diesen Ausdruck, wenn eine überraschende Wendung eintritt, ein unerwartetes oder unverhofftes Ereignis.
Jetzt, wo Sie den Unterschied zwischen „wieder“ und „wider“ kennen, ist auch klar, dass es nur „wider Erwarten“ und nicht „wieder Erwarten“ heißen kann. Denn es geht nicht um ein erneutes Erwarten, sondern um eine Wendung entgegen den Erwartungen. Beispiele für Formulierungen:
- Wider Erwarten hatte sich der Außenseiter gegen den Favoriten durchgesetzt.
(Oder: Entgegen der Erwartungen hatte sich der Außenseiter gegen den Favoriten durchgesetzt.) - Der Zug kam wider Erwarten fünf Minuten früher an.
(Oder: Der Zug kam anders als erwartet fünf Minuten früher an. - Die Prüfung war wider Erwarten leicht.
(Oder: Die Prüfung war unerwartet leicht.
Wider Erwarten Gegenteil
Falls etwas genau Ihren Erwartungen entspricht, ist es nicht wider den Erwartungen. Es ist dann erwartungsgemäß oder schlicht „wie erwartet“.
Beispiele für „wider“ in verschiedenen Wortarten
Das Wort „wider“ kann alleinstehen sowie Bestandteil eines Substantivs, Verbs oder Adjektivs sein. Einige Beispiele für Wörter mit „wider“:
- Substantive
Widerhaken, Widerwille, Widerspruch, Widerworte, Widersacher, Widerstand - Verben
widerfahren, widersprechen, widerstreiten, widerstehen, widersetzen, widerlegen, widerrufen, widerspiegeln - Adjektive
widerborstig, widerlich, widerspenstig, widerstrebend
In allen diesen Kombinationen steckt die Bedeutung „gegen“ oder „konträr“ drin. Auch als Substantiv kommt „wider“ vor – dann meist in Verbindung mit „Für und Wider“. Beispiel:
- Bevor Sie sich entscheiden, sollten Sie gründlich das Für und Wider abwägen.
(Oder: Bevor Sie sich entscheiden, sollten Sie gründlich die Pro- und Kontra-Argumente abwägen.)
Das Wortgefüge das Für und Wider abwägen wird übrigens ebenfalls häufig falsch geschrieben: Korrekt ist nur die Großschreibung von „Für“ und „Wider“, da es sich um Substantivierungen handelt. Außerdem heißt das richtige Verb für diese Redewendung „abwägen“: Es bedeutet so viel wie „vergleichend und prüfend genau bedenken“. Häufig ist stattdessen fälschlicherweise von „abwiegen“ zu lesen – hier werden allerdings keine Argumente gewogen! Falsch daher diese Schreibweise: das Für und Wider abwiegen.
Widererwartend oder wiedererwartend?
Nun ist „entgegen meiner Erwartungen“ eine lange Wortkombination. Hier und da liest man widererwartend – das Wort kommt im Duden jedoch nicht vor. Anders bei wiedererwartend: das Partizip drückt aus, dass jemand etwas oder eine Person erneut erwartet. In der gesprochenen Sprache spielt es allerdings keine Rolle und eignet sich eher für standardsprachlich verfasste Schreiben an Behörden.
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