Definition: Was ist das Gewohnheitsrecht?
Das Gewohnheitsrecht ist ein ungeschriebenes Recht, das durch lang andauernde, regelmäßige und gleichbleibende Anwendung von Regelungen entsteht, die als verbindlich akzeptiert werden. Bei der Arbeit wird auch von betrieblicher Übung gesprochen, wenn aus freiwilligen Leistungen ein verbindlicher Anspruch wird.
Anspruch auf Leistungen oder Rechte ergeben sich im Gewohnheitsrecht nicht aus gesetzlichen Regelungen, dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder gültigen Tarifverträgen. Trotzdem wird das Gewohnheitsrecht gleichberechtigt mit anderen Gesetzen behandelt.
Voraussetzungen für Gewohnheitsrecht
Gibt Ihr Arbeitgeber Ihnen einmal einen zusätzlichen freien Tag, haben Sie im Anschluss nicht sofort ein Gewohnheitsrecht im Job. Grundsätzlich gilt: Es entsteht, wenn eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers über eine längere Zeit in beiderseitigem Einverständnis regelmäßig wiederholt wird.
Um eine betriebliche Übung zu bilden, müssen folgende 3 Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Leistung muss über mindestens 3 Jahre erbracht werden.
- Die Leistung wird als verbindlich akzeptiert.
- Es dürfen keine abweichenden vertraglichen Vereinbarungen vorliegen.
Liegt eine betriebliche Übung vor, dürfen Sie auch in Zukunft die Leistungen des Arbeitgebers erwarten. Als Arbeitnehmer leiten Sie nach § 151 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Anspruch ab.
Gewohnheitsrecht nach wie vielen Jahren?
Bei Beispielen aus der Arbeit gilt typischerweise ein Zeitraum von 3 Jahren, nach denen das Gewohnheitsrecht greift. In anderen Bereichen sind jedoch Abweichungen möglich. Es muss ein langer, signifikanter Zeitraum sein, in dem das Verhalten wiederholt stattfindet – es gibt jedoch keine konkreten Angaben, wie viele Jahre das umfasst.
Beispiele für Gewohnheitsrecht
Im Arbeitsrecht gibt es verschiedene Beispiele für das Gewohnheitsrecht. Unternehmen gewähren immer wieder eigentlich freiwillige Leistungen, die durch Wiederholung und Regelmäßigkeit zu einem verbindlichen Anspruch werden können. Hier einige häufige Beispiele:
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Weihnachtsgeld
Sie erhalten 3 Jahre lang ein Weihnachtsgeld in Höhe von 300 Euro. Für das 4. Jahr entsteht ein Gewohnheitsrecht auf die Zahlung.
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Urlaubsgeld
Das gilt auch bei Urlaubsgeld. Zahlt der Arbeitgeber 3 Jahre lang einen festen Betrag, dürfen Sie diesen auch im 4. Jahr erwarten und einfordern.
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Prämien
Im Betrieb wird seit 3 Jahren eine Prämie für das Erreichen eines Ziels gezahlt. Schaffen Sie das Ziel erneut im 4. Jahr, besteht ein Gewohnheitsrecht.
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Krankmeldungen
Seit 3 Jahren gelten dieselben Regelungen und Vorgehensweisen bei der Krankmeldung im Job – Sie reichen ein ärztliches Attest am 4. Tag ein. Plötzliche Änderungen dieser Regelung sind nicht möglich, weil das Prozedere unter das Gewohnheitsrecht fällt.
Weitere Beispiele für das Gewohnheitsrecht in der Arbeit:
- Urlaubsregelungen
- Überstundenregelungen und deren Vergütung
- Übernahme der Kosten für Weiterbildungen
- Zuschüsse zum Essen oder zu Fahrtkosten
Grenzen des Gewohnheitsrechts: Arbeitszeit, Arbeitsort, Tätigkeit
Keine Anwendung des Gewohnheitsrechts gibt es in den Bereichen, in denen das Direktionsrecht des Arbeitgebers greift. Nach § 106 der Gewerbeordnung steht dem Arbeitgeber dieses Recht insbesondere in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsinhalt und Arbeitsort zu. In diesen Bereichen darf der Arbeitgeber Änderungen entscheiden, die Arbeitnehmer auch nach langer Zeit akzeptieren müssen.
Beispiel: Sie arbeiten seit vielen Jahren am Hauptsitz der Firma. Künftig sollen Sie in der Betriebsstätte im Nachbarort eingesetzt werden. Dies ist aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers rechtmäßig – unabhängig davon, ob Sie seit mehr als 3 Jahren an einem anderen Ort gearbeitet haben.
Auch beim Inhalt der Tätigkeit dürfen Arbeitgeber Änderungen vornehmen, sofern die neue Tätigkeit Ihren Qualifikation und sonstigen Eignungen entspricht. Bei den Arbeitszeiten ist auch ein Schichtwechsel möglich, selbst wenn Sie bislang viele Jahre lang in derselben Schicht gearbeitet haben.
Gewohnheitsrecht: Gleichbehandlung der Arbeitnehmer
Für Arbeitnehmer, die im selben Unternehmen beschäftigt sind und ähnliche Arbeitssituationen haben, gilt die betriebliche Gleichbehandlung. Wenn der Arbeitgeber freiwillige Leistungen erbringt (zum Beispiel die Zahlung von Urlaubsgeld) darf er dabei einzelne Arbeitnehmer nicht benachteiligen.
So ist ein Gewohnheitsrecht auf andere Kollegen übertragbar. Erhalten Sie jedes Jahr Urlaubsgeld, haben auch Ihre direkten Kollegen in vergleichbarer Arbeitssituationen einen Anspruch darauf. Nur mit einem nachvollziehbaren Sachgrund dürfen Unterschiede gemacht werden. Sonst haben auch die benachteiligten Arbeitnehmer denselben Anspruch.
Gewohnheitsrecht verhindern
Für Arbeitgeber ist es problematisch, wenn eigentlich freiwillige Leistungen durch das Gewohnheitsrecht auch in Zukunft beansprucht werden. Um genau das zu verhindern und die Regelung zu umgehen, gibt es 4 verschiedene Möglichkeiten:
- Unregelmäßigkeit
Wird eine freiwillige Leistung nicht regelmäßig wiederholt, tritt keine betriebliche Übung ein. Wird Urlaubsgeld nur unregelmäßig in verschiedenen Jahren bezahlt, entsteht kein Gewohnheitsrecht. - Freiwilligkeitsvorbehalt
Durch die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehaltes im Arbeitsvertrag legt das Unternehmen fest, dass bestimmte freiwillige Leistungen erbracht werden, jedoch dadurch gerade kein Rechtsanspruch für zukünftige Leistungen entsteht. - Aufhebungsvereinbarung
Ist die betriebliche Übung bereits eingetreten, so gibt es auch die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich vereinbaren, dass das Gewohnheitsrecht in Zukunft nicht mehr greift. - Änderungskündigung
Mit einer Änderungskündigung wird ein Arbeitsverhältnis zu anderen Bedingungen fortgesetzt. In diesem Fall muss jedoch auch der Arbeitnehmer den geänderten Konditionen zustimmen.
Gewohnheitsrecht bei Grundstücken
Auch bei Grundstücken wird oft vom Gewohnheitsrecht gesprochen. Dabei geht es meist um ein Wegerecht. Aber: Wer beispielsweise immer wieder über ein fremdes Grundstück fährt, um eine Abkürzung zu nehmen, erhält dadurch kein Gewohnheitsrecht.
Der fremde Grundstücksbesitzer kann das dulden oder auch untersagen. Ein Wegerecht lässt sich allerdings vertraglich vereinbaren. Anders beim Notwegerecht – wenn das eigene Grundstück nur über den Weg eines fremden Grundstücks erreichbar ist, so darf der Weg auch weiter benutzt werden. Es handelt sich in diesem Fall jedoch auch nicht um ein Gewohnheitsrecht, sondern um eine gesetzliche Regelung im BGB.
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