Hamburger Modell: Stufenweise Wiedereingliederung

Wer vorübergehend erkrankt ist, braucht in der Regel nur eine kurze Genesungsphase und ist danach wieder voll einsatzfähig. Anders bei langwierigen, schweren Erkrankungen: Für solche Fälle gibt es das Hamburger Modell. Es soll die stufenweise Wiedereingliederung nach einer langen, krankheitsbedingten Pause ermöglichen und regelt die Rahmenbedingungen. Wir erklären, was Sie zum Hamburger Modell wissen müssen und wie die Rückkehr in den Job durch einen Stufenplan gelingen kann…

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Was ist das Hamburger Modell?

Das Hamburger Modell ist eine Maßnahme, die Arbeitnehmern dabei helfen soll, nach einer langen beruflichen Auszeit aufgrund einer Krankheit wieder zurück in den Job zu finden. Das wird durch eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit und Arbeitsbelastung erreicht, die nach einem festgelegten Stufenplan wieder gesteigert wird.

Mitarbeiter sollen Schritt für Schritt wieder an die Arbeit herangeführt werden, bis die Leistungsfähigkeit wieder aufgebaut ist und sie zum ursprünglichen Pensum zurückkehren können. Der Begriff ist dabei eine umgangssprachliche Bezeichnung. Offiziell wird im Gesetz von der stufenweisen Wiedereingliederung gesprochen (§ 74 SGB V). Für Arbeitnehmer mit einer Behinderung finden sich die Regelungen in § 28 SGB IX.

Ziel des Hamburger Modells

Ziel des Hamburger Modells ist es, Arbeitnehmern die Rückkehr in den Job zu erleichtern und durch den stufenweisen Ablauf überhaupt zu ermöglichen. Wer nach langer Krankheit noch nicht der vollen Arbeitsbelastung gewachsen ist, würde sonst Wochen oder gar Monate brauchen, bevor er den ersten Tag zurück in den Beruf könnte – und würde erst dann mit dem Wiedereinstieg beginnen.

Die stufenweise Wiedereingliederung ist deshalb eine wichtige Maßnahmen der Rehabilitation. Sie geht über den rein medizinischen Teil der Genesung hinaus, da sie die Rückkehr zur Normalität, wie sie vor der Krankheit aussah, zum Ziel hat.

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Voraussetzungen für die stufenweise Wiedereingliederung

Für die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. So soll die Gesundheit des Arbeitnehmers weiterhin geschützt werden, um zu frühe und zu große Belastungen zu vermeiden.

Weitere Arbeitsunfähigkeit

Das Hamburger Modell kann nur in Anspruch genommen werden, wenn Sie für die komplette Dauer der Maßnahme weiterhin offiziell arbeitsunfähig sind. So sind Sie auch weiterhin durch das Krankengeld finanziell abgesichert. Würde der Arzt keine Arbeitsunfähigkeit mehr bescheinigen, könnten Sie laut medizinischer Einschätzung ohnehin wieder arbeiten gehen.

Teilweise Belastbarkeit

Gleichzeitig muss Ihr Arzt Ihnen eine Bescheinigung ausstellen, dass Sie teilweise belastbar sind. So wird bestätigt, dass Ihre gesundheitliche Situation unter leichten Belastungen während der stufenweisen Wiedereingliederung nicht leidet.

Vollständige Zustimmung

Alle Beteiligten müssen der Anwendung des Hamburger Modells zustimmen: Sie, der Arzt, Ihr Arbeitgeber und die Krankenkasse. Gerade Ihre Zustimmung ist freiwillig – Sie sind nicht dazu verpflichtet, eine stufenweise Wiedereingliederung durchzuführen. Um in den Job zurückzukehren, kann es aber eine gute Möglichkeit sein.

Gute Erfolgsaussichten

Zusätzlich müssen gute Aussichten auf den Erfolg der Maßnahme und die Ziele der Wiedereingliederung bestehen. Das Hamburger Modell wird nur eingesetzt, wenn mit einer erfolgreichen Wiedereingliederung nach dem Stufenplan gerechnet werden kann. Bei einer negativen Prognose wird auf die Umsetzung verzichtet.

Anspruch: Wer kann das Hamburger Modell nutzen?

Das Hamburger Modell soll möglichst vielen Arbeitnehmern nach langer Krankheit die Rückkehr in den Arbeitsalltag ermöglichen. Deshalb haben alle Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse Anspruch auf die Maßnahme, wenn die obigen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch können Regelungen bei einer privaten Versicherung getroffen werden, die ähnliche Maßnahmen zur Rückkehr in den Job ermöglichen.

Allerdings führt nicht jeder krankheitsbedingte Ausfall zu einer Wiedereingliederung durch das Hamburger Modell. Eine kurze Krankschreibung, beispielsweise bei einer Grippe, fällt nicht in den Bereich der Maßnahme. Diese wird erst bei einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens sechs Wochen angewendet.

Unerheblich ist hingegen, weshalb Sie krankgeschrieben sind. Bei psychischen Erkrankungen wie einem Burnout, aber auch bei anderen langfristigen Erkrankungen (etwa einer Krebstherapie) oder nach einem Arbeitsunfall kann eine stufenweise Wiedereingliederung stattfinden.


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Wie beantrage ich das Hamburger Modell?

Ihre Teilnahme am Hamburger Modell ist freiwillig. Die Mehrheit der Arbeitnehmer hat aber ein Interesse an der sanften Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag. Um eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell zu beantragen, können Sie die folgenden Schritte nutzen:

  • Gesundheitszustand klären

    Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob er eine stufenweise Wiedereingliederung für sinnvoll und möglich hält. Wichtig ist hier die positive Prognose, dass Sie durch das Hamburger Modell wieder an Ihre volle Leistungsfähigkeit herangeführt werden können.

  • Stufenplan erstellen

    Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt einen konkreten Stufenplan. Dieser orientiert sich daran, wie belastbar Sie bereits sind und wie sich Ihre Belastbarkeit voraussichtlich entwickeln wird. Im Stufenplan werden Beginn und Ende der Maßnahme, die erlaubten Arbeitszeiten für die einzelnen Stufen und die Aufgaben festgehalten, die Sie bereits erledigen können.

  • Arbeitgeber ansprechen

    Ihr Arbeitgeber muss der Umsetzung des Hamburger Modells zustimmen. Es ist deshalb sinnvoll, Ihren Chef bereits frühzeitig zu informieren und in Absprache gemeinsam (mit Arzt und Arbeitgeber) den Stufenplan zu erstellen. Für die Zustimmung sollte eine schriftliche Vereinbarung erstellt werden, die beide Seiten unterschreiben.

  • Antrag stellen

    Sie haben einen Stufenplan, Arzt und Arbeitgeber haben Ihrem Wunsch nach stufenweiser Wiedereingliederung zugestimmt – dann stellen Sie nun einen schriftlichen Antrag bei Ihrer Krankenversicherung, wenn Sie Krankgengeld beziehen. Erfolgt das Hamburger Modell im Anschluss an eine Reha-Maßnahme, ist die Rentenversicherung zuständig. Hier muss die stufenweise Wiedereingliederung innerhalb von vier Wochen nach Ende der Reha begonnen werden.

Finanzieller Ausgleich während der Wiedereingliederung

Während der stufenweisen Wiedereingliederung im Rahmen des Hamburger Modells sind Sie offiziell weiterhin arbeitsunfähig und damit krankgeschrieben. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, für diese Zeit Ihr Gehalt zu zahlen – auch wenn Sie teilweise für einige Stunden bereits wieder arbeiten. Lediglich freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers sind möglich, die dann mit anderen Leistungen verrechnet werden. Teilnehmer am Hamburger Modell erhalten aber andere finanzielle Unterstützung.

In der Regel zahlt die Krankenkasse weiterhin das Krankengeld. Dieses beträgt 70 Prozent des Bruttolohns, höchstens aber 90 Prozent des Nettoverdiensts. Gehen Sie im Anschluss an eine medizinische Rehabilitation in die Wiedereingliederung, zahlt die Rentenversicherung ein Übergangsgeld. Kinderlose Arbeitnehmer erhalten 68 Prozent des Bruttolohns, Angestellte mit Kindern bekommen 75 Prozent ihres Bruttogehalts.

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Wiedereingliederung: Stufenplan kann angepasst werden

Im Zentrum des Hamburger Modells steht der Stufenplan oder auch Eingliederungsplan, der die verschiedenen Schritte beinhaltet und auf die individuelle Situation angepasst ist. Er enthält genaue Vorgaben, damit ausreichende Informationen für den Weg zurück in den Job gegeben sind. Das sind insbesondere:

  • Beginn und Ende der Maßnahme
  • Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Stufen (Arbeitszeit, Aufgaben, Verbote…)
  • Das Rücktrittsrecht aller beteiligten Parteien (Mitarbeiter, Arbeitgeber, Krankenkasse) inklusive möglicher Gründe
  • Das Aussetzen und Ruhenlassen von Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag

Der Stufenplan sollte eine detaillierte Übersicht liefern, wie die Wiedereingliederung des Mitarbeiters planmäßig vorangebracht werden kann. Wichtig ist jedoch eine fortlaufende Prüfung und regelmäßige Kommunikation zwischen Mitarbeiter, Arbeitgeber und Arzt. Manchmal dauert es länger, bis der Arbeitnehmer in die nächste Stufe des Plans aufsteigen kann. In einem solchen Fall muss der Stufenplan angepasst werden.

Wie lange dauert das Hamburger Modell?

Wie lange das Hamburger Modell dauert, kann je nach Einzelfall stark variieren. Manchmal braucht es nur wenige Wochen, bis die alte Leistungsfähigkeit wiederhergestellt ist und die Wiedereingliederung als erfolgreich betrachtet und beendet werden kann. In anderen Fällen kann es sich über mehrere Monate hinziehen.

Ist die stufenweise Wiedereingliederung nach sechs Monaten noch nicht abgeschlossen, kann geprüft werden, ob eine Fortsetzung sinnvoll ist oder die Maßnahme beendet wird.

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Vorzeitiger Abbruch des Hamburger Modells

Aus gesundheitlichen oder betrieblichen Gründen kann die stufenweise Wiedereingliederung für bis zu sieben Tage unterbrochen werden. Eine längere Ausfalldauer ist nicht möglich, in diesem Fall wird die Maßnahme offiziell beendet. Ebenso kann das Hamburger Modell vorzeitig abgebrochen werden. Sie selbst, Ihr Arbeitgeber oder auch der Arzt können diese Entscheidung treffen. Entsprechende Gründe dafür werden im Stufenplan vereinbart.

Abbruchgründe sind typischerweise gesundheitlich bedingt. Eine Verschlechterung des Zustandes kann Anzeichen sein, dass die Wiedereingliederung nicht möglich ist – ebenso kann eine deutlich schnellere Verbesserung zum vorzeitigen Abbruch führen, da der Mitarbeiter schneller wieder komplett in den Beruf einsteigen kann.

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BEM oder stufenweise Wiedereingliederung?

Bei Wiedereingliederung denken viele an das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Allerdings müssen die Begrifflichkeiten und Maßnahmen differenzierter betrachtet werden: Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell ist eine Möglichkeit des BEM, aber nicht die einzige. Ebenso wären ein umgestalteter Arbeitsplatz oder ein anderer Tätigkeitsbereich möglich.

Ein weiterer zentraler Unterschied: Ihr Arbeitgeber ist zum BEM verpflichtet ist und muss eine solche Wiedereingliederung anbieten. Das Hamburger Modell hingegen können Sie vorschlagen, aber Sie haben keinen Rechtsanspruch darauf.

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