Werkstätten für Menschen mit Behinderung
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind spezielle Einrichtungen, in denen behinderte Personen ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis aufnehmen können. Es handelt sich um ein freiwilliges Beschäftigungsangebot für jene, die nicht, noch nicht oder nicht wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. In den Werkstätten fertigen Menschen mit Handicap beispielsweise Spielzeuge und Büromaterialien oder bauen Möbel zusammen.
Der Vorteil: Die Arbeitnehmer genießen dort einen besonderen Schutz. Beispielsweise haben sie keine zeitlichen Vorgaben, innerhalb derer sie ihre Arbeitsleistung erbringen müssen. Des Weiteren genießen sie Kündigungsschutz, da sie einen Aufnahmeanspruch haben.
Werkstätten für viele Behinderte unattraktiv
Seit Jahren stehen die Werkstätten in der Kritik. Was auf den ersten Blick nach himmlischen Bedingungen aussieht, kommt für viele gehandicapte Menschen nicht infrage. Denn in der Vergangenheit waren sie häufig auch Verwahranstalt, weil der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt – also dem regulären – kaum möglich war. Zu groß die Vorbehalte seitens vieler Arbeitgeber.
Allerdings ist die Bezahlung in Behindertenwerkstätten auch keineswegs mit einem normalen Gehalt zu vergleichen. Nicht mal Mindestlohn erhalten die Beschäftigten. Ihr Arbeitsentgelt setzt sich aus Grundbetrag, Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld zusammen – insgesamt monatlich etwa 220 Euro bei Vollzeitarbeit.
1. Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung
Der erste Arbeitsmarkt lockt aber nicht nur mit höherem Verdienst, sondern grundsätzlich anderen beruflichen Chancen. Während körperlich und geistig Gesunde von Berufen wie Arzt, Astronautin oder Lehrer träumen, blieb vielen Menschen mit Behinderung früher nur die Drechselbank. Mittlerweile hat sich vieles geändert.
Gesetze (siehe Kasten), aber auch die öffentliche Wahrnehmung und nicht zuletzt die Digitalisierung eröffnen neue Chancen. Menschen mit Behinderung fliegen vielleicht nicht zum Mond. Aber ansonsten ist vieles eine Frage des Mindsets. Ob Schauspielerin wie Luisa Wöllisch, Influencer wie Raoul Krauthausen oder Motivationscoach wie Janis McDavid: Sie alle ergriffen Jobs jenseits der klassischen Werkbank.
Ausgleichsabgabe von Unternehmen
Damit Berufe grundsätzlich offenstehen, sind Unternehmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung verpflichtet. Dafür gibt es eine Quote, die Arbeitgebern vorschreibt, wie viele ihrer Arbeitsplätze sie behinderten Arbeitnehmer zur Verfügung stellen müssen. Bei einer Unternehmensgröße von mehr als 20 Angestellten liegt diese Quote bei privaten Arbeitgebern bei fünf Prozent – Ausnahmeregelungen gibt es für Kleinunternehmen.
Bei Nichteinhaltung wird eine Strafzahlung (sogenannte Ausgleichsabgabe) für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz in Höhe von 145 bis 360 Euro fällig. Die Quote gilt für eine Person mit einer Schwerbehinderung von 50 Prozent und mehr. Ebenso gilt sie für gleichgestellte Personen, die einen Grad der Schwerbehinderung von 30 Prozent haben.
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Jobs für Behinderte im öffentlichen Dienst
Der öffentliche Dienst ist besonders gefragt, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Daher liegt die Einstellungsquote bei öffentlichen Arbeitgebern des Bundes sogar bei sechs Prozent. Das führt dazu, dass in Stellenangeboten häufiger eine Formulierung wie die folgende zu lesen ist:
Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber haben bei der Einstellung Vorrang vor gesetzlich nicht bevorrechtigten Bewerberinnen und Bewerbern mit im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.
So versuchen Unternehmen die gesetzliche Beschäftigungsquote zu erreichen. Für Bewerber mit Behinderung kann das ein Vorteil sein – wenn die Schlüsselkompetenzen stimmen. Jobs wie Verwaltungsfachangestellte zählen zu sitzenden Tätigkeiten und eignen sich daher gut für Handicaps mit eingeschränkter Mobilität.
Arbeiten mit Behinderung: Rechtliche Situation, Daten und Fakten
Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen geht auf die Vereinten Nationen zurück. Es definiert die Lebenssituation behinderter Menschen, um ihnen die gleichberechtigte Teilnehme am gesellschaftlichen Leben zuzusichern. In Deutschland gibt es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG).
Es soll vor Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Alter, Behinderung oder sexueller Identität schützen. Das Gesetz regelt sowohl Alltagssituationen als auch Rechte in der Arbeit. Bezogen auf die Arbeit werden beispielsweise Auswahlkriterien, berufliche Aufstiegschancen sowie die Arbeitsvergütung durch dieses Gesetz geregelt.
Behinderung in der Bewerbung erwähnen?
Sie sind nicht dazu verpflichtet, Ihre Behinderung bereits bei der Bewerbung offenzulegen. Selbstverständlich können Sie im Anschreiben darauf hinweisen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Angabe der Behinderung in der Bewerbung die Chancen auf ein Vorstellungsgespräch eher verschlechtert.
Spätestens beim persönlichen Gespräch sollten Sie mit offenen Karten spielen, insbesondere wenn der Personalchef Sie explizit danach fragt. Sollte später bekannt werden, dass Sie Ihre Behinderung vertuscht haben, kann dies ein Kündigungsgrund sein. Zusätzlich können Sie keine Ansprüche wie extra Urlaubstage geltend machen.
Tipps für die Jobsuche
Die folgenden Hinweise können Ihnen die Jobsuche erleichtern:
- Behinderung unerheblich
Suchen Sie gezielt nach Stellen, bei denen Ihr Handicap Sie nicht bei der Ausübung der Arbeit behindert und bei der Sie trotzdem mit Ihrem Wissen punkten können. - Fördermöglichkeiten erkunden
Nehmen Sie die Beratungsangebote der Integrationsstellen und der Bundesagentur für Arbeit wahr. Dort informiert man Sie über Förderungsmöglichkeiten. - Bewerbung abstimmen
Lassen Sie sich gegebenenfalls bei der Formulierung Ihres Anschreibens durch professionelle Unterstützung helfen. Bewerbungscoaches können Ihnen bei der richtigen Formulierung helfen.
Der ersten Schritte in Richtung Traumjob sind immer schwierig, doch mit den geeigneten Informationen können auch Bewerber mit Behinderung den Einstieg finden.
Informations- und Hilfsangebote für Behinderte
Um gut gerüstet in die Jobsuche zu starten, sollten Sie sich vorher bei den zuständigen Stellen informieren. Hier finden Sie dazu ausführliche Informationen:
Agentur für Arbeit
Nicht nur über die Jobbörse der Arbeitsagentur können Sie Stellensuche betreiben. Die Behörde informiert über verschiedene Hilfsangebote zu Aus- und Weiterbildung bei Schwerbehinderung, zu finanzieller Unterstützung sowie zur Gleichstellung. Auch spezielle Dienste wie Unterstützung für schwerbehinderte Akademiker oder Beratung bei beruflicher Rehabilitation fallen darunter.
Mehr erfahren Sie hier: Bundesagentur für Arbeit
Integrationsämter/Inklusionsämter
Hierbei handelt es sich um staatliche Behörden, die je nach Bundesland etwas abweichende Bezeichnungen haben. Diese Ämter helfen Schwerbehinderten ebenfalls mit Beratung, einen Ausbildungsplatz zu finden oder bei der Arbeitssuche. Daneben sind sie Bindeglied zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Behinderung: Hier fließt die Ausgleichsabgabe hin und damit finanziert das Integrationsamt beispielsweise Hilfsmittel und Dolmetscherdienste.
Mehr erfahren Sie hier: Integrationsämter
Integrationsfachdienste
Die Integrationsfachdienste (IDF) übernehmen ähnliche Aufgaben wie die Arbeitsagentur und sind meist in der Nähe angesiedelt. Sie sind Ansprechpartner für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer mit Behinderungen verschiedenster Art. So unterstützen und begleiten sie beispielsweise die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, insbesondere seelisch und lernbehinderter Jugendlicher. Auch die begleitende Betreuung der Behinderten am Arbeitsplatz – beispielsweise Krisenintervention – fällt in den Aufgabenbereich.
Mehr erfahren Sie hier: Integrationsfachdienste
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Allgemeine Informationen zu barrierefreien Jobs sowie zur Förderung von Ausbildung und Beschäftigung erhalten Sie auf dieser Seite. Das Bundesministerium informiert über Neuigkeiten im Bereich Teilhabe und Inklusion unter besonderer Berücksichtigung der Rechte.
Mehr erfahren Sie hier: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Besondere Rechte von Behinderten
Arbeitnehmer mit einer Behinderung haben besondere Rechte am Arbeitsplatz:
- Höherer Urlaubsanspruch
Zusätzlich zu den gesetzlichen Urlaubstagen stehen Ihnen fünf weitere Tage zu. Dieser Zusatzurlaub ist in § 208 im neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgehalten. - Besonderer Kündigungsschutz
Ein Arbeitnehmer mit einer Behinderung kann nach Ablauf der Probezeit nur mit Einwilligung des Integrationsamtes gekündigt werden. - Spezielle Arbeitsplatzgestaltung
Behinderten steht es zu, dass der Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse angepasst wird. Dabei kann es sich um die Anschaffung einer ergonomischen Tastatur oder eines speziellen Monitors für Menschen mit Sehbehinderung sowie um die Barrierefreiheit des gesamten Arbeitsplatzes für Rollstuhlfahrer handeln. Unterstützt werden sie dabei vom Integrationsamt sowie vom Arbeitgeber. - Begleitende Hilfe
Das können technische Arbeitshilfen sein, etwa Sprachsoftware für sehbehinderte Menschen. Begleitende Hilfe ist auch in Form einer Arbeitsassistenz möglich, die beispielsweise als Gebärdendolmetscher zwischen Arbeitgeber und gehörlosen Mitarbeiter vermittelt.
Menschen mit Behinderung: Die Zurückhaltung vieler Unternehmen
Genau diese besonderen Rechte verunsichern viele Arbeitgeber. Derzeit sind 1,1 Millionen Schwerbehinderte in Betrieben beschäftigt. 39 Prozent aller verpflichteten Unternehmen haben behinderte Mitarbeiter angestellt. Das heißt aber auch, dass ein Großteil seiner Pflicht nicht oder nicht vollständig nachkommt. Unternehmen fürchten den besonderen Kündigungsschutz sowie zusätzliche Kosten durch die Umgestaltung des Arbeitsplatzes.
Dabei können Arbeitgeber finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Und oft sind die Vorbehalte grundlos: Eine Vielzahl der Behinderungen ist nachträglich erworben und muss nicht zu massiven Einschränkungen führen. Folgende Grafik zeigt die häufigsten Ursachen:
Es stimmt: Nach der behindertengerechten Umgestaltung eines Arbeitsplatzes (mit Zuschuss durch das Integrationsamt) muss dieser von einem Arbeitnehmer mit Behinderung in Anspruch genommen werden. Das gilt für eine Dauer von sechs bis 50 Monaten. Sich auf solche Handicaps zu fokussieren und einen Bewerber aus diesen Gründen abzulehnen, bedeutet das Wesentliche zu übersehen: Nämlich die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung oft hochmotiviert und ebenso leistungsfähig sind. Und es ist ein natürliches Bedürfnis, dass jeder Mensch selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen möchte.
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