Sozialauswahl: Punktesystem, Kriterien, Ablauf

Verlegt ein Unternehmen seinen Sitz in einen anderen Ort, schließt eine Niederlassung oder will anderweitig Stellen abbauen, kommt es meist zu betriebsbedingten Kündigungen. Die Sozialauswahl spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie stellt Kriterien auf, an die Arbeitgeber sich halten müssen. Sonst können Kündigungen unwirksam sein. Wir erklären, was Sie über die Sozialauswahl wissen müssen, welche Kriterien dabei eine Rolle spielen und worauf Sie im Falle einer Kündigung achten sollten…

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Definition: Was ist die Sozialauswahl?

Die Sozialauswahl ist eine wichtige Maßnahme, wenn es bei einem Unternehmen zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Greift der Kündigungsschutz, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen. Findet keine Sozialauswahl statt oder ist diese fehlerhaft, können die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sein.

Oft wird dabei von sozialverträglicher Kündigung gesprochen. Passender ist jedoch der Begriff „sozial gerechtfertigt“. Dahinter steht, dass einige Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig sind. Ein Arbeitnehmer mit Familie und Kindern genießt demnach größeren Schutz, da er weniger mobil und flexibel ist – hinzu kommen seine Unterhaltsverpflichtungen.

Voraussetzungen: Wann findet eine Sozialauswahl statt?

Nicht bei jeder Kündigung muss zwangsläufig eine Sozialauswahl durchgeführt werden. Grundsätzlich müssen dafür drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Ordentliche betriebsbedingte Kündigung
    Die Sozialauswahl wird nur bei betriebsbedingten Kündigungen eingesetzt. Die Gründe für die Entlassungen müssen also beim Unternehmen selbst liegen – möglich sind etwa Schließungen, Umstrukturierungen oder starker Umsatzrückgang.
  2. Kündigungsschutz
    Nur wenn der Kündigungsschutz gilt, muss eine Sozialauswahl erfolgen. Dafür muss der Mitarbeiter bereits länger als sechs Monate im Unternehmen sein und der Arbeitgeber muss mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen. In Kleinbetrieben kommt das Gesetz nicht zur Anwendung.
  3. Mehr Arbeitnehmer als Kündigungen
    Kommen potenziell mehr Arbeitnehmer für eine Kündigung infrage, als tatsächlich Entlassungen geplant sind, braucht es eine Sozialauswahl.

Keine Sozialauswahl muss demnach durchgeführt werden, wenn es keine vergleichbaren Arbeitnehmer gibt. Dann muss der Arbeitgeber prüfen, ob ein Mitarbeiter nicht im Zuge des Direktionsrechts auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden kann.

Beispiel für die Sozialauswahl

Ein Unternehmen verfügt über drei Filialen mit insgesamt 48 Mitarbeitern – davon drei Filialleiter und 45 Angestellte, die als Springer in allen Filialen zum Einsatz kommen. Eine der Filialen soll stillgelegt werden. Das Unternehmen kann dann nicht einfach die Angestellten entlassen, die zum Zeitpunkt des Beschlusses gerade an dem Standort arbeiten. Hier muss eine Sozialauswahl unter allen Arbeitnehmern in den drei Filialen stattfinden.

Maßgeblich ist hier nicht der aktuelle Einsatzort, sondern die Einsetzbarkeit gemäß Arbeitsvertrag.

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Auswahlkriterien im Kündigungsfall

Bei einer Sozialauswahl müssen laut Gesetz vier Kriterien zwingend berücksichtigt werden (§ 1 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz). Werden diese Faktoren nicht oder nicht ausreichend in die Entscheidung mit einbezogen, gilt die Kündigung als sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam.

Gesetzliche Kriterien bei der Sozialauswahl sind:

Arbeitgeber sind somit nicht komplett frei in der Kündigungsentscheidung. So soll Willkür verhindert werden, im Fokus steht aber vor allem die Schutzbedürftigkeit bestimmter Arbeitnehmer. Dabei spielt auch eine Rolle, welcher Mitarbeiter im Ernstfall leichter eine neue Stelle bei einem anderen Arbeitgeber finden kann und ein geringeres Risiko für lange Arbeitslosigkeit hat.

Sofern Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung nicht festlegen, wie die jeweiligen Auswahlkriterien gewichtet werden, kann der Arbeitgeber hier selbst entscheiden und hat daher einen gewissen Spielraum.

Streitfall Lebensalter: Diskriminierung oder nicht?

Ein Diskussionspunkt ist das Lebensalter als Kriterium bei der Sozialauswahl, zumal es in Wechselwirkung mit der Betriebszugehörigkeit dem Arbeitgeber eine deutlich stärkere Position verschafft. Streitthema ist, ob dieses Kriterium im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gültig ist oder ob ein Fall von Diskriminierung vorliegt. Zumal dieses Kriterium nicht erst ab einem bestimmten Alter greift, sondern für alle Altersschichten.

Die Annahme dahinter: Je älter ein Arbeitnehmer ist, desto größer seine Probleme auf dem Arbeitsmarkt nach einer Kündigung. Das ist zwar durchaus logisch und im Vergleich eines 50-Jährigen mit einem 20-Jährigen ein wichtiges Kriterium. Fraglich ist aber, ob dies auch bei einer Sozialauswahl zwischen einem 20- und 30-Jährigen dieselbe Rolle spielt. Dennoch wird gemäß der derzeitigen gesetzlichen Lage die Anwendung der Sozialauswahl auf alle Altersstufen als zulässig und damit nicht diskriminierend bewertet.


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Die einzelnen Schritte der Sozialauswahl

Die Sozialauswahl verläuft typischerweise in mehreren Schritte, in denen die Mitarbeiter ermittelt werden, die letztlich von der Kündigung betroffen sind:

  1. Ermittlung vergleichbarer Mitarbeiter

    Zunächst muss der Arbeitgeber alle möglichen Mitarbeiter ermitteln, die eine betriebsbedingte Kündigung aus dem aktuellen Grund erhalten könnten. Diese müssen untereinander vergleichbar und austauschbar sein – heißt auch, dass sie alle auf derselben Hierarchiestufe stehen. Diese horizontale Vergleichbarkeit ist besonders wichtig. Stellen, die auf unterschiedlichen Ebenen stehen, werden nicht miteinander verglichen.

  2. Berücksichtigung möglicher Ausnahmen

    Laut Gesetz können bestimmte Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausgenommen werden, wenn der ein wichtiges betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung besteht. Besitzt ein Mitarbeiter beispielsweise als einziger wichtige Kenntnisse und Fähigkeiten oder ist nachweislich ein absoluter Leistungsträger, der maßgeblich für den Ablauf im Betrieb verantwortlich ist, muss er nicht in die Auswahl einbezogen werden. Auch der Erhalt einer ausgewogenen Personalstruktur ist ein anerkannter Grund.

  3. Feststellung der Schutzbedürftigkeit

    Im letzten Schritt wird anhand der Kriterien die Schutzbedürftigkeit der vergleichbaren Mitarbeiter ermittelt. Dabei wird geschaut, welcher Arbeitnehmer welche Kriterien erfüllt. Anhand eines Punktesystems werden für jedes Kriterien entsprechende Punktzahlen vergeben. Angestellte mit den höchsten Punktzahlen gelten als besonders schutzbedürftig – die Mitarbeiter mit den geringsten Punktzahlen können gemäß Sozialauswahl entlassen werden.

Punktesystem bei der Sozialauswahl

Die Kriterien sind gesetzlich festgelegt, doch können Vereinbarungen über die Gewichtung innerhalb eines Punktesystems getroffen werden. Ein mögliches Punktesystem sieht so aus:

Punkte für Betriebszugehörigkeit

  • 1 Punkt pro Jahr des Betriebszugehörigkeit für bis zu zehn Jahre.
  • 2 Punkte pro Jahr ab dem elften Jahr der Betriebszugehörigkeit

Punktesystem für das Alter

  • 1 Punkt pro Lebensjahr

Punktesystem für Unterhaltspflichten

  • 4 Punkte für jedes unterhaltsberechtigte Kind
  • 8 Punkte für verheiratete Arbeitnehmer

Punktesystem bei Behinderung

  • 5 Punkte ab einem Grad der Behinderung von 50
  • 1 zusätzlichen Punkt für jede weitere 10 Prozent (also 6 Punkte bei GdB 60, 8 Punkte bei GdB 80)

Häufige Fehler von Arbeitgebern

Lange galt die Domino-Theorie: War eine Entlassung durch die Sozialauswahl fehlerhaft, waren alle ausgesprochenen Kündigungen unwirksam. Das gilt nicht mehr, die Unwirksamkeit bezieht sich nur auf die jeweilige Kündigung. Trotzdem wollen Arbeitgeber dies vermeiden – und Mitarbeiter sollten wissen, worauf sie achten müssen.

Ein typischer Fehler: Die vier Kriterien der Sozialauswahl wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Beispiel: Bei drei zu kündigenden Mitarbeitern wird die Dauer der Betriebszugehörigkeit und ihr Alter berücksichtigt, jedoch beim einem vergessen, die Unterhaltspflicht für seine Kinder mit einzubeziehen.

Auch ist es ein Fehler, den Sonderkündigungsschutz besonders schutzwürdiger Personengruppen nicht zu beachten. Dazu zählen Schwangere und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung, ebenso wie Schwerbehinderte und Betriebsräte. In diesen Fällen sind die Mitarbeiter von der Sozialauswahl üblicherweise ausgenommen. Der Arbeitgeber kann Schwerbehinderte mit in die Sozialauswahl einbeziehen, wenn er die Zustimmung des Integrationsamtes dafür einholt.



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