Definition: Was ist die Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis?
Durch die Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis müssen Arbeitgeber die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden von Mitarbeitern am Arbeitsplatz schützen. Unternehmen müssen Bedingungen schaffen, die Angestellte vor körperlichem, seelischem oder auch materiellem Schaden bewahren. Rechtlich ist es die Pflicht zur Wahrung schutzwürdiger Interesse des Arbeitnehmers.
Die Fürsorgepflicht umfasst verschiedene Bereiche. Besonders wichtig ist der Schutz vor Gefahren für Leben und Gesundheit. Dazu zählen nicht nur Unfälle, sondern auch psychische Belastungen durch Diskriminierung oder Mobbing.
Gesetzliche Grundlage der Fürsorgepflicht
Die Fürsorgepflicht ist in Deutschland eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Dahinter steht bereits der wichtige Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Vertragsparteien müssen vertrauenswürdig sowie rücksichtsvoll handeln und auf die berechtigten Interessen des anderen achten.
Die Schutzpflichten des Arbeitgebers regelt § 618 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch. In die Fürsorgepflicht fließen aber verschiedene Gesetze und Regelungen mit ein.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- Arbeitszeitgesetz
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
- Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
- Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Arbeitgeber können ihre Fürsorgepflicht nicht einschränken oder für bestimmte Bereiche aufheben. Solche Vereinbarungen (zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder über eine Betriebsvereinbarung) sind unwirksam.
Fürsorgepflicht Kind
Eine besondere Form der Fürsorgepflicht haben Eltern für ihr Kind. Dies ist eine rechtliche und moralische Verpflichtung. Eltern müssen sich um das körperliche und seelische Wohl sowie die Erziehung kümmern.
Die Fürsorgepflicht für ein Kind umfasst die Personensorge (Gesundheit, Pflege, Aufsicht) und wie Vermögenssorge.
Welche Bereiche umfasst die Fürsorgepflicht?
Arbeitgeber müssen für Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen und Mitarbeiter schützen. Aber was genau gehört dazu?
Zur Fürsorgepflicht zählen verschiedene Bereiche. Unsere Übersicht zeigt Beispiele zu Schutzmaßnahmen und Vorkehrungen:
1. Gesundheit
Unternehmen müssen vermeidbare Gesundheitsschäden von Arbeitnehmern abwenden. Laut § 5 des Arbeitsschutzgesetzes muss das Unternehmen dazu die „mit der Arbeit verbundene Gefährdung“ ermitteln und alle erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen. Heißt: Wo ein potenzielles Risiko besteht, müssen Arbeitgeber einschreiten.
Eine Gefahr für die Gesundheit kann dabei verschiedene Ursachen haben:
- Gestaltung und Einrichtung des Arbeitsplatzes
- Physikalische, chemische und biologische Einwirkungen
- Gestaltung, Auswahl und Einsatz von Arbeitsmitteln
- Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren oder Arbeitsabläufen
- Unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten
- Psychische Belastungen bei der Arbeit
2. Arbeitszeit
Zur Fürsorgepflicht zählt auch die Einhaltung der Arbeitszeiten zum Schutz der Gesundheit. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Mitarbeiter die maximale Arbeitszeit nicht überschreiten. Die Grenze liegt bei 8 Stunden am Tag, in kurzfristigen Ausnahmen (mit folgendem Ausgleich) sind bis zu 10 Stunden erlaubt.
Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen müssen eingehalten und wirklich gemacht werden. Ab 6 Stunden Arbeit sind 30 Minuten Pause Pflicht, bei 9 Stunden sind es mindestens 45 Minuten.
3. Arbeitsumgebung
Die Einrichtung des Arbeitsplatzes und das gesamte Arbeitsumfeld müssen zum Schutz der Mitarbeiter gestaltet sein. Typisches Beispiel ist die Absicherung von Baustellen, doch auch Büroarbeitsplätze müssen richtig eingerichtet sein.
Zur Fürsorgepflicht der Arbeitsumgebung zählen zum Beispiel:
- Ausreichend Beleuchtung und Tageslicht
- Gute Belüftung
- Angemessene Temperatur
- Angemessene Lärmbelastung
Die Arbeitsstättenverordnung sieht zum Beispiel vor, dass Arbeitsräume ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben müssen. Allerdings gibt es einige Ausnahmen von dieser Regelung – zum Beispiel für produzierende Betriebe.
4. Unterweisung
Mitarbeiter müssen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend und angemessen informiert werden. Die Unterweisung muss speziell auf den Arbeitsplatz oder Aufgabenbereich ausgerichtet sein. Diese Information muss vor der Aufnahme der Tätigkeit erfolgen und regelmäßig wiederholt werden.
Es reicht also nicht aus, Schutzhelme oder Atemschutzmasken kommentarlos bereitzustellen. Vorgesetzte müssen genaue Einweisungen geben und in die Sicherheitsmaßnahmen eingeführt werden. Mitarbeiter haben auch das Recht, sich je nach Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.
5. Persönlichkeitsrecht
Zum Persönlichkeitsrecht zählt am Arbeitsplatz das Recht auf Privatsphäre. Eine vollständige Überwachung ist verboten. Ebenso dürfen keine willkürlichen Vorgaben gemacht werden, die keinerlei betrieblichen Hintergründe haben.
Klare Regelungen gibt es zu Videoüberwachung. Verboten sind sogenannte Keylogger, mit denen Unternehmen die Dienstrechner von Beschäftigten überwachen. Das stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar.
6. Belästigung
Zum Schutz des Persönlichkeitsrechts zählen auch Maßnahmen gegen Belästigungen. Arbeitgeber müssen Beschäftigte vor Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen schützen. Das schließt auch den Schutz vor sexueller Belästigung ein.
Erfährt ein Arbeitgeber von diesem Verhalten, kann er gegen den Täter eine Abmahnung aussprechen oder (je nach Schwere) fristlos kündigen. In jedem Fall muss er aufgrund seiner Fürsorgepflicht ab Kenntnis aktiv werden.
7. Datenschutz
Teil der Fürsorgepflicht ist der Datenschutz. Unternehmen müssen die personenbezogenen Daten von Mitarbeiter vor Missbrauch schützen. Das umfasst technische Lösungen und organisatorische Maßnahmen, damit kein Außenstehender Zugriff auf die Informationen enthält.
Diese Datenschutzpflicht erlischt nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Anschluss müssen personenbezogene Daten weiterhin geschützt oder endgültig gelöscht werden.
8. Eigentum
Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Eigentum seiner Beschäftigten eine Obhut- und Verwahrungspflicht. Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht muss er geeignete (abschließbare) Aufbewahrungsmöglichkeiten (Spinde oder Schränke) bereitstellen. Geschützt sind dadurch private Gegenstände, die der Arbeitnehmer zwingend benötigt und in den Betrieb mitnehmen muss. Typisch sind Schlüssel, Portemonnaie, Ausweis, Fahrkarten, Bargeld, Straßenkleidung, Arbeitskleidung, Materialien und Werkzeuge.
Nicht geschützt sind hingegen unnötige oder übermäßige Wertsachen. Teurer Schmuck oder ein Umschlag mit viel Bargeld sind nicht notwendig. Ob der Arbeitgeber im Schadensfall haftet, ist dann vom Einzelfall abhängig.
9. Beschäftigungsanspruch
Mitarbeiter haben das Recht, die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten auszuüben. Auch dies ist ein Aspekt der Fürsorgepflicht. Arbeitnehmer dürfen Angestellte nicht gegen deren Willen in vollkommen anderen Bereichen einsetzen. Qualifizierte Fachkräfte dürfen nicht dauerhaft zum Aufräumen im Büro eingeteilt werden.
Ausnahmen sind bei schlechter Auftragslage oder Notfällen im Betrieb kurzfristig möglich.
Besondere Fürsorgepflicht für bestimmte Personen
In einigen Situationen und für bestimmte Personengruppen gilt eine besondere Fürsorgepflicht. Diese erweitert die Pflichten von Arbeitgebern und beinhaltet zusätzliche Schutzmaßnahmen und Regelungen. Sie gilt zum Beispiel:
- Gegenüber Schwangeren (Mutterschutzgesetz – MuSchG)
- Gegenüber Jugendlichen (Jugendarbeitsschutzgesetz – JArbSchG)
- Gegenüber schwerbehinderten Mitarbeitern (Sozialgesetzbuch IX)
- Bei gefährlichen Tätigkeiten (erhöhter Arbeitsschutz, Spezialausrüstung)
- Bei erkrankten Mitarbeitern (Schutz vor Ansteckung)
In diesen Fällen müssen Arbeitgeber oder Dienstherren (im Öffentlichen Dienst) über die allgemeinen Maßnahmen hinaus besondere Vorkehrungen treffen.
Fürsorgepflicht gilt auch im Homeoffice
Die Digitalisierung stellt Arbeitgeber und ihre Fürsorgepflicht vor besondere Herausforderungen. Etwa beim Führen virtueller Teams oder Mitarbeitern im Homeoffice.
Auch ohne Präsenzpflicht müssen Arbeitgeber der Fürsorgepflicht nachkommen. Mitarbeiter im Homeoffice müssen Arbeitszeiten einhalten und einen entsprechend eingerichteten Arbeitsplatz haben. Hier müssen Unternehmen kontrollieren und falls nötig eingreifen.
Was passiert bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht?
Handelt es sich um klare Verstöße gegen die Fürsorgepflicht, haben Arbeitnehmer grundsätzlich drei Möglichkeiten, um einen Erfüllungs- beziehungsweise Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber durchzusetzen:
-
Zurückbehaltungsrecht
Arbeitnehmer haben das Recht auf Arbeitsverweigerung, solange Gefahren für Leib und Leben drohen. Die Gefahren müssen entfernt werden, bevor die Arbeit wieder aufgenommen wird. Zudem kann der Verstoß bei der zuständigen Aufsichtsbehörde angezeigt werden.
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Schadensersatz
Werden Fürsorgepflicht oder Schutzvorschriften verletzt und kommt es deswegen zu einem Arbeitsunfall, können die Betroffenen einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen.
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Kündigung
Sind die Zustände am Arbeitsplatz unzumutbar, besteht die Möglichkeit zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer. Kündigungsfristen müssen dann nicht eingehalten werden. Jedoch kann der Mitarbeiter dazu verpflichtet sein, seinen Chef vorher auf etwaige Missstände hinzuweisen und ihm die Chance zur Beseitigung zu geben.
Haben Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht?
Die Fürsorgepflicht ist keine Einbahnstraße: Auch Arbeitnehmer haben Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Pflichten werden „Treuepflicht“ genannt.
Beispiele für die Fürsorgepflicht von Arbeitnehmern sind:
- Sorgfältiger Umgang mit Arbeitsmitteln
- Einhaltung von Sicherheitsvorschriften
- Schutz von Betriebsgeheimnissen
- Vermeidung von Handlungen, die dem Arbeitgeber wirtschaftlich oder reputativ schaden
- Rücksichtnahme auf die Gesundheit und Sicherheit von Kollegen
Auch Arbeitnehmer müssen also die Interessen des Unternehmens berücksichtigen und sich entsprechend verhalten.
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