Qualifizierungschancengesetz: Was ist das eigentlich?
Das Qualifizierungschancengesetz (auch Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung) soll Arbeitnehmern mehr Möglichkeiten bieten, um sich weiterzubilden. Die Bundesagentur für Arbeit fördert dies auf zwei Arten: Durch ein vergrößertes Weiterbildungsangebot und durch mehr finanzielle Mittel, die sie Mitarbeitern in Weiterbildung zur Verfügung stellen kann. Zusätzlich wurde der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt.
Durch die Reform wurde auch der Zugang zu Arbeitslosengeld I erleichtert.
Beschlossen wurde das Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung bereits 2018, zum 1. Januar 2019 ist es schließlich in Kraft getreten.
Chancen des Qualifizierungschancengesetzes für Arbeitnehmer
Das Gesetz wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiiert. Ziel der Neuerungen: Jeder Arbeitnehmer soll die Chance haben, sich im – und auch außerhalb – seines Berufes weiterzubilden. Notwendig machen das auch die gestiegenen Anforderungen an Arbeitnehmer im Zuge der Digitalisierung sowie der stetige Arbeitsmarktwandel. Prognosen gehen davon aus, dass zahlreiche Jobs wegfallen, während viele andere entstehen.
Was fehlt, ist die Ausbildung und Qualifizierung. Genau das soll das Qualifizierungschancengesetz ändern. Mit dem Gesetz haben nicht nur ältere Arbeitnehmer und Arbeitslose, die bisher im Rahmen des Programms WeGebAU gefördert wurden, ein Recht auf Weiterbildung, sondern auch diejenigen Arbeitnehmer, die mitten im Job stehen. Keine Rolle spielen die folgenden Faktoren:
- Alter
- Berufserfahrung
- Ursprüngliche Qualifikation
- Betriebsgröße
Die Bundesregierung reagiert auf den strukturellen Wandel, der sich bereits vollzieht und sich in den nächsten Jahren noch weiter verstärken wird und ermöglicht es Arbeitnehmern, sich für den digitalen Arbeitsmarkt zu wappnen.
Kriterien für eine Förderung der Weiterbildung
Durch das Gesetz hat die Bundesagentur für Arbeit ein erweitertes und geändertes Aufgabenspektrum. Vorher war ihre Hauptaufgabe im Bezug auf Weiterbildung, dass arbeitssuchende Personen für einen anderen Job weiterqualifiziert – also durch eine Umschulung gefördert – werden sollten. Das Qualifizierungschancengesetz setzt vorher an.
Arbeitnehmer werden bereits früh weitergebildet, damit sie auch in Zukunft weiterhin gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Es soll nicht gewartet werden, bis ein akuter Bedarf besteht oder Arbeitslosigkeit droht. Weiterbildungen sollen keine Notlösung, sondern aktive Gestaltung des Karriereweges sein. Die Aufgaben der BA sind die Beratung von Arbeitnehmer und Unternehmen über die Möglichkeiten einer Weiterbildung und die finanzielle Förderung – unter anderem durch Übernahme von Lohnkostenzuschüssen, wenn die Arbeitnehmer während der Weiterbildung bei vollen Bezügen freigestellt werden.
Um zu verhindern, dass Unternehmen das Qualifizierungschancengesetz dazu nutzen, alle Weiterbildungen durch die Bundesagentur für Arbeit bezahlen zu lassen, gibt es eindeutige Regelungen in dem Paragraphen § 82 SGB III. Dazu gehören die folgenden:
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Allgemeingültigkeit
Die Weiterbildung darf nicht nur auf den aktuellen Arbeitsplatz bezogen sein. Die Kenntnisse, die im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes vermittelt werden, sollen den Arbeitnehmer fit machen für die Aufgaben der Zukunft. Eine Weiterbildung, in der Fähig- und Fertigkeiten für die aktuelle Position vermittelt werden, würde dem zuwiderlaufen. Aus diesem Grund können derartige Angebote nicht gefördert werden.
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Zeitlicher Abstand
Eine abgeschlossene Berufsausbildung muss mindestens vier Jahre zurückliegen. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass Arbeitnehmer, die erst vor kurzem eine Berufsausbildung gemacht haben, noch auf dem aktuellen Stand sind. Eine Qualifizierung in dem Sinne, dass sie sich für neue Aufgaben rüsten müssen, kommt für Berufsanfänger nicht in Frage – damit entfällt auch die Möglichkeit einer Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz.
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Verhältnismäßigkeit
Die Abstände zwischen zwei Weiterbildungen müssen mindestens vier Jahre betragen. Hier geht es dem Gesetzgeber darum, sich vor Missbrauch einer Weiterbildung zu schützen. Es ist wenig sinnvoll, Arbeitnehmer alle zwei Jahre für den Arbeitsmarkt der Zukunft zu qualifizieren. Eine gewisse Zeit müssen die Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten der Arbeitnehmer aktuell sein.
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Externe Durchführung
Die Qualifizierung muss extern durchgeführt werden. Das ist entweder möglich, indem sich die Arbeitnehmer an einen Bildungsträger wenden und dort eine Weiterbildung absolvieren. Die Maßnahme kann aber auch im Unternehmen selbst durch einen externen Dienstleister angeboten werden.
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Förderungswürdigkeit
Die Weiterbildung muss im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes förderungswürdig sein. Um zu verhindern, dass auch unsinnige Angebote über die Bundesagentur für Arbeit finanziell gefördert werden müssen.
Wie können Arbeitnehmer eine Weiterbildung beantragen?
Da die Weiterbildung im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes von zwei Seiten gefördert wird, muss sie auch bei diesen beiden Parteien beantragt werden. Arbeitnehmer stellen einen Antrag sowohl bei der Bundesagentur für Arbeit als auch bei ihrem Arbeitgeber. Die Bundesagentur für Arbeit kann zunächst über die Weiterbildung beraten, entscheidet aber letztlich auch darüber, ob sie überhaupt gefördert werden kann.
Wichtig für Arbeitnehmer: Mit dem Qualifizierungschancengesetz haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Beratung zur Weiterbildung und Qualifizierung. Einen Rechtsanspruch darauf, dass jede mögliche Weiterbildung durch die BA gefördert wird, gibt es aber nicht.
Wem kommt das neue Gesetz zugute?
Das Qualifizierungschancengesetz bietet Möglichkeiten und Vorteile sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen. Arbeitgeber können sich die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter vom Staat fördern lassen. Das entlastet sie zum einen finanziell und zum anderen profitieren sie davon, dass sie besser ausgebildete Mitarbeiter haben. Je nach Betriebsgröße können Unternehmen bis zu 100 Prozent Zuschüsse zu den Weiterbildungskosten erhalten (siehe Grafik). Auch Lohnkosten werden erstattet, wenn Arbeitnehmer für die jeweilige Weiterbildung freigestellt werden.
So erhalten…
- Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten von der Bundesagentur Lohnfortzahlungskosten von bis zu 75 Prozent sowie 100 Prozent der Weiterbildungskosten erstattet.
- Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern werden mit bis zu 50 Prozent der Kosten bezuschusst.
- Unternehmen mit 250 bis 2.500 Angestellten bekommen bis zu 25 Prozent der Weiterbildungskosten erstattet.
- Konzerne ab einer Betriebsgröße 2.500 Mitarbeitern und mehr bekommen bis zu 15 Prozent der Kosten erstattet. Die Zuschüsse können auf bis zu 20 Prozent steigen, wenn eine entsprechende Regelung im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung besteht.
Eine Weiterbildung ist daneben eine gute Möglichkeit, den Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden. Steigt die Mitarbeiterzufriedenheit, ist die Chance höher, dass der Mitarbeiter seinem Arbeitgeber treu bleibt.
Kritikpunkte am Qualifizierungschancengesetz
Neben vielen positiven Aspekten gibt es auch einige Kritikpunkte, die nicht unbeachtet bleiben sollten:
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Förderung
Es werden nur Weiterbildungen gefördert, die außerhalb des Betriebes ablaufen und mehr als vier Wochen dauern. Unternehmen kritisieren dabei, dass der Lerneffekt gering bleibt, wenn die Weiterbildung in einem anderen statt dem betrieblichen Kontext stattfindet. Außerhalb des Betriebes kann das neu gelernte Wissen nicht sofort in die Tat umgesetzt werden. Dadurch gingen wichtige Lerneffekte verloren, die man bei einer Weiterbildung im Betrieb erzielen könnte.
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Genehmigung
Die Förderung muss letztlich von der Bundesagentur für Arbeit genehmigt werden. Einigen Verbänden geht der Rechtsanspruch auf Beratung nicht weit genug. Sie fordern, dass es generell auch einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung geben müsse, um alle Arbeitnehmer für die Anforderungen der Digitalisierung zu rüsten.
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Nullsummenspiel
Die Höhe der Einsparungen durch die Senkung der Arbeitslosenbeiträge wirkt sich nicht aus. Die Bundesregierung hat die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt – das lässt sich nicht bestreiten. Auf der anderen Seiten wurden aber die Beiträge zur Pflegeversicherung fast um den gleichen Prozentsatz angehoben. Für Arbeitnehmer macht sich daher die (ohnehin geringe) Ersparnis im Geldbeutel nicht bemerkbar.
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Selbstständigkeit
Selbstständige können von dem Qualifizierungschancengesetz nicht profitieren. Da die Weiterbildungen im Rahmen des Qualifizierungschancengesetz von der Bundesagentur für Arbeit mitfinanziert werden, haben Selbstständige keinen Anspruch auf Leistungen aus diesem Gesetz, da sie keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung abführen. Das benachteiligt diese Berufsgruppe, die sich damit selbst um ihre Weiterbildung kümmern muss.
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Unternehmensgröße
Die Kostenübernahme ist abhängig von der Betriebsgröße. Kleinere Betreibe können sich in dieser Hinsicht eher freuen als große. Denn Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben, können unter Umständen damit rechnen, dass die BA die Kosten für die Weiterbildung der Mitarbeiter komplett übernimmt. Hat das Unternehmen weniger als 250 Mitarbeiter, müssen die Kosten nur zur Hälfte selbst getragen werden. Noch größere Unternehmen bekommen lediglich einen Zuschuss in Höhe von 25 Prozent der Gesamtkosten der Qualifizierung.
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