Erwerbsunfähigkeit: Definition, Beispiele, Rente & Tipps

Verhindern gesundheitliche Gründe eine regelmäßige Arbeit, liegt möglicherweise eine Erwerbsunfähigkeit vor – und damit Anspruch auf Rente für erwerbsunfähige Personen. Wir erklären, was Erwerbsunfähigkeit ist, wo der Unterschied zur Berufsunfähigkeit ist und wann Sie Anspruch auf Rente haben…

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Definition: Was ist Erwerbsunfähigkeit?

Erwerbsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit nicht regelmäßig eine Erwerbstätigkeit ausüben kann – oder durch die eingeschränkte berufliche Tätigkeit höchstens ein Arbeitseinkommen von 400 Euro im Monat erzielt.

Unterschieden werden zwei Arten der Erwerbsunfähigkeit. Entscheidend für die Einordnung ist die maximale Dauer der täglichen Arbeitszeit, die durch die gesundheitlichen Einschränkungen möglich ist:

  1. Volle Erwerbsminderung
    Sie sind weniger als 3 Stunden pro Tag arbeitsfähig – unabhängig vom ausgeübten Beruf.
  2. Teilweise Erwerbsminderung
    Sie sind zwischen 3-6 Stunden pro Tag arbeitsfähig. Mit reduzierten Zeiten und passenden Aufgaben ist eine teilweise Erwerbstätigkeit möglich.

Sind Sie in der Lage, 6 oder mehr Stunden am Tag zu arbeiten, liegt keine Erwerbsminderung vor. Häufige Ursachen für Erwerbsunfähigkeit sind psychische und psychosomatische Erkrankungen. Dazu zählen Depressionen und andere psychische Krankheiten. Weitere Gründe sind neurologische Krankheiten (Lähmungen, Multiple Sklerose…), orthopädische Krankheiten (Bandscheibenvorfall, Arthrose…) und Krebserkrankungen.

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Unterschied zwischen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit

Nicht zu verwechseln ist die Erwerbsunfähigkeit mit der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn Sie Ihren erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf voraussichtlich länger als 6 Monate oder gar nicht mehr ausüben können.

Bei der Erwerbsunfähigkeit ist – unabhängig vom Beruf – gar keine Teilnahme am Berufsleben mehr möglich. Auch nicht durch eine Umschulung.

Beispiel: Erwerbsunfähigkeit versus Berufsunfähigkeit

Ein Fliesenleger, der durch den Beruf ein Knieproblem entwickelt, wird berufsunfähig. Er ist jedoch zu einem Bürojob oder anderen (körperlich weniger anstrengenden) Tätigkeiten in der Lage. Deshalb liegt keine Erwerbsunfähigkeit vor.

Ein Lehrer, der an einer dauerhaften schweren Depression erkrankt und deshalb seinen Beruf nicht mehr ausübt, wird erwerbsunfähig. Durch die psychische Erkrankung ist auch ein anderer Beruf auf absehbare Zeit unmöglich.

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Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen: Voraussetzungen

Um eine Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Rentenversicherung zu beantragen, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen sind im Sozialgesetzbuch geregelt:

  • Feststellung
    Die Rentenversicherung prüft, ob eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit durch medizinische Maßnahmen oder eine Reha möglich ist.
  • Wartezeit
    Sie müssen mindestens 5 Jahre in der Rentenversicherung versichert gewesen sein. Entstand die Erwerbsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall, im Wehr- oder Zivildienst, entfällt diese Wartezeit.
  • Beiträge
    In den letzten 5 Jahren vor Eintritt in die Erwerbsunfähigkeit müssen Sie mindestens 3 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Erst mit diesen 36 Monatsbeiträgen ist eine Erwerbsminderungsrente möglich.

Erwerbsunfähigkeit feststellen: Wie läuft es ab?

Die Rentenversicherung prüft in jedem Einzelfall in einem Verwaltungsverfahren, ob die Krankheit tatsächlich zu einer Erwerbsminderung führt und ob Betroffene dauerhaft nicht mehr in der Lage sind, einen Beruf auszuüben. Hierfür werden Gutachten beim Amtsarzt, beim Haus- oder Facharzt angefordert. Auf dieser Grundlage fällt die Entscheidung, ob eine vollständige, teilweise oder gar keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Sollte der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente abgelehnt werden, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen.

Erwerbsunfähigkeit und Bürgergeld

Stellt die Rentenversicherung eine teilweise Erwerbsunfähigkeit fest, bleibt der Anspruch auf Bürgergeld erhalten. Die Leistungen werden zeitlich unbefristet weitergezahlt. Anders sieht es bei voller Erwerbsminderung aus. Voraussetzung für Bürgergeld ist die Fähigkeit, mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten – bei voller Erwerbsminderung ist das nicht gegeben und der Anspruch entfällt.

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Erwerbsunfähigkeit: Wie hoch ist die Rente?

Die Höhe der Rente bei Erwerbsunfähigkeit wird aus dem persönlichen Rentenanspruch zum Zeitpunkt des Antrags ermittelt. Haben Sie bereits lange eingezahlt, fällt die Rente entsprechend höher aus. Entscheidend sind mehrere Faktoren:

  • Erworbene Rentenpunkte
  • Monatliches Einkommen während der Rentenzahlungen
  • Verbleibende Versicherungsjahre bis zur Altersrente
  • Vollständige oder teilweise Erwerbsunfähigkeit

Bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit beträgt die Rente nur die Hälfte der vollen Erwerbsunfähigkeitsrente – in beiden Fällen ist es aber eine deutliche finanzielle Einbuße. Laut Statistiken beträgt die durchschnittliche Rente aufgrund von Erwerbsunfähigkeit rund 34 Prozent des vorherigen Bruttoeinkommens. Heißt im Beispiel: Haben Sie vorher 3.500 Euro brutto verdient, erhalten Sie eine Rente von nur noch etwa 1.190 Euro.

Auswirkung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf die Altersrente

Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird nach dem Erreichen der jeweils gültigen Regelaltersgrenze automatisch durch die Altersrente ersetzt. Die Rentenversicherung stellt dabei sicher, dass die Altersrente in ihrer Höhe nicht unter der Erwerbsunfähigkeitsrente liegt.

Erwerbsunfähigkeitsrente und Zuverdienstgrenze

Wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beziehen, dürfen Sie trotzdem einer abhängigen oder selbstständigen Tätigkeit nachgehen, jedoch nur im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens. Werden diese Grenzen überschritten, ist der Anspruch auf die Rente gefährdet.

Hinzuverdienen dürfen Sie bei einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit 37.117,50 Euro pro Jahr. Die Zuverdienstgrenze bei einer voller Erwerbsminderung liegt bei 18.558,75 Euro.

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Erwerbsunfähigkeit: Tipps zur privaten Vorsorge

Selbst, wenn eine Erwerbsunfähigkeit von der Rentenversicherung anerkannt und eine Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, reicht diese zum Leben in den meisten Fallen nicht aus. Deshalb ist es sinnvoll, private Vorsorge in Form einer Versicherung zu treffen. Wichtige Tipps:

  • Einkommensbedarf ermitteln

    Bei privaten Versicherungen legen Sie über die Beitragshöhe auch die Höhe der jeweiligen Rentenzahlungen fest. Überlegen Sie sich, welches Einkommen Sie im Falle einer Erwerbsunfähigkeit benötigen, um Ihren Lebensstandard zu halten und wie Sie eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente aufstocken müssen.

  • Versicherungsschutz wählen

    Eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung leistet in der Regel erst, wenn Sie für mindestens 6 Monate keine 3 Stunden am Tag mehr arbeitsfähig sind. Hier gilt die Arbeit in irgendeinem Beruf, der nicht gleichwertig zum erlernten Beruf sein muss. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung leistet bereits, wenn Sie für mindestens 6 Monate nicht mehr über 50 Prozent in ihrem normalen Beruf arbeiten können.

  • Angebote einholen

    Vergleichen Sie unbedingt verschiedene Anbieter mit den jeweiligen Konditionen, Leistungen und Kosten. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Angebote und wählen Sie eine Versicherung, die möglichst optimal auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

  • Zusatzversicherung prüfen

    Einige Versicherer schließen Arbeitnehmer in bestimmten Risikoberufen von einer Versicherung aus. Prüfen Sie, ob Sie betroffen sind. Auch sind Gesundheitsprüfungen bei Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsversicherungen üblich. Haben Sie bereits Vorerkrankungen, müssen Sie abklären, ob eine Zusatzversicherung möglich ist.


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