Hochschulreife qualifiziert fürs Studium
Üblicherweise benötigen angehende Studierende die Hochschulreife in Form des Abiturs oder Fachabi (genau genommen: Fachhochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife). Diese Abschlüsse lassen sich an Gymnasien (gymnasiale Oberstufe an Gesamtschulen) oder an Berufskollegs erwerben und stellen die schulische Hochschulzugangsberechtigung dar. Das heißt, sie ermöglichen den Zugang zur Fachhochschule oder Universität.
Wege ins Studium: Ländersache
Studieren ohne Abitur heißt, dass Studierende nicht zwingend eine schulische Hochschulzugangsberechtigung benötigen. Stattdessen können Sie auch mit beruflicher Vorbildung ein Studium aufnehmen. Allerdings hat die Sache einen Haken: Bildungspolitik ist in Deutschland Ländersache. Alle Voraussetzungen für den Zugang zum Studium ohne Abitur lassen sich hier nicht abbilden. Das liegt daran, dass sie je nach Bundesland und sogar je nach Hochschule variieren können.
Sie finden aber im Folgenden die grundlegenden Möglichkeiten und Voraussetzungen fürs Studium ohne Abitur. Dieses ist sowohl an staatlichen Universitäten und (Fach)Hochschulen, wie auch an dualen und privaten Hochschulen möglich. Vor allem Letztere werben damit, dass sie zahlreiche Studiengänge im Programm haben, die ohne Abitur besucht werden können. Hinter diesen vollmundigen Werbeaussagen stehen jedoch häufig dieselben Regelungen und Voraussetzungen, die auch für staatliche Hochschulen im jeweiligen Bundesland gelten. Rein von der Zulassung her bieten private Träger hier also keine Vorteile.
Studieren ohne Abitur Voraussetzungen
Zwar können Sie Ihr Abitur oder die Fachhochschulreife auch auf dem zweiten Bildungsweg berufsbegleitend nachholen und sich dann ganz regulär für einen Studiengang einschreiben. Alternativ kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine abgeschlossene Ausbildung in Verbindung mit einschlägiger Berufserfahrung ausreichen. Die Voraussetzungen fürs Studium ohne Abitur im Einzelnen:
Aufstiegsfortbildung
Sie haben eine duale Ausbildung (alternativ: eine schulische Ausbildung) absolviert und sich über eine sogenannte Aufstiegsweiterbildung weiterqualifiziert: Das gilt beispielsweise für Arbeitnehmer, die anschließend ihren Meister oder Fachwirt machen. Statt einem Fachwirt oder Meister kann es auch sein, dass die Hochschule eine „meisteräquivalente Weiterbildung“ akzeptiert. Darunter fallen berufliche Fortbildungen inklusive Prüfung, bei denen der Bewerber mindestens 400 Unterrichtsstunden absolviert hat.
Eignungsprüfung
Wer keine Aufstiegsweiterbildung vorweisen kann, kann trotzdem ohne Abitur studieren. Voraussetzung ist dann, dass Sie über mehrjährige Berufserfahrung verfügen. So eine Eignungsprüfung besteht beispielsweise an der Hochschule Heidelberg aus einem Beratungsgespräch und drei Eignungstests. Hier müssen Sie eine Prüfung in Deutsch, Englisch und einer Facharbeit mit Inhalten aus dem angestrebten Studium bestehen. Bei der Hochschule Geisenheim müssen Studienwillige ein Vorpraktikum machen, das zwischen 8 und 26 Wochen dauert. Ist das angestrebte Studienfach mit der vorherigen Berufsausbildung inhaltlich verwandt, besteht die Möglichkeit, sich die Ausbildung als Praktikum anrechnen zu lassen.
Studienerfahrung
Sie können ein Studium ohne Abitur beginnen, wenn Sie beispielsweise bereits in einem anderen Bundesland mindestens ein Jahr lang an einer Hochschule studiert haben. Dieses Probestudium ist mitunter auch als Propädeutikum bekannt. Das Probestudium endet mit einer Abschlussprüfung, deren Ergebnis über die Zulassung zum Studium entscheidet. In den meisten Fällen sind sowohl das Probestudium als auch die Prüfungsergebnisse nur für die jeweilige Bildungseinrichtung relevant. Andere Hochschulen erkennen solche Tests oft nicht an und stellen eigene Anforderungen.
Berufsabschluss und Berufserfahrung reichen nicht immer
Wie lang die Berufserfahrung sein muss, ist völlig unterschiedlich geregelt: Die Hochschule Geisenheim in Hessen ermöglicht direkt den Hochschulzugang mit einem mittleren Schulabschluss und einer dreijährigen Berufsausbildung. Wer an der Uni Münster in NRW ein Studienfach studieren möchte, das nicht dem bisherigen Berufsweg entspricht, ist ein sogenannter „nicht fachtreuer Bewerber“. Als solcher benötigen Sie hier eine mindestens zweijährige Ausbildung und drei weitere Jahre Berufserfahrung.
In einem Bundesland reicht der Meisterbrief und Sie können ohne Abitur an Universitäten studieren. Andere Bundesländer beschränken wiederum den Zugang mit Meisterbrief auf Fachhochschulen. Gut für Sie: Auch Berufserfahrung in einem völlig studienfremden Bereich kann anerkannt werden. Hier handelt es sich dann jedoch um Ausnahmen und Einzelfallentscheidungen, die die jeweilige Bildungseinrichtung trifft.
Welche Fächer sind im Studium ohne Abitur möglich?
Leider sind keine pauschalen Aussagen möglich, da das Studium von den individuellen Kenntnissen des Bewerbers und seiner Uniwahl abhängt. Nach Auskunft des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) können Studieninteressierte von 20.000 Studiengängen gut 8.000 bundesweit studieren. Die gute Nachricht: An jeder deutschen Hochschule ist es mittlerweile möglich, ohne Abitur zu studieren. Das heißt allerdings nicht, dass Sie alle Fächer studieren können.
Einige Hochschulen gucken sehr genau, ob Sie „fachtreu“ studieren, also eine inhaltliche Nähe zu Ihrer bisherigen Qualifikation besteht. Oder ob Sie nicht fachtreu etwas völlig anderes anstreben. Abhängig davon fallen die erforderlichen Nachweise und Prüfungen aus. Fachtreu wäre beispielsweise, wenn eine Erzieherin im Anschluss an ihre Ausbildung sich für ein Pädagogikstudium entscheidet. Strebt sie stattdessen ein Maschinenbaustudium an, wird sie entsprechende Nachweise erbringen müssen.
Ein fachfremdes Studium (mit entsprechenden Eignungsprüfungen vorab) ist beispielsweise in diesen Bundesländern möglich:
- Berlin
- Bremen
- Hamburg
- Nordrhein-Westfalen
- Sachsen
Zugang zu zulassungsbeschränkten Fächern
Zulassungsbeschränkte Fächer unterliegen dem sogenannten Numerus clausus. Das Besondere daran ist, dass die Bewerber dafür in der Regel eine bestimmte Abiturnote benötigen. Damit regeln die Hochschulen den Zugang zu sehr beliebten Studiengängen, da sie anderenfalls deutlich mehr Bewerber als vorhandene Studienplätze hätten. Studieren ohne Abitur heißt allerdings nicht, dass zulassungsbeschränkte Fächer vom Studium ausgenommen wären: Die Bewerbung fürs Studium erfolgt häufig über die Onlineplattform Hochschulstart.de oder zum Teil auch bei der jeweiligen Hochschule.
In jedem Fall findet ein Auswahlverfahren statt, bei dem die Hochschule Studienplätze aufgrund bestimmter Quoten vergibt. Für Bewerber ohne Abitur gibt es eine sogenannte „Vorabquote“, das heißt, sie nehmen nicht am allgemeinen Auswahlverfahren teil. Stattdessen werden einige Studienplätze zusätzlich reserviert.
Medizinstudium ohne Abitur
Ein Sonderfall ist sicherlich das Medizinstudium ohne Abitur. Dieser Studiengang gilt als einer der längsten und herausfordernsten, entsprechend hoch sind die Anforderungen. Medizin gehört zusammen mit den Fächern Tiermedizin, Zahnmedizin und Pharmazie zu den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen. In diesem Fall erfolgt die Bewerbung ausschließlich über Hochschulstart. Studieninteressierte müssen in der Regel mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Mittlere Reife
- Zweijährige Berufsausbildung mit Abschlussnote 2,5
- Dreijährige Berufserfahrung
Dazu ist anzumerken, dass die Ausbildung fachnah sein muss, heißt: Sie haben zuvor einen Gesundheitsberuf erlernt, beispielsweise als Pflegefachkraft. Wer sich ohne inhaltliche Nähe bewirbt, hat in der Regel nur geringe Chancen auf eine Zulassung.
Etwas anders sieht es aus, wenn Sie außer den Mindestvoraussetzungen noch eine Meister-, Techniker- oder Fachwirtsprüfung vorweisen können. Diese ist dem Abitur gleichgestellt. Hier erlauben viele Bundesländer den Zugang zur Hochschule, nachdem die Bewerber eine kurze Vorbereitungsphase durchlaufen haben.
64.000 studieren ohne Abitur
In Deutschland studieren rund 2,9 Millionen Menschen – davon rund 64.000 ohne Abitur, wie das CHE Centrum für Hochschulentwicklung meldet. Zum Vergleich: Vor etwa 25 Jahren waren es nicht einmal 9.000 Studierende ohne Abitur. Die Hochschule, die bundesweit die meisten Studienanfänger ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung ausweist, ist die FernUniversität in Hagen. Auf Länderebene verzeichnen vor allem Hamburg und Nordrhein-Westfalen einen Anteil von mehr als fünf beziehungsweise knapp vier Prozent bei den Studienanfängern ohne Abitur. In drei der fünf ostdeutschen Bundesländer ist der Anteil dagegen rückläufig.
- Bei der Fächerwahl entschied sich mehr als die Hälfte der Erstsemester ohne Abi für einen Studienplatz im Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (54 Prozent).
- Dahinter kamen die Ingenieurwissenschaften (20 Prozent),
- gefolgt von Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften (13 Prozent).
6 Tipps fürs Studium ohne Abitur
Unabhängig von den konkreten Zulassungsvoraussetzungen und Ihrem Wunschstudiengang können Ihnen einige Praxistipps den Weg zum Studium ohne Abitur erleichtern. Einer der wichtigsten: Prüfen Sie, ob für Sie ein duales Studium in Frage kommt. Diese Studiengänge finden immer in Kooperation mit einem Unternehmen – dem Praxisträger – statt. Entsprechend hängt auch die Zulassung zum Studium weitgehend vom Unternehmen ab. Haben Sie den Ausbildungsvertrag mit dem Unternehmen in der Tasche, ist die Zulassung an der dualen Hochschule nur noch eine Formalität.
Als Arbeitnehmer mit Berufserfahrung haben Sie bei einem dualen Studium hervorragende Chancen, da Sie primär das Unternehmen von sich überzeugen müssen. Ein weiterer Vorteil: Mit einem dualen Studium müssen Sie sich nicht völlig aus der Arbeitswelt verabschieden oder ein berufsbegleitendes Studium absolvieren. Alternativ dazu sollten Sie bei Ihrer Studienwahl und Vorbereitung einige Aspekte beachten:
- Prüfen Sie, ob Ihr Wunschstudium auch als Fernstudium oder berufsbegleitend angeboten wird.
- Stimmen Sie Ihre Pläne mit Ihrem Arbeitgeber ab und stellen Sie sicher, dass Ihnen von Seiten des Unternehmens keine Steine in den Weg gelegt werden.
- Fragen Sie unbedingt mehrere Bildungseinrichtungen und -träger an, die Ihren Wunschstudiengang im Angebot haben.
- Vergleichen Sie die Zulassungsvoraussetzungen in verschiedenen Bundesländern.
- Achten Sie auch auf den Ruf einer Bildungseinrichtung. Das kann insbesondere dann wichtig sein, wenn Sie später mal den Job wechseln wollen.
- Nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit den Beratungsstellen der relevanten Bildungseinrichtungen auf. So behalten Sie einen Überblick über die bürokratischen Prozesse.
Studieren zahlt sich aus
Studieren ohne Abitur, insbesondere die Zulassung zum Studium, verlangt mehr Recherche und Eigeninitiative. Auf lange Sicht lohnt sich der Aufwand aber. Bildung lohnt sich. Der in Studien nachgewiesene, sogenannte Mincer-Koeffizient zeigt: Wer etwa eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, verdient im Schnitt und über sein Erwerbsleben hinweg knapp 250.000 Euro mehr als jemand ohne Berufsausbildung und Abitur.
Letzteres in Kombination mit einem Fachhochschul- oder Universitäts-Studium zahlt sich sogar noch mehr aus: Die Bildungsprämien vom Staat liegen beim Abitur durchschnittlich bei rund 500.000 Euro, für einen FH-Abschluss bei 900.000 Euro und für ein Uni-Abschluss gar bei 1.250.000 Euro. Das ist doch was!
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