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Wartemusik: Wie das Gedudel in der Warteschleife wirkt

Ganze 1,2 Jahre des Lebens verbringen wir in telefonischen Warteschleifen. Was bedeutet, dass Sie und ich statistisch über 420 Tage unserer Lebenszeit damit vergeuden, irgendwelchem Gedudel zu lauschen, dass obendrein so komponiert wurde, dass wir möglichst lange in der Leitung ausharren, ohne dabei in Rage zu geraten…



Wartemusik: Wie das Gedudel in der Warteschleife wirkt

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Wartemusik hat eine Funktion

Obwohl diese Standleitungskonzerte ohne Zweifel einer Nahtoderfahrung gleichkommen, muss man sich fragen, wieso sie sich trotzdem so hartnäckig halten. Und überhaupt: Wer kam eigentlich auf die Idee, Gesprächspausen mit harmonischem Klimbim zu berieseln? Was ist besser: Stille, Gelaber oder Musik? Und ist es wirklich sinnvoll, derlei Hintergrundgedudel alle 30 Sekunden für den Hinweis zu unterbrechen, dass man sich bitte noch gedulden möge, weil der Anruf natürlich sofort zum nächsten freien Mitarbeiter durchgestellt wird?

Bevor wir uns diesen Fragen widmen, sei kurz erwähnt, dass – falls Sie in Kaufhäusern, Fahrstühlen oder Warteschleifen festhängen und Musik vernehmen – dieses Gedudel insbesondere auf das Unternehmen Muzak zurückgeht. Die 1934 gegründete US-Firma war einer der ersten Aufbereiter und Vertreiber funktioneller Musik.

Die Psychologie der Wartemusik

Das Ganze hat einen wissenschaftlichen Hintergrund: So ist etwa der Marketing-Professor James Kellaris von der Universität von Cincinnati überzeugt, dass Musik das Konsumentenverhalten beeinflussen kann und dass die Wartezeit besonders kurz wirkt, wenn Frauen dabei „Alternative Rock“ hören, während Männer eher zur klassischer Musik entspannen.

„Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld!“ – Anat Rafaeli, Professor am Israel Institute of Technology in Haifa haben Wartemusik sogar genauer untersucht und sich gefragt, was Menschen am Hörer in der Warteschleife ruhig hält. Dazu verglichen Sie die Wirkung von Melodien, Ansagen, Standardentschuldungen vom Band sowie die Reaktionen der Anrufer darauf.

Die Position in der Warteschleife lässt am längsten ausharren

Ihre Versuche zeigen, wie grausam Wissenschaft sein kann: Ein Drittel der Probanden musste sich 108 Sekunden lang die „Ballade pour Adeline“ von Richard Clayderman anhören, während die zweite Gruppe „nur irgendein Klavierstück vorgeklimpert bekam, allerdings dreimal unterbrochen durch die Entschuldigung: „Wir bedauern, dass Sie warten müssen. Bitte bleiben Sie dran, Ihr Anruf wird gleich entgegengenommen.“

Auch die dritte Gruppe wurde mit Musik und Ansagen beschallt, erfuhr aber zumindest welchen Platz der jeweilige Anrufer in der Warteschleife einnahm, Motto: „Es sind noch drei Anrufer vor Ihnen…“ Ergebnis:

  • Anrufer, denen gesagt wurde, an welcher Warteposition sie stehen, blieben am längsten in der Leitung und bei Laune – jedenfalls mehr als jene, denen Musik vorgespielt wurde.
  • Beteuerungen und Entschuldigungen dagegen hatten einen negativen Effekt: Nicht nur, weil sie die Musik für sinnfreie Informationen unterbrachen – sie verhinderten auch, dass die Anrufer mit der Musik mitschwelgen konnten und umso deutlicher spürten, dass sie gerade Zeit verplemperten.

In einem zweiten Experiment untersuchte Rafaeli, ob es einen Unterschied macht, wenn Anrufer hören, wie viele Minuten sie noch warten müssen oder welchen Platz sie in der Warteschlange haben. Antwort: keinen. Solange die Anrufer das Gefühl hatten, es geht voran und sie behalten irgendwie die Kontrolle, blieben sie am Apparat.

Warum wir Ihnen das erzählen? Sie können jetzt die 1 oder die 2 auf Ihrem Smartphone klicken – oder unsere Telefonnumer anrufen. Wenn Sie Pech haben, hören Sie als Wartemusik die „Ballade pour Adeline“. Getanzt. Vielleicht landen Sie aber auch in einer seeeeehr langen Warteschleife…


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