Arbeitszeugnis anfechten: Widerspruch in 5 Schritten

Sie bekommen eine Leistungsbeurteilung und fühlen sich unfair bewertet, oder es wurden Fehler gemacht? Dann können Sie das Arbeitszeugnis anfechten. Wir zeigen, aus welchen Gründen ein solcher Widerspruch möglich ist und wie Sie Ihr Arbeitszeugnis anfechten…

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Anspruch auf Arbeitszeugnis: Was steht mir zu?

Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis, sobald ein Arbeitsverhältnis endet. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen das Zeugnis ausstellen – und zwar unabhängig vom Grund der Beendigung: bei Kündigung vom Unternehmen, Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag oder Ende einer Befristung.

Dabei gibt es zwei Arten:

  1. Einfaches Arbeitszeugnis

    Ein einfaches Arbeitszeugnis umfasst nur Informationen zur Art der Beschäftigung und Dauer des Arbeitsverhältnisses.

  2. Qualifiziertes Arbeitszeugnis

    Das qualifizierte Arbeitszeugnis enthält zusätzlich detaillierte Bewertungen der Leistungen und des Sozialverhaltens.

Auf Ihren Wunsch muss der Arbeitgeber ein qualifiziertes Zeugnis ausstellen. Dies ist besonders wichtig für die weiteren Bewerbungen – wenn es entsprechend positiv ist.

Arbeitszeugnis muss wahr und wohlwollend sein

Sie haben als Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch auf ein „gutes“ Arbeitszeugnis, das Zeugnis muss aber formal korrekt sowie wahr und wohlwollend formuliert sein. Arbeitgeber dürfen keine falschen und unsachlichen Behauptungen aufstellen oder offen negative Anmerkungen zu Ihrer Arbeit machen.

Das soll verhindern, dass ein Arbeitszeugnis die weitere Karriere erschwert. Unternehmen nutzen deshalb typische Arbeitszeugnis Formulierungen und spezielle Zeugnissprache, um versteckte Kritik auszudrücken.

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Gründe: Wann kann ich ein Arbeitszeugnis anfechten?

Sie können ein Arbeitszeugnis anfechten, wenn es inhaltlich falsch, unvollständig oder offensichtlich negativ codiert (siehe: schlechtes Arbeitszeugnis). ist. Die häufigsten Gründe:

  • Falsche Tatsachen

    Egal, welche Aspekte nicht richtig angegeben sind: Bei falschen Tatsachen oder unsachlichen Behauptungen können Sie das Arbeitszeugnis anfechten. Das gilt etwa bei einem falschen Aufgabenbereich, fehlerhafter Nennung Ihrer Position oder inkorrekten Angaben zum Beschäftigungsverhältnis.

  • Formale Fehler

    Sie haben Anspruch auf ein formal korrektes Zeugnis. Fehlt zum Beispiel das Datum, die Unterschrift des Arbeitgebers oder die äußere Form des Dokuments ist unpassend (Flecken, Rechtschreibfehler…) können Sie es anfechten.

  • Fehlende Leistungen

    Wichtige Tätigkeiten, Leistungen und Erfolge dürfen im Arbeitszeugnis nicht einfach verschwiegen werden. Haben Sie in einem Bereich besonders gute Ergebnisse erzielt, gehört dies in Ihre Leistungsbewertung.

  • Negative Formulierungen

    Offene Negativformulierungen können Sie in jedem Fall anfechten. Diese widersprechen dem Grundsatz des wohlwollenden Arbeitszeugnisses. Auch subtilere Formulierungen und doppeldeutige Aussagen, die negativ ausgelegt werden können, sind möglicherweise anfechtbar.

  • Schlechte Bewertung

    Laut Bundesarbeitsgericht haben Sie als Arbeitnehmer zunächst nur Anspruch auf ein durchschnittliches Zeugnis (Note 3). Wollen Sie eine bessere Note als „befriedigend“, liegt die Beweislast bei Ihnen. Sie können das Arbeitszeugnis anfechten und mit entsprechenden Leistungen Ihren Anspruch belegen. Für eine schlechtere Bewertung muss hingegen der Arbeitgeber die Minderleistung nachweisen.

Arbeitszeugnis anfechten: Schlechte Formulierungen erkennen

Das Arbeitszeugnis klingt gut, ist aber nicht immer so gemeint. Für Laien sind die Codes und Formulierungen schwer zu verstehen. Lassen Sie das Zeugnis deshalb von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen – so wissen Sie, ob Botschaften gegen den Zeugnisbrauch verstoßen und anfechtbar sind.

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Formal korrekter Aufbau im Arbeitszeugnis

Häufiger Grund für die Anfechtung eines Arbeitszeugnis sind formale Fehler. Fehlen wichtige Inhalte oder lässt der Arbeitgeber grundsätzliche Punkte aus, dürfen Sie Nachbesserung verlangen. Zur Übersicht hier der formal korrekte Aufbau für das Schreiben:

  1. Briefkopf (Arbeitgeberdaten)
  2. Überschrift („Arbeitszeugnis“)
  3. Stammdaten Arbeitnehmer (Name, Geburtsdatum)
  4. Beschäftigungsart + Dauer
  5. Tätigkeitsbeschreibung
  6. Leistungsbeurteilung (Arbeitsbereitschaft, Arbeitsweise, Aufgaben, Erfolge)
  7. Sozialverhalten (gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden, Führungskompetenz)
  8. Trennungsgrund
  9. Schlussformel & Zukunftswünsche
  10. Ort, Datum, Unterschrift

Die häufigsten Streitpunkte mit dem Arbeitgeber drehen sich um die Punkte 6 und 7 (Leistungsbeurteilung und Sozialverhalten) sowie die Schlussformel. Denn letztere ist freiwillig und genießt daher einen hohen Stellenwert bei Personalern in der Bewerbung.

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Arbeitszeugnis anfechten: Chancen für den Widerspruch

Wenn Sie Ihr Arbeitszeugnis anfechten wollen, stellt sich immer die Frage: Wie hoch sind die Chancen auf Ihren Erfolg? Allgemeine Aussagen sind schwierig, entscheidend sind individuelle Kriterien und die konkrete Situation. Als Faustregel gilt: Ihre Chancen hängen davon ab, wie groß und nachweisbar der Fehler ist – und wie das Verhältnis zum ehemaligen Arbeitgeber ist.

Bei offensichtlichen formalen Fehlern stehen die Chancen für eine Korrektur bei 100 Prozent. Hier muss das Unternehmen nachbessern und tut dies meist in kürzester Zeit. Schwieriger ist es bei anderen Anfechtungsgründen:

  • Versteckte negative Formulierungen
    Gute Chancen, wenn Sie die negative Bedeutung erkennbar ist.
  • Bessere Note
    Chancen sind abhängig von Ihren Beweisen und Leistungsnachweisen.
  • Absichtlicher Schaden
    Hohe Chancen, weil die Wohlwollenspflicht verletzt wird.
  • Subjektive Unzufriedenheit
    Geringe Chancen, wenn Sie einfach nur „eine bessere Formulierung“ wollen.
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Arbeitszeugnis anfechten: Schritt für Schritt

Wenn Sie Ihr Arbeitszeugnis anfechten, haben Sie verschiedene Möglichkeiten. Sie können fordern, dass inhaltliche Fehler korrigiert, unzulässige Formulierungen gestrichen oder Bewertungen von Leistungen oder Sozialverhalten angepasst werden.

Wollen Sie Ihr Arbeitszeugnis anfechten, sollten Sie dabei sachlich und geplant vorgehen. Typisch sind fünf Phasen:

  1. Arbeitszeugnis prüfen

    Im ersten Schritt müssen Sie Ihr Arbeitszeugnis sorgfältig prüfen: Ist das Schreiben formal korrekt aufgebaut? Stimmen die Inhalte? Werden Ihre Tätigkeiten und Aufgaben korrekt genannt? Stimmt die Bewertung von Leistung und Sozialverhalten? Achten Sie auch auf typische Formulierungen im Zeugnis – bei Unsicherheiten können Sie das Zeugnis von einem Anwalt oder kostenlos von Berufsverbänden oder Gewerkschaften prüfen lassen.

  2. Fehler markieren

    Markieren Sie im Arbeitszeugnis problematische Stellen und notieren Sie, warum genau diese falsch sind. Gerade bei inhaltlichen Differenzen gilt: Sammeln Sie belege und Argumente, die Ihre Sichtweise verdeutlichen. Wollen Sie eine Bewertung im Arbeitszeugnis anfechten, sollten Sie durch Ergebnisse, Feedbacks, Zielvereinbarungen oder Projektberichte beweisen, wieso Sie eine bessere Note bekommen sollten.

  3. Gespräch suchen

    Sprechen Sie Ihren Arbeitgeber, den Chef oder die Personalabteilung auf das Thema an. Bleiben Sie dabei unbedingt höflich, sachlich und lösungsorientiert. Machen Sie nicht gleich Vorwürfe, sondern bitten Sie freundlich um eine Korrektur. Sie können auch konkrete Vorschläge machen und neue Formulierungen zur Nachbesserung anbieten.

  4. Widerspruch erklären

    Folgt keine Korrektur und Sie können sich mit dem Arbeitgeber nicht einigen, formulieren Sie einen schriftlichen Widerspruch und fechten das Arbeitszeugnis damit offiziell an. Führen Sie exakt die Passagen auf, die Sie im Arbeitszeugnis anfechten wollen und schlagen Sie erneut Alternativformulierungen vor. Der schriftliche Widerspruch sollte zugleich eine Korrekturfrist von 2 Wochen setzen. Verstreicht die Frist, gehen Sie zum nächsten Schritt über.

  5. Anwalt einschalten

    Als letzte Option können Sie mit einem Anwalt das Arbeitszeugnis anfechten. Sie reichen Zeugnisklage ein und das Arbeitsgericht entscheidet, ob Sie Anspruch auf die Anpassungen haben. Vor der Gerichtsverhandlung steht ein Gütetermin. Hier soll eine Lösung durch einen Vergleich erreicht werden. Viele Verfahren enden bereits hier, weil beide Seiten lange und teure gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden wollen.

Muster: Beispiel für einen schriftlichen Widerspruch

Bitte um Überprüfung und Korrektur meines Arbeitszeugnisses

Sehr geehrter Herr Muster,

vielen Dank für mein Arbeitszeugnis vom TT.MM.JJJJ. Nach Durchsicht sind mir einige Punkte aufgefallen, die nicht korrekt wiedergegeben sind.

Ich möchte Sie daher bitten, folgende Formulierungen zu überprüfen und zu korrigieren:

  • „Er erfüllte die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit.“
  • Vorschlag: „Er erfüllte die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“
  • „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten war einwandfrei.“
  • Vorschlag: „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets vorbildlich.“

Bitte lassen Sie mir eine überarbeitete Version des Zeugnisses bis zum TT.MM.JJJJ zukommen.

Mit freundlichen Grüßen
Max Muster

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Wie lange kann man ein Arbeitszeugnis anfechten?

Der grundsätzliche Anspruch auf ein Arbeitszeugnis verjährt erst nach 3 Jahren. Innerhalb dieser Zeit besteht eine Arbeitszeugnis Pflicht für den Ex-Arbeitgeber. Er muss Ihnen das Zeugnis formal korrekt ausstellen.

Für das erste Anfechten des Arbeitszeugnisses gilt eine Frist von 3 Wochen nach Erhalt des Zeugnisses. In dieser Zeit müssen Sie entweder schriftlich Widerspruch einlegen oder schon eine Zeugnisberichtigungsklage einreichen. Nach insgesamt 6 Monaten nach Beschäftigungsende gehen Gerichte regelmäßig davon aus, dass Arbeitgeber die Leistungen nicht mehr angemessen bewerten können.

Böswilligkeit oder Versehen?

Generell ist das Arbeitszeugnis eine subjektive Bewertung durch den Vorgesetzten und Arbeitgeber. Selbstbild und Fremdbild können dabei unterschiedlich ausfallen. Nicht immer basiert die Beurteilung auf Böswilligkeit oder Mobbing zum Abschied. Wenn Sie Ihr Arbeitszeugnis lesen und sich ungerecht beurteilt fühlen, sollten Sie immer das 4-Augen-Gespräch mit dem Chef suchen. Vieles lässt sich dabei klären.

Wer ein noch nicht allzu altes Zwischenzeugnis besitzt, ist noch besser dran. Das besitzt Bindungswirkung. Bedeutet: Der Chef kann in seiner abschließenden Bewertung im qualifizierten Arbeitszeugnis nicht groß vom Zwischenzeugnis abweichen. Dafür benötigt er triftige Gründe und muss diese auch beweisen. Andernfalls können Sie wieder das Arbeitszeugnis anfechten.


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