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Tendenzbetrieb: Definition, Beispiele und Regelungen

Die meisten Unternehmen dienen dem klaren Zweck, Gewinne zu erwirtschaften. Oder ganz einfach ausgedrückt: Es soll Geld verdient werden. Ein Tendenzbetrieb unterscheidet sich von diesem klassischen ökonomischen Ziel. Bei solchen Tendenzbetrieben liegt der Fokus nicht auf dem Gewinn, sondern auf politischen, ideellen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Vorstellungen und Bestimmungen, denen durch die Unternehmenstätigkeit gedient werden soll. Eine wichtige Unterscheidung, da für Tendenzbetriebe Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung finden…



Tendenzbetrieb: Definition, Beispiele und Regelungen

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Definition: Was ist ein Tendenzbetrieb?

Als Tendenzbetrieb werden Betriebe oder selbstständige Betriebsteile bezeichnet, die unmittelbar oder überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken dienen. Auch Betriebe mit dem Zweck zur Berichtserstattung oder Meinungsäußerung im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit (Grundgesetz Artikel 5) zählen zu den Tendenzbetrieben.

Damit unterscheiden sich Tendenzbetriebe deutlich von anderen Unternehmen, die in erster Linie wirtschaftliche Interesse verfolgen und möglichst große Gewinne erzielen wollen. Die gesetzlichen Regelungen inklusive der Definition finden sich in § 118 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Klar geregelt wird darin auch, dass die Vorschriften des BetrVG auf eben diese Betriebe nicht angewendet werden, soweit die Eigenart des Betriebs dem entgegensteht.

Ein Tendenzbetrieb kann trotzdem Gewinne erzielen – die Gewinnerzielung darf aber nicht der Hauptzweck sein. Solange klar erkennbar und feststellbar ist, dass die Orientierung den Vorgaben eines Tendenzbetriebes entspricht, ist es für die Beurteilung unerheblich, wie Gewinne und Umsätze aussehen.

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Beispiele: Welche Betriebe fallen unter den Tendenzschutz?

Als häufiges Beispiel für einen Tendenzbetrieb dienen die Geschäftsstellen von politischen Parteien und Parteizentralen. Ziel und Zweck dieser Betriebe ist die politische Arbeit, Gewinn von Wählerstimmen oder auch allgemein die Ausübung von politischem Einfluss in Form von Information und Werbung. Ein Gewinndenken ist nicht vorhanden, weshalb es sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz um einen klassischen Tendenzbetrieb handelt. Gleiches gilt beispielsweise für Betriebe von Gewerkschaften oder Verbänden, die keine Gewinnabsicht verfolgen, sondern die jeweiligen Interessen stärken und fördern wollen.

Neben politischen und arbeitspolitischen Zweigstellen gibt es zahlreiche weitere Beispiele für Tendenzbetriebe. Presseunternehmen sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten fallen in die Regelungen der Tendenzbetriebe, weil diese der Berichterstattung und Meinungsäußerung dienen und gleichzeitig der Pressefreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes unterliegen. Selbst Zeitungen, die gleichzeitig auf Gewinnerzielung abzielen, gehören somit zu den Tendenzbetrieben.

Weitere Beispiele sind:

  • Gemeinnützige Vereine
  • Privatschulen
  • Forschungsinstitute
  • Christliche Frauen- oder Männervereine
  • Wissenschaftliche Bibliotheken
  • Einrichtungen der Caritas, des roten Kreuzes, der Malteser oder anderer karitativer Einrichtungen
  • Theater
  • Orchester
  • Nachrichtenagenturen

Besteht ein Unternehmen aus mehreren Betrieben oder für sich selbstständigen Betriebsteilen, muss nicht für alle gleichzeitig die Tendenzregelung gelten. Einzelne Teile können darunter fallen, während andere nicht als Tendenzbetrieb eingestuft werden.

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Diese Regelungen gelten für Tendenzbetriebe

Nach der Feststellung und Einordnung eines Tendenzbetriebs, gibt es keine weiteren und besonderen Vorschriften, die zusätzlich zu beachten sind. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt stattdessen das genaue Gegenteil vor – für einen Tendenzbetrieb gelten die Regelungen und Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz explizit gar nicht oder nur eingeschränkt. Damit verbunden sind zum Teil große Änderungen und Abweichungen von anderen Betrieben – vor allem, wenn es um die Aufgaben des Betriebsrates geht. Die Mitspracherechte des Betriebsrates können deshalb in einem Tendenzbetrieb eingeschränkt sein.

Ein Beispiel: Ein Angestellter bei einer politischen Zeitung – die als Tendenzbetrieb einzuordnen ist – stellt sich plötzlich öffentlich gegen die politische Orientierung des Betriebs und richtet sich damit gegen die geistig-ideele Bestimmung und Tendenz des Betriebes. In einem solchen Fall ist eine Kündigung möglich, ohne dass der Betriebsrat dieser Maßnahme zustimmen muss.

Auch die Auswahlkriterien von neuen Mitarbeitern oder die Erstellung von Personalfragebögen kann der Betriebsrat nicht beeinflussen, solange es sich dabei um Punkte und Kriterien handelt, die tendenzbezogen sind – also im obigen Beispiel direkt mit der politischen Ausrichtung der Zeitung zu tun haben. So darf eine politische Zeitung im Personalfragebogen nach der politischen Einstellung fragen und das Beteiligungsrecht des Betriebsrates entfällt.

Keine Vorgaben zu wirtschaftlichen Interessen

Aus der nicht wirtschaftlichen Orientierung ergibt sich zudem die Ausnahme, dass Regelungen und Vorschriften zu wirtschaftlichen Angelegenheiten unwirksam sind. Normalerweise müssen Betriebe ab einer Größe von regelmäßig mehr als einhundert Arbeitnehmern einen Wirtschaftsausschuss bilden, der das Unternehmen sowie den Betriebsrat informiert und bei Fragen, die die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens betreffen, beratend tätig wird. Da wirtschaftliche Interessen nicht das Hauptziel sind, sondern (wenn überhaupt) eine untergeordnete Rolle spielen, entfallen diese Vorschriften. Aus diesem Grund müssen auch die Mitarbeiter im Tendenzbetrieb nicht über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung informiert werden.

Eine allgemeine Faustregel: Die Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz gelten für Tendenzbetriebe immer dann NICHT, wenn es tatsächlich um Fragen und Angelegenheiten der Tendenz geht – etwa um die politische Ausrichtung, die Konfession oder den erzieherischen Aspekt.

In allen anderen Bereichen hat der Betriebsrat weiterhin ein Anhörungs-, Mitsprache- und Widerspruchsrecht. Dies kann auch für Personalangelegenheiten gelten, wenn diese tendenzneutral sind und keinen Bezug zur Tendenz des Betriebes haben. Soll etwa eine Kündigung ausgesprochen werden, die nichts mit der Tendenz zu tun hat, muss der Betriebsrat nicht nur informiert werden, sondern hat möglicherweise auch das Recht, dieser personellen Maßnahme zu widersprechen oder eine andere Lösung zu verlangen.

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Warum gelten Ausnahmen für einen Tendenzbetrieb?

Durch die Einschränkungen des Betriebsverfassungsgesetzes soll gewährleistet werden, dass ein Tendenzbetrieb seinen Hauptzweck verfolgen kann. Da es sich dabei oftmals um wichtige Grundrechte handelt, wie die Pressefreiheit oder auch die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, ermöglichen die Ausnahmeregelungen von Tendenzbetrieben, dass diese nicht durch Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz beeinträchtigt werden.

Dies ist auch der Grund, warum die Unterscheidung zwischen tendenzbezogenen und tendenzneutralen Angelegenheiten von großer Bedeutung ist. Die Regelungen des Gesetzes gelten grundsätzlich auch für einen Tendenzbetrieb, können aber als Ausnahme nicht angewendet werden.

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[Bildnachweis: CandyDuck by Shutterstock.com]