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Interessenausgleich: Definition, Inhalt, Folgen & Namensliste

Der Interessenausgleich ist ein Instrument des Betriebsrats. Bei einer anstehenden Betriebsänderung kann er so Einfluss nehmen, die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und in den Vordergrund rücken. Für Mitarbeiter ist er eine wichtige Vereinbarung – jedoch sind nur wenige darüber informiert. Hier erfahren Sie, was genau ein Interessenausgleich ist, welcher Inhalt geregelt wird und was Sie zu Entstehung und den Folgen eines Interessenausgleichs wissen sollten…



Interessenausgleich: Definition, Inhalt, Folgen & Namensliste

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Definition: Was ist ein Interessenausgleich?

Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine vom Unternehmen geplante Betriebsänderung. Gesetzlich ist sie in § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelt. Zu einer geplanten Betriebsänderung werden dabei drei zentrale Fragen beantwortet:

  1. Soll eine geplante Betriebsänderung wirklich durchgeführt werden?
  2. Wie umfangreich sollte die Betriebsänderung sein?
  3. Wann sollte diese stattfinden?

Gemäß § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes muss ein Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat bei geplanten Änderungen informieren, wenn diese wesentliche Nachteile für die Belegschaft haben können.

Der Interessenausgleich ist somit ein Instrument des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates. Da dieser rechtzeitig – also noch bevor die Planung abgeschlossen und lange vor einer möglichen Umsetzung – informiert werden muss, kann im Sinne der Belegschaft Einfluss auf die Entscheidung und eine mögliche Umsetzung genommen werden.

Ziele eines Interessenausgleichs

Durch einen Interessenausgleich soll die Seite der Arbeitnehmer stärker in anstehende Änderungen eingebracht und berücksichtigt werden. Ohne einen solchen Ausgleich entscheiden Arbeitgeber ausschließlich im eigenen Interesse und müssen keinerlei Rücksicht auf die Auswirkungen auf das Personal nehmen. Für den Betriebsrat ist es somit das Ziel, im Interesse der Mitarbeiter die Änderungen zu verhindern oder deren Auswirkungen zu mildern.

Was sind geplante Betriebsänderungen?

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt nicht nur die Pflicht zur Information des Betriebsrates. Es liefert auch gleich eine Aufzählung, was genau eine mögliche Betriebsänderung umfassen kann – und damit auch, wann ein Interessenausgleich anzustreben ist.

Eine entsprechende Liste von Betriebsänderungen findet sich in § 111 BetrVG. Demnach gelten folgende Szenarien als Änderung:

  • Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen
  • Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen
  • Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben
  • Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen
  • Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren


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Wie entsteht der Interessenausgleich?

Zu Beginn des Interessenausgleichs muss der Arbeitgeber den Betriebsrat genau über die geplante Betriebsänderung informieren. Dazu zählen Gründe, die konkret geplanten Maßnahmen, aber vor allem alle Faktoren, die negative Auswirkungen für die Belegschaft haben können. Durch die Informationspflicht kann der Betriebsrat frühzeitig Einfluss nehmen und als Sprachrohr der Belegschaft auftreten.

Aber wie genau kommt es letztlich zu einem Interessenausgleich? Zunächst kommt es zu Verhandlungen und Beratungen. Der Betriebsrat bringt Argumente vor, um den Arbeitgeber zu überzeugen, die geplanten Änderungen zu unterlassen oder zumindest für Arbeitnehmer so verträglich wie möglich zu gestalten. Gerade bei Kündigungen soll die Zahl der Entlassungen gering gehalten werden. In Gesprächen wird versucht, einen Kompromiss zu finden, den beide Seiten akzeptieren.

Gelingt dies, müssen die Ergebnisse schriftlich festgehalten und von beiden Seiten unterschrieben werden. Erst diese schriftliche Vereinbarung ist ein letztlich gültiger und wirksamer Interessenausgleich. Liegt dieser vor, können die Änderungen unter Einhaltung der Abmachungen durchgeführt werden.

Was passiert, wenn es keine Einigung gibt?

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Standpunkte und Interessen ist es nicht immer möglich, eine Einigung zu erzielen. In den Verhandlungen kommt somit kein Interessenausgleich zustande. Kommen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zu einem Ergebnis, können Sie sich an die Einigungsstelle wenden. Diese übernimmt die Rolle eines Vermittlers und versucht, die Differenzen beizulegen. Sollte auch dies nicht zu einer Einigung führen, gilt der Interessenausgleich als gescheitert und wird abgebrochen.

Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf einen Interessenausgleich. Dieser kann vom Betriebsrat nicht erzwungen oder eingeklagt werden. Auch die Einigungsstelle ist – anders als bei einem Sozialplan – nicht befugt, eine Entscheidung zu treffen. Letztlich liegt es somit in der Entscheidung des Unternehmens, ob er einen Interessenausgleich vereinbart.

Dies begrenzt die Einflussnahme deutlich. Denn es führt oft dazu, dass dem Arbeitgeber Zugeständnisse gemacht werden, um zu verhindern, dass gar kein Ausgleich zustande kommt. Das ist für Mitarbeiter immer noch besser, verhindert aber eine noch stärkere Durchsetzung der Interessen.

Namensliste im Interessenausgleich

Sind im Rahmen einer Betriebsänderung Entlassungen von Mitarbeitern unausweichlich, kann mit dem Interessenausgleich eine Namensliste der Arbeitnehmer erstellt werden, die nach der Sozialauswahl gekündigt werden sollen. Statt mithilfe eines Punkteschemas in einem Sozialplan, das oft zum Einsatz kommt, wird das Ergebnis somit direkt bestimmt. Bei der Auswahl müssen aber ebenso soziale Kriterien berücksichtigt werden.

Für Arbeitgeber erleichtert dies eine betriebsbedingte Kündigung. Liegt eine Namensliste vor, wird davon ausgegangen, dass ein entsprechender Kündigungsgrund vorliegt. Bei einer Klage kann vor dem Arbeitsgericht nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Die Chancen für Arbeitnehmer, die auf der Namensliste stehen, sind somit sehr gering. Heißt andersherum für den Betriebsrat: Es sollte sehr genau geprüft und überlegt werden, welche Namen auf die Liste gesetzt werden. Mit der Benennung ist die Entlassung nahezu unausweichlich.


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Interessenausgleich gescheitert: Welche Folgen?

Eine nachvollziehbare Frage an dieser Stelle: Wenn der Arbeitgeber nicht zu einem Interessenausgleich verpflichtet ist, welche Chance hat der Betriebsrat dann überhaupt? Schließlich könnte das Unternehmen seiner Informationspflicht nachkommen, eine geplante Betriebsänderung kommunizieren und anschließend jede Einigung verweigern. Motto: Pflicht erfüllt, jetzt machen wir trotzdem alles genau so, wie wir es von Anfang an geplant haben.

Damit genau das nicht passiert, wird in § 113 Absatz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes der sogenannte Nachteilsausgleich geregelt. Dieser erlaubt es Mitarbeitern, die aufgrund der Betriebsänderungen ihren Arbeitsplatz verlieren oder anders benachteiligt werden, Klage beim Arbeitsgericht einzureichen und eine Abfindung zu erhalten oder für die entstandenen Nachteile entschädigt zu werden.

Ausgleich auch im Interesse des Arbeitgebers

Diese Ansprüche entstehen nicht nur, wenn von einem bestehenden Interessenausgleich ohne zwingenden Grund abgewichen wird, sondern eben auch, wenn kein entsprechender Versuch zur Einigung unternommen wurde. Arbeitgeber können Verhandlungen also nicht einfach abbrechen oder von Anfang an verneinen. Die damit verbundenen Kosten sind so groß, dass auch der Arbeitgeber an einer gemeinsamen Lösung interessiert ist.

Trotzdem ist auch das keine Garantie, dass tatsächlich ein Interessenausgleich zustande kommt. Arbeitgeber müssen diesem nicht zustimmen oder in jedem Fall abschließen. Im Gesetz heißt es „…ohne über geplante Betriebsänderungen einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben…“

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[Bildnachweis: Modvector by Shutterstock.com]

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