Kann ich mich gegen eine Kündigung wehren?
Das deutsche Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eines der stärksten der Welt. Die Hürden einer Kündigung liegen hoch. Viele Arbeitgeber bieten daher gleichzeitig mit der Entlassung eine Abfindung an oder beenden das Arbeitsverhältnis mit einem Aufhebungsvertrag.
Lassen Sie sich bitte nicht vorschnell darauf ein. Wer glaubhaft mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG droht und einen Anwalt einschaltet, kann oft mehr herausholen. Wir zeigen Ihnen, wie das geht…
Kündigungsschutzklage Voraussetzungen
Ziel einer Kündigungsschutzklage ist, dass das Gericht prüft, ob die Kündigung überhaupt zulässig beziehungsweise wirksam war. Andernfalls besteht das Arbeitsverhältnis fort. Eine typische Formulierung im Klageantrag lautet daher meist:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom TT.MM.JJJJ nicht beendet ist.
Damit die Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg hat, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Bedeutet: Der Kündigungsschutz muss greifen. Das Arbeitsgericht prüft immer zuerst, ob die Kündigung formal korrekt und wirksam war. Dazu müssen die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) eingehalten werden.
Ist die Kündigung überhaupt wirksam?
Um wirksam zu sein, muss die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung folgende Bedingungen erfüllen:
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Schriftlichkeit
Ein wirksames Kündigungsschreiben bedarf zwingend der Schriftform. Nach § 623 BGB muss die Kündigung „schriftlich“ (auf Papier) erfolgen und von einem Berechtigten eigenhändig unterschrieben sein. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam. Ebenso ein Kündigungsschreiben per E-Mail, SMS, Fax oder Whatsapp.
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Kündigungsfristen
Kündigt der Arbeitgeber muss er sich an gesetzliche, tarifvertragliche oder vertragliche Kündigungsfristen halten (§ 622 BGB). Diese richten sich meist nach der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers:
Dauer der Beschäftigung Kündigungsfrist 0-6 Monate (Probezeit) 2 Wochen, täglich 7 Monate bis 2 Jahre 4 Wochen zum 15. / Ende des Monats 2 Jahre 1 Monat zum Ende des Monats 5 Jahre 2 Monate zum Ende des Monats 8 Jahre 3 Monate zum Ende des Monats 10 Jahre 4 Monate zum Ende des Monats 12 Jahre 5 Monate zum Ende des Monats 15 Jahre 6 Monate zum Ende des Monats 20 Jahre 7 Monate zum Ende des Monats -
Kündigungssschutz
Der Kündigungsschutz gilt nicht sofort. Während der Probezeit (maximal 6 Monate) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis binnen zwei Wochen kündigen, falls der Tarifvertrag nichts anderes regelt. Die Kündigung in der Probezeit muss nach § 622 BGB nicht einmal begründet werden. Im Arbeitsrecht wird zudem zwischen „Wartezeit“ und „Probezeit“ unterschieden. Letztere kann kürzer ausfallen. Für den gesetzlichen Kündigungsschutz ist aber die Wartezeit ausschlaggebend. Sie dauert immer sechs Monate. Vom Kündigungsschutz ausgenommen sind überdies die Organe einer Gesellschaft. Zum Beispiel Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG. Er gilt auch nicht für „leitende Angestellte“, die die gleichen Machtbefugnisse wie ein Organ haben.
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Kleinbetriebe
Sogenannte Kleinbetriebe (maximal 10 Mitarbeiter, Teilzeitkräfte zählen anteilig) können Ihren Angestellten jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Hier reicht eine fristgerechte Kündigung. Auch gibt es keine Sozialauswahl oder einen Betriebsrat, der vorher angehört werden müsste.
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Kündigungsgründe
Jede ordentliche Kündigung braucht einen triftigen Kündigungsgrund. Das betrifft sowohl die betriebsbedingte Kündigung, die personenbedingte Kündigung und die verhaltensbedingte Kündigung. In vielen Fällen muss der Kündigung eine Abmahnung vorausgehen.
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Pflichtverstoß
Eine sogenannte außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB umgeht geltende Kündigungsfristen und beendet das Arbeitsverhältnis unmittelbar. Deshalb auch „fristlose Kündigung„. Diese ist an strenge Auflagen gebunden und nur bei schweren Pflichtverstößen oder Vertrauensbrüchen des Arbeitnehmers möglich. Zum Beispiel bei Diebstahl oder Arbeitszeitbetrug. In dem Fall muss das Unternehmen innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis der Gründe kündigen, sonst ist für eine fristlose Kündigung zu spät.
Besonderer Kündigungsschutz
Einige „besonders schützenswerte“ Arbeitnehmergruppen genießen einen Sonderkündigungsschutz. Sie können gar nicht oder nur in sehr seltenen Ausnahmen gekündigt werden:
- Auszubildende nach der Probezeit
- Schwerbehinderte (nur mit Zustimmung des Integrationsamts)
- Schwangere
- Mütter bis vier Monate nach der Entbindung
- Mütter und Väter in Elternzeit
- Betriebsratsmitglieder
Kündigungsschutzklage Frist: 3 Wochen ab Zugang
Haben Sie eine Kündigung erhalten, tickt die Uhr: Ab dem Zeitpunkt der Zustellung gilt eine Frist von drei Wochen. Innerhalb dieser Frist müssen Sie die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Am besten direkt über einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam, selbst wenn sie das zuvor formal nicht war. In dem Fall können Sie nur noch versuchen, das Gericht über einen „Wiedereinsetzungsantrag“ davon zu überzeugen, dass Sie an der rechtzeitigen Klage gehindert waren. Das gelingt aber nur selten.
Die 3-Wochen-Frist gilt übrigens auch, wenn Sie krank oder im Urlaub sind. Die Frist beginnt, sobald die Kündigung in Ihrem „Machtbereich“ liegt. Dazu reicht der Briefkasten. Das Ende der dreiwöchigen Frist hängt vom Tag ab. An einem Werktag (selbst freitags) endet sie um 24 Uhr. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, verschiebt sich das Fristende auf 24 Uhr des darauffolgenden Werktags.
Mündliche Zusagen: Vorsicht Falle des Chefs!
Eine Kündigungsschutzklage sollten Sie auf jeden Fall einreichen, wenn es dafür triftige Gründe gibt. Werden Sie immer hellhörig, wenn Ihnen der Arbeitgeber im Nachgang zur Kündigung diverse Versprechungen macht. Vorsicht Falle: So mancher Arbeitnehmer hat Mitarbeitern erst großzügige Zahlungen in Aussicht gestellt und sich nach Ablauf der 3-Wochen-Frist nicht mehr an die Zusagen erinnert. Denn jetzt ist die Kündigung per Fristablauf wirksam. Warum also noch einen Euro Abfindung zahlen?
Kann ich auch klagen, wenn den Job gar nicht mehr will?
Arbeitnehmer können eine Kündigungsschutzklage auch erheben, wenn sie von vornherein wissen, dass sie den Job gar nicht mehr zurück, sondern sich beruflich verändern wollen. Nachdem das Gericht festgestellt hat, dass die Kündigung unwirksam war, wird ohnehin meist nur noch über die Höhe der Abfindung verhandelt. Wer also das Arbeitsverhältnis gar nicht fortsetzen will, kann mit der erfolgreichen Kündigungsschutzklage oder einem sogenannten Abfindungsvergleich mehr herausholen.
Kündigungsschutzklage Schema: So läuft sie ab
Jede Kündigungsschutzklage beginnt mit dem Einreichen der Klageschrift beim zuständigen Arbeitsgericht. Idealerweise werden Arbeitnehmer dabei von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstützt. Danach nimmt der Kündigungsschutzprozess seinen Lauf:
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Klageeinreichung
Spätestens drei Wochen nach der Kündigung muss die Kündigungsschutzklage bei Gericht eingereicht werden.
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Klagezustellung
Der Arbeitgeber wird über die Klage informiert und erhält eine beglaubigte Abschrift der Kündigungsschutzklage.
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Gütetermin
Das Gericht setzt kurzfristig einen ersten Gerichtstermin an. Hier wird versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen und den Prozess zu beenden – durch Vergleich und Abfindung.
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Kammertermin
Gab es in der Güteverhandlung keine Einigung, setzt der Richter einen Kammertermin an. Bei der mündlichen Verhandlung wird nochmals versucht, eine einvernehmliche Einigung zu erzielen. Bis dahin können allerdings zwei bis zwölf Monate vergehen.
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Beweisaufnahme
Kommt es nicht zu einer Einigung, setzt das Gericht dem Unternehmen eine Frist, die Kündigung schriftlich und ausführlich zu begründen. Beim zweiten Kammertermin werden dann alle Beweise geprüft und etwaige Zeugen vernommen.
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Urteil
Schließlich findet ein endgültiger Gerichtstermin statt. Das Gericht fällt ein Urteil und entscheidet, ob die Kündigung wirksam war. Wer mit dem Urteil nicht einverstanden ist, kann in Berufung gehen.
Gewinnt der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess und war die Kündigung unwirksam, hat er einen Anspruch auf Nachzahlung der offenen Gehälter sowie auf Weiterbeschäftigung im alten Job. Auch im Falle einer Freistellung rückwirkend. Verliert er, ist er arbeitslos. Oder muss Berufung beim Landesarbeitsgericht einlegen.
Klage gewonnen: Wie geht es weiter?
Auch wenn eine Abfindungszahlung das Ergebnis der Kündigungsschutzklage ist: Das eigentliche Ziel – die Wiedereinstellung beziehungsweise Fortführung des Arbeitsverhältnisses – erreichen Arbeitnehmer nur selten. Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer den alten Arbeitsplatz wieder anzubieten. Doch ist das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Parteien nach einer Kündigungsschutzklage oft so zerrüttet, dass beide kaum noch miteinander arbeiten wollen. Entsprechend stellen viele Arbeitgeber daraufhin einen sogenannter Auflösungsantrag. Der kann im Erfolgsfall zu einer erzwungen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Allerdings gegen Zahlung einer gerichtlich festgesetzten Abfindung.
Tipp: Verlangen Sie unbedingt rechtzeitig ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch darauf. Laut einschlägigen Urteilen muss das Arbeitszeugnis mindestens „befriedigend“ (Note 3) ausfallen. Sie brauchen das Zeugnis später bei der Bewerbung.
Wie viel kostet eine Kündigungsschutzklage?
Gerichtsprozesse können teuer werden. Die Höhe der Anwaltskosten richtet sich nach dem Streitwert. Bei einer Kündigungsschutzklage liegt dieser bei maximal drei Bruttomonatsgehältern. Die Gebühren für den Anwalt werden in der Regel nach einer Gebührentabelle berechnet. Sie liegen bei einem Gegenstandswert von 6000 bis 9000 Euro (drei Monatsgehälter) zwischen rund 340 beziehungsweise 450 Euro. Hinzu kommen die Gerichtskosten. Diese liegen bei einem Streitwert bis 9000 Euro bei einer Gebühr von knapp 200 Euro.
Die Kosten trägt beim Arbeitsgericht nicht der Verlierer. Jede Partei zahlt den eigenen Anwalt selbst. Wird eine Abfindung gezahlt, übersteigt diese meist die Anwaltskosten. Ebenso können Sie die Kosten durch eine Rechtsschutzversicherung abfedern. In dem Fall wird lediglich eine vereinbarte Selbstbeteiligung fällig. Wer Mitglied in einer Gewerkschaft ist, genießt dort oft Rechtsschutz.
Ebenso können Sie beim Gericht Prozesskostenhilfe beantragen. Der Antrag richtet sich nach Bedürftigkeit. Dazu müssen Sie Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Klage Aussicht auf Erfolg hat.
Wie lange dauert es bei einer Kündigungsschutzklage?
Bis zum ersten Gütetermin dauert es in der Regel nur 2-3 Wochen. Ziel ist, dass sich beide Parteien gütlich einigen. Ist das nicht möglich, wird ein zweiter Kammertermin angesetzt. Bis dahin können allerdings mehrere Wochen oder sogar ein Jahr vergehen.
Kündigungsschutzklage Abfindung: Kein Anspruch!
Es ist leider ein Irrtum, dass Arbeitnehmer einen generellen Anspruch auf eine Abfindungszahlung hätten. Selbst wer eine Kündigungsschutzklage gewinnt, bekommt deswegen kein Extra-Geld vom Ex-Arbeitgeber. Das Gericht entscheidet ausschließlich über die Wirksamkeit der Kündigung. Der Richter ist nicht befugt, das Unternehmen zu einer Abfindung zu verurteilen. Diese wird immer freiwillig zwischen den Parteien vereinbart. Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung besteht allenfalls bei einer betriebsbedingten Kündigung, um soziale Härten abzufedern.
Sollten Sie über eine Abfindung verhandeln, richtet sich die Berechnung der Höhe meist an der Formel: ein halbes oder ganzes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. In Einzelfällen kann eine höhere Abfindung ausgehandelt werden.
Kündigungsschutzklage Arbeitslosengeld: Droht eine Sperre?
Die Kündigungsschutzklage hat keinen Einfluss auf das ALG 1. Den Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Arbeitnehmer in der Regel bei Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch dann, wenn Sie der Kündigung per Klage widersprochen (und verloren) haben.
Eine Arbeitsamt Sperre beim ALG 1 riskieren Arbeitnehmer nur, wenn Sie die Kündigung und damit den Verlust des Arbeitsplatzes selbst verursacht haben. Das gilt beispielsweise bei:
- Eigenkündigung
- Unterschreiben eines Auflösungsvertrags
- Berechtigter fristloser Kündigung
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