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Überpünktlichkeit: Eigenschaft mit Hindernissen

Bester Beweis einer guten Erziehung ist die Pünktlichkeit, meinte schon Gotthold Ephraim Lessing. Und die Deutschen gelten als ein Volk, das die Tugend der Pünktlichkeit pflegt. Wer Unpünktlichkeit als Unsitte betrachtet, könnte annehmen, dass er mit Überpünktlichkeit nichts verkehrt macht. Weit gefehlt! Es offenbart mehr über Ihren Charakter, als Ihnen vielleicht lieb ist. Darüber hinaus bringen Sie womöglich andere in die Bredouille. Was Überpünktlichkeit über einen Menschen aussagt und wie Sie damit umgehen können…



Überpünktlichkeit: Eigenschaft mit Hindernissen

Überpünktlich Bedeutung: Über die Maßen hinaus

Wer überpünktlich ist, ist in jedem Fall rechtzeitig. Beispielsweise erledigt er seine Arbeit fristgemäß. Überpünktlichkeit setzt sich zusammen aus der Vorsilbe über-, welche eine Überwindung oder einen Vorgang anzeigt, und dem Substantiv Pünktlichkeit.

Wie das Wort Überpünktlichkeit bereits anzeigt, geht es um eine Person, die über die Maßen hinaus pünktlich ist. Je nach Kontext kann das Vor- und Nachteile haben. Mit Überpünktlichkeit lassen sich verschiedene Synonyme assoziieren, beispielsweise:

  • Akkuratesse
  • Gewissenhaftigkeit
  • Präzision
  • Rechtzeitigkeit
  • Solidität
  • Zuverlässigkeit

Aus Arbeitgebersicht ist so ein Mitarbeiter berechenbar. Sein Vorgesetzter weiß ganz genau, was er von dieser Person zu erwarten hat. Allerdings steht Überpünktlichkeit auch für diese Synonyme:

  • Borniertheit
  • Pedanterie
  • Übergenauigkeit
  • Überkorrektheit

Hier zeigen sich Eigenschaften, die im Umgang mit anderen eher anstrengend sein können. Wer übergenau ist, kann nicht mal „Fünfe gerade sein lassen“. Unter Kollegen wirkt so jemand unter Umständen wie eine Spaßbremse, der kann womöglich nicht über Witze lachen, in denen mit dem Stilmittel der Übertreibung gearbeitet wird.

Überpünktlich auf Englisch: Umschreibungen benutzen

Fun fact: Versuchen Sie einmal überpünktlich auf Englisch auszudrücken – das Wort existiert ebenso wenig wie Überpünktlichkeit. Im Englischen müssen Sie sich also mit Umschreibungen behelfen, beispielsweise:

  • to be ahead of schedule = vor dem Zeitplan (fertig) sein
  • to be exceedingly on/ in time = über alle Maßen pünktlich
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Pünktlichkeit: Eine Erfindung der Zeitmessung

Wenn wir von Überpünktlichkeit reden, müssen wir auch Pünktlichkeit betrachten, denn natürlich hängt das zusammen. Wie kommt es, dass auf Pünktlichkeit so viel Wert gelegt wird, Überpünktlichkeit hingegen eher unangenehm für viele Leute ist? Das hängt vor allem mit der Entwicklung der Zeitmessung in Industrienationen zusammen.

Bevor alle Menschen eine Uhr hatten, gab es maximal am Kirchturm eine Uhr, nach der man sich richten konnte. Das hieß aber sowohl für die Landwirtschaft (in der der Großteil der Bevölkerung beschäftigt war) als auch für Handwerksbetriebe, dass die Menschen sich vor allem nach der Sonne richteten.

Sekunden- oder minutengenaue Pünktlichkeit gab es da nicht, ebenso wenig natürlich Überpünktlichkeit. Verabredungen wurden dann beispielsweise „bei Sonnenuntergang“ an einem Ort getroffen. So gesehen waren alle Teilnehmer innerhalb einer bestimmten Zeitspanne pünktlich.

Die Uhr für breite Massen der Bevölkerung, aber auch verschiedene andere gesellschaftliche Strukturen wie etwa die Schulpflicht oder der Wehrdienst (lange Zeit Wehrpflicht) gehören zur Sozialdisziplinierung des Menschen. Daraus ergibt sich, dass anstelle eines natürlichen durch Jahreszeiten vorgegebenen Rhythmus Konventionen treten: also Absprachen beziehungsweise Vorgaben innerhalb einer Gesellschaft.

Es ist allgemein akzeptiert, dass die Zeiteinteilung durch Uhr und Kalender erfolgt und beachtet wird. Nur so konnten sich erst Konzepte wie Pünktlichkeit und Unpünktlichkeit, aber eben auch Überpünktlichkeit herausbilden.

Tagesabläufe sind von morgens bis abends klar geregelt, es steht außer Frage, dass Schulstunden und Arbeitszeit, feste Büro- und Öffnungszeiten sowie Fahrpläne und Abflugzeiten gegenüber persönlichen Wünschen Vorrang haben.

Dazu gehören ebenso die Pausenzeiten und die Lage bestimmter Dienste beispielsweise bei Nachtarbeit oder Wochenenddienst. Wer nicht gerade flexible Arbeitszeiten hat oder im Home Office arbeitet, arbeitet größtenteils fremdbestimmt.

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Überpünktlichkeit versus Pünktlichkeit: Wo fängt sie an?

Es gibt unterschiedliche Interpretationen von Pünktlichkeit, je nach Kontext und Kultur. Kulturelle Unterschiede lassen sich zwischen Industrienationen und agrarisch geprägten Ländern ausmachen, aber auch zwischen West- und Südeuropa.

Hier geht es allerdings häufig darum, dass die Teilnehmer eher später kommen, als es nach hiesigem Verständnis zu erwarten wäre. Zusätzlich kommt es darauf an, in welchem Kontext Sie sich bewegen. Auch hierzulande wird Ihnen vermutlich keiner den Kopf abreißen, wenn Sie bei einer privaten Verabredung fünf Minuten zu spät kommen.

Überpünktlichkeit in diesem Maß und in diesem Rahmen ist tolerierbar. Aber wie bei allem, kann man es auch hier übertreiben. Und das mündet dann in Überpünktlichkeit, die anderen unangenehm oder für Sie nachteilig ist.

Daneben ist Überpünktlichkeit ist eine Form der Unzuverlässigkeit. Vielleicht kennen Sie die Situation: Der Bus, den Sie brauchen, ist meistens ein bis zwei Minuten zu spät. Eines Tages sind Sie etwas knapp, aber auf die Minute an der Bushaltestelle und Sie sehen noch die Rücklichter des Busses.

Obwohl der Bus vielleicht nur wenig früher als im Fahrplan angegeben abgefahren ist, liegt hier aus Ihrer Warte ein Fall von Überpünktlichkeit vor. Das bringt Sie wiederum in Schwierigkeiten, denn Sie müssen nun einen späteren Bus nehmen, kommen selbst womöglich zu spät zu Ihrem Termin.

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Überpünktlichkeit: Zusammenarbeit mit überpünktlichen Menschen

Angenommen, Sie wollen sich mit einer Lerngruppe bei sich Zuhause zur Referatsvorbereitung treffen, haben 11 Uhr vormittags ausgemacht. In jedem Fall sollten Sie davon ausgehen können, dass die anderen Teilnehmer sich an die Absprache halten.

Wem plötzlich ein Termin dazwischen gekommen ist, hat rechtzeitig abzusagen, damit die anderen nicht unnötig warten. Zuspätkommen ist andererseits ebenso wenig erwünscht. Kommt nun ein Teilnehmer eine halbe Stunde zu früh, ist folgendes Szenario denkbar:

Vielleicht wollten Sie noch aufräumen und sind Ihrerseits knapp in der Zeit. Oder Sie sind noch gar nicht Zuhause, weil Sie zuvor einen anderen Termin hatten. In keinem Fall ein angenehmes Gefühl, nach Hause zu kommen, wenn ein Gast schon mit den Hufen vor der Tür scharrt.

Überpünktliche Menschen strahlen nicht besonders viel Sympathie aus. Die Gründe dafür:

  • Sie wirken perfektionistisch.

    Nobody’s perfect, heißt es. Mit anderen Worten: kleine Schwächen machen andere sympathisch, dazu gehört auch einmal auf den letzten Drücker (aber noch pünktlich) zu erscheinen. Mal nicht bis ins kleinste Detail alles durchgeplant zu haben. Das ist nur menschlich und trifft eigentlich auf jeden zu.

    Mehr dazu lesen Sie hier:


  • Sie wirken unsouverän.

    Viele Bewerber wollen alles richtig machen, wenn Sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen sind. Das ist absolut verständlich und dennoch ist es verkehrt, eine halbe Stunde früher zu erscheinen.

    Sie wirbeln damit unter Umständen den Zeitplan des potenziellen Arbeitgebers beziehungsweise des Personalers durcheinander. Die können Sie im Normalfall nicht vorziehen, da oftmals noch andere Bewerber Termine vorher haben. Sie sitzen also unnütz im Empfangsbereich herum.

    Überpünktlichkeit lässt Sie übervorsichtig und tendenziell unsouverän aussehen, als ob Sie Panik hätten, diesen Termin zu verpassen. Stattdessen wollen Sie ja ausstrahlen, dass Sie alles im Griff haben.

    Mehr dazu lesen Sie hier:


  • Sie fügen sich nicht ins Team.

    Es wirkt immer ein bisschen, als ob Sie eine Extrawurst bräuchten, denn mit Überpünktlichkeit ziehen Sie die Aufmerksamkeit auf sich: Während Sie immer ein bisschen schneller, ein bisschen früher (vielleicht auch: besser?) sind, wirken die anderen plötzlich eher wie Durchschnitt.

    Dabei geben die sich vielleicht ebenso viel Mühe, halten Deadlines ein, sind aber eben nicht überpünktlich in dem, was sie tun. Vorsicht: Sie begeben sich so leicht in eine Außenseiterrolle.

    Mehr dazu lesen Sie hier:


  • Sie berauben sich wertvoller Zeit.

    Time is money, sagt man. Zeit ist aber nicht nur Geld, sondern auch Lebensqualität. Wer Überpünktlichkeit bei Terminen zeigt, ist zum Beispiel 30 Minuten vor der Zeit im Konferenzraum. Oder fährt 30 Minuten früher von Zuhause los, um bei einem Termin zu sein.

    Das ist eine halbe Stunde, in der Sie noch hätten länger schlafen können, in Ruhe etwas lesen können oder auf der Arbeit andere Dinge für einen anderen Tag oder Projekt hätten vorbereiten können.

    Rechnen Sie das hoch auf die Woche, falls Sie jeden Tag zu früh irgendwo erscheinen, dann ist das letztlich Ihre Lebenszeit, die Sie verschwenden und die Sie angenehmer einsetzen könnten als irgendwo zu warten.

    Mehr dazu lesen Sie hier:

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Überpünktlich: Schwäche oder Stärke?

Ein Tipp zum Schluss: Oft fragen sich Bewerber, was sie angeben sollen, wenn sie im Bewerbungsgespräch nach Schwächen gefragt werden. Der Gedanke ist oft:

Lieber etwas als Schwäche angeben, was eine vermeintliche Stärke ist. Allerdings geht diese Rechnung selten auf, Personaler kennen diesen Trick natürlich längst.

Daher sollten Sie also weder den beliebten Perfektionismus noch Überpünktlichkeit als Schwäche angeben. Sie fahren viel besser, wenn Sie ehrliche Schwächen benennen und gleichzeitig deutlich machen, dass Sie sich dessen bewusst sind und daran arbeiten. Also beispielsweise:

Ich habe Schwierigkeiten, mich in Diskussionen durchzusetzen. Aber ich bin auf einem guten Weg, meine Meinung deutlicher zu vertreten.

[Bildnachweis: wavebreakmedia by Shutterstock.com]