Kompromisseffekt: Warum wir am liebsten die Mitte wählen

„Die Mitte ist immer gut, da macht man nichts falsch!“ – so denken viele Menschen und gehen dabei oft dem Kompromisseffekt auf den Leim. Die psychologische Voreingenommenheit öffnet aber die Tür zur Manipulation! Der Kompromisseffekt wird deshalb oft im Marketing und bei Verhandlungen genutzt. Welche Bedeutung der Effekt hat – und wie Sie ihn erkennen und überwinden…

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Definition: Was ist der Kompromisseffekt?

Der Kompromisseffekt (Englisch: Compromise Effect, auch: Attraction-Effect) beschreibt einen kognitiven Wahrnehmungsfehler (Bias), sobald Menschen mit mehreren Optionen konfrontiert werden. Der Kompromisseffekt zeigt, dass Menschen bei einer Auswahl mehrerer Alternativen die mittlere Option bevorzugen und extreme Alternativen vermeiden.

Der Anziehungseffekt tritt zum Beispiel auf, wenn eine Produkt- oder Angebotsauswahl so erweitert wird, dass eine der Optionen deutlich teurer oder günstiger bzw. leistungsstärker oder leistungsschwächer ist als die anderen (siehe auch: Decoy-Effekt). Die mittlere Alternative erscheint dann als vernünftiger Kompromiss zwischen Preis und Leistung beziehungsweise zwischen Risiko und Nutzen.

Erstmals beschrieben wurde der „Compromise Effect“ im Jahr 1989 von Itamar Simonson und Amos Tversky.

Welche Bedeutung hat der Kompromisseffekt?

Kompromisseffekt und Voreingenommenheit haben zahlreiche Auswirkungen – etwa auf Konsumverhalten, Marketing oder Verhandlungen. Studien zeigen, dass bei der Wahl zwischen drei Optionen der Umsatz des mittleren Angebots um bis zu 30 Prozent steigern kann.

Nicht wenige Unternehmen führen deshalb – schon aus strategischen Gründen – eine Kompromissoption hinzu, um die Entscheidungen von Verbrauchern oder Geschäftspartnern zu beeinflussen. Indem sie eine mittlere Option präsentieren, die im Vergleich zu den extremen Alternativen vernünftig erscheint, manipulieren sie ihr Gegenüber und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass diese Option („Kompromisswahl“) gewählt wird.

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Beispiele für den Kompromisseffekt

Der Kompromisseffekt spielt insbesondere in der Verkaufspsychologie eine bedeutende Rolle: Sind drei Modelle eines Produkts erhältlich (günstig, mittel, teuer), wird häufig das mittlere gewählt. Für Anbieter lohnt sich die dritte, mittlere Variante daher oft, weil bei nur zwei Modellen (günstig, teuer) die Mehrheit eher zur günstigen Variante greift.

Den Effekt machen sich vor allem Fastfood-Ketten zunutze:

  • Beispiel McDonalds

    Hier gibt es drei Größen für Pommes frites. Die meisten Kunden wählen die mittlere Größe, obwohl diese nur unwesentlich mehr Pommes enthält, dafür aber deutlich teurer ist.

  • Beispiel Starbucks

    Auch hier gibt es unterschiedlich große Becher mit Eistee. Wieder wählen viele Kunden den Kompromiss und die mittlere Größe. Versuche von Kunden im Internet zeigen aber: Darin ist genauso viel Eistee wie in der kleinen Bechergröße. Der Rest wird lediglich mit billigem Eis aufgefüllt.

  • Beispiel Weinsortiment

    Manche Weinhändler oder Restaurants setzen bewusst einen besonders teuren Wein mit auf die Karte oder ins Sortiment – wohlwissend, dass der kaum gekauft wird. Ebenso wenig wie die billigsten Flaschen. Gleichzeitig verkaufen sich die Angebote im mittleren Segment umso besser. In dem Preisbereich liegen nicht zufällig auch die besten Gewinnmargen.

  • Beispiel Technikprodukte

    Viele Laptop- oder Smartphone-Hersteller bieten Basis-, Standard- und Pro-Modelle an. Das Basis-Modell kann extrem wenig, das Pro-Modell ist extrem teuer. Prompt greifen die meisten Kunden zur Standard-Version.

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Psychologie: Was passiert beim Compromise Effect?

Der Kompromisseffekt ist ein gut untersuchtes Phänomen in der Verhaltensökonomie und Psychologie. Er erklärt zum Beispiel, warum Anbieter oft gezielt ein drittes, hochwertigeres oder günstigeres Produkt einführen, um das mittlere Angebot attraktiver zu machen („Lockvogelpreisgestaltung“).

Laut Psychologie wählen Menschen oft die Mitte, weil diese subjektiv als risikoärmer und als ausgewogener empfunden wird („Magie der Mitte“). Gleichzeitig haben die meisten Menschen eine natürliche Abneigung gegen Extreme („Extremitäten-Aversion“).

Immer dann, wenn Menschen Schwierigkeiten damit haben, Entscheidungen auf Basis einer rationalen Nutzenmaximierung zu treffen, wird die Wahl heuristisch. Bedeutet: Wir wählen intuitiv, versuchen Risiken zu minimieren, schließen dabei Kompromisse – und landen in der Mitte.

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Wie kann ich mich gegen den Kompromisseffekt wehren?

Es ist wichtig, sich den Kompromisseffekt und seinen Einfluss bewusst zu machen, um in Zukunft eine objektivere und ausgewogenere Entscheidung zu treffen und sich weniger manipulieren zu lassen. Also Optionen nach ihrem tatsächlichen Wert zu bewerten – statt nach ihrer Position im Auswahlspektrum!

Wenn Sie merken, dass Ihnen jemand einen bequemen Kompromiss in der Mitte anbietet und ansonsten nur extreme Alternativen, sollten Sie hellhörig werden! Betrachten Sie das Angebot oder Sortiment genau und rechnen Sie ruhig nochmal nach: Ist das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Mitte wirklich am besten? Wählen Sie vor allem nicht schnell oder leichtfertig, nur weil Sie eine Option als vermeintlich „sicher“ wahrnehmen…

Tipps gegen den Kompromisseffekt

Um den Kompromisseffekt zu reduzieren oder zu vermeiden, gibt es verschiedene psychologische und praktische Strategien, die einer Entscheidungen helfen können:

  • Bewusste Alternativen-Bewertung

    Vergleichen Sie wirklich ALLE Optionen systematisch und nehmen Sie diese nicht nur als „untere, mittlere und obere“ Preisvariante wahr. Versuchen Sie Ihre Entscheidung aus einer neutralen Perspektive „ohne Vorwissen“ zu treffen. Das hilft, die eigene Neigung zur Mitte zu neutralisieren.

  • Entscheidungstechniken nutzen

    Bewährte Entscheidungstechniken wie die Pro-Kontra-Liste, der Entscheidungsbaum oder Matrizen zwingen zur objektiven Bewertung jeder Alternative und reduzieren die intuitive Wahl der Mitte.

  • Langfristig denken

    Treffen Sie die Wahl nicht adhoc, sondern bedenken Sie vor allem die langfristigen Konsequenzen der Entscheidung. Hierbei hilft zum Beispiel die 10-10-10-Methode, bei der Sie sich fragen: „Wie bewerte ich das in 10 Minuten, in 10 Monaten und in 10 Jahren?“

  • Zweite Meinungen einholen

    Nehmen Sie sich Bedenkzeit und holen Sie eine zweite Meinung ein. Auch die kann helfen, blinde Flecken und Denkfehler zu entlarven und den Kompromisseffekt zu überwinden.

Letztlich sollten Entscheidungen nie unter Zeitdruck oder emotionalen Gesichtspunkten getroffen werden, weil das die Kompromisstendenz verstärkt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit einem möglicherweise manipulativen Angebot sowie Bedenkzeit und Selbstreflexion helfen, den Kompromisseffekt zu erkennen und zu neutralisieren.


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