Scheinbewerbung: Gibt es eine Entschädigung?

Ziel einer Bewerbung ist die Zusage für den Traumjob. Bei der Scheinbewerbung geht es jedoch darum, auf finanzielle Entschädigung zu klagen. Leider sind einige Jobsuchende genau darauf aus. Sie bewerben sich – nur um abgelehnt zu werden und dann eine Klage gegen den Arbeitgeber einzureichen. Eine miese Masche. Doch für Unternehmen teils kostspielig. Wir erklären, was eine Scheinbewerbung ist, vor welchem Hintergrund auf Entschädigung geklagt wird und was Sie dazu wissen sollten…

Scheinbewerbung Definition Klage Entschaedigung Agg Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitgeber Schuetzen

Was ist eine Scheinbewerbung?

Eine Scheinbewerbung soll den Eindruck einer wirklichen und aufrichtigen Bewerbung erwecken. Der Absender reicht jedoch seine Bewerbungsunterlagen nicht aus tatsächlichem Interesse an der ausgeschriebenen Stelle ein. Ganz im Gegenteil: Er möchte abgelehnt werden.

Ziel ist kein neuer Job, sondern eine Klage gegen das Unternehmen. Nach der Absage wird der Arbeitgeber aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf eine Entschädigung verklagt. Die sogenannten AGG-Hopper behaupten, dass sie nicht wegen fehlender Qualifikationen, sondern aufgrund einer Diskriminierung abgelehnt worden sind.

Scheinbewerbung als Risiko für Unternehmen

Müssen Unternehmen sich sorgen machen, wegen einer Scheinbewerbung verklagt zu werden? Auf den ersten Blick scheint das Risiko gering, wenn keine Diskriminierung im Auswahlprozess vorliegt. Allerdings müssen Arbeitgeber sehr vorsichtig sein und sich absichern.

Vor Gericht liegt die Beweislast nämlich beim Arbeitgeber. Das bedeutet: Nicht die Person, die die Scheinbewerbung geschrieben hat, muss nachweisen, diskriminiert worden zu sein. Vielmehr müssen Unternehmen dem Gericht glaubhaft machen, dass sie den vermeintlichen Bewerber nicht diskriminiert haben. So können Scheinbewerbungen vor Gericht unter Umständen sogar erfolgreich sein.

Anzeige

Scheinbewerbung auf Grundlage des AGG

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wird bei Scheinbewerbungen missbraucht, hat aber grundsätzlich eine wichtige Schutzfunktion. Es regelt, dass jeder Mensch bei einer Bewerbung gleich behandelt werden muss. Es greift damit Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes auf.

Das AGG in Kombination mit dem Grundgesetz untersagt die Diskriminierung aus diesen Gründen:

  • Geschlecht + Alter
  • Rasse + ethnischer Herkunft
  • Sexuelle Identität
  • Behinderung
  • Religion + Weltanschauung

Bei Personalentscheidungen dürfen diese Faktoren keine Rolle spielen. Falls doch, können sich Bewerber rechtlich dagegen wehren, klagen und haben unter Umständen einen Anspruch auf Schadenersatz. Dazu muss es sich aber um eine echte Benachteiligung und nicht um eine angebliche Diskriminierung im Zuge einer Scheinbewerbung handeln.

Anwendungsbereich des Gesetzes

Den Schutz machen sich AGG-Hopper bei Scheinbewerbungen zunutze, um auf finanzielle Entschädigung zu klagen. Angewendet wird das Gesetz jedoch in vielen Bereichen des Arbeitsrechts. Es gilt für:

Sofern es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, überwacht dieser die Einhaltung des AGG. Dabei geht es nicht nur darum, den Arbeitnehmer vor einer Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber zu schützen. Auch Mobbing durch die Kollegen kann unter die Vorschriften des AGG fallen.

Anzeige

Scheinbewerbung: Ein berühmt gewordener Fall

Ein Fall, der die Gerichte beschäftigte, stammt aus dem Jahr 2009. Ein Versicherungskonzern schrieb Stellen in einem Trainee-Programm aus. Eine der Anforderungen an Kandidaten: Ein nur kurz zurückliegender Studienabschluss sowie erste berufliche Erfahrungen.

Unter den Bewerbern war ein Jurist der bereits acht Jahre zuvor sein Studium abgeschlossen und entsprechende Berufserfahrung hatte. Der potenzielle Arbeitgeber war jedoch nicht überzeugt – und schickte eine Absage.

Klage auf Entschädigung

Daraufhin klagte der Bewerber auf eine Entschädigung von 14.000 Euro, weil er Nachteile aufgrund einer Altersdiskriminierung sah. Der Konzern reagierte prompt und schickte dem Scheinbewerber eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Diese lehnte der Bewerber jedoch ab, da er zunächst die Entschädigungszahlung haben wollte.

Weiter ging es, als der Bewerber erfuhr, dass die Trainee-Positionen mit vier weiblichen Bewerbern besetzt wurden. Er klagte erneut. Dieses Mal glaubt er, aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden zu sein.

Das Urteil im Fall um die Fake-Bewerbung

Der Jurist klage sich durch alle Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht urteilte (BAG 8 AZR 997/12), dass es sich um eine Scheinbewerbung handelte. Der Scheinbewerber hatte damit keinen Anspruch auf Entschädigung. Die Richter gingen davon aus, dass die Bewerbung nur eingereicht wurde, um nach der Absage auf den Job eine Entschädigung fordern zu können. Das sehe man schon daran, dass er die spätere Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht angenommen habe.

Auch der Europäische Gerichtshof äußerte sich zu Scheinbewerbungen (Az. C-423/15). Schutz im Sinne des AGG können danach nur Bewerber erhalten, die sich ernsthaft bewerben. Der Jurist ist übrigens bekannt dafür, Scheinbewerbungen zu verschicken und nach einer Absage auf Entschädigungszahlungen zu klagen. Das führte schon dazu, dass ihm die Münchener Staatsanwaltschaft schweren Betrug vorgeworfen hat – die Klage wurde jedoch abgewiesen.

Anzeige

So schützen sich Arbeitgeber vor Scheinbewerbungen

Arbeitgeber können nicht verhindern, dass Kandidaten Scheinbewerbungen einreichen und im Anschluss an eine Absage auf Entschädigung klagen. Sie können aber wichtige Schritte ergreifen, um die Erfolgsaussichten der Klage zu minimieren. Besonders wichtig sind dabei drei Punkte:

  • Formulierung der Stellenanzeige

    Achten Sie genau darauf, wie Sie eine Stellenanzeige schreiben. Diese sollte unbedingt frei von jeglicher Diskriminierung oder Erwartungshaltung an bestimmte persönliche Kriterien der Kandidaten sein. Dazu gehören geschlechts- und altersneutrale Formulierungen. Durch das Kürzel m/w/d zeigen Sie zudem, dass die sexuelle Identität keine Rolle spielt.

  • Dokumentation der Auswahl

    Bei einer möglichen Klage sind Unternehmen in der Nachweispflicht. Eine detaillierte Dokumentation des Auswahlprozesses kann dabei hilfreich sein. So können die Abläufe vor Gericht erklärt und der Vorwurf der Diskriminierung entkräftet werden.

  • Formulierung der Absageschreiben

    Auch das Absageschreiben sollte mit Bedacht formuliert werden. Es sollte keinen Zweifel daran lassen, dass allein die Qualifikation des Bewerbers der Grund für die Absage ist. Persönliche Merkmale haben keine Rolle gespielt.

Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern: Ihre Rechte

Natürlich gibt es auch diejenigen Arbeitnehmer, die tatsächlich am Arbeitsplatz diskriminiert werden – und die sollten sich dagegen wehren. Das AGG gilt schließlich nicht nur für Scheinbewerbungen, sondern auch nach der Einstellung.

Die folgenden Schritte helfen Arbeitnehmern, die im Joballtag ungleich behandelt werden:

  • Beschweren Sie sich

    Informieren Sie Ihren Vorgesetzten oder den Gleichstellungsbeauftragten über die unfaire Behandlung am Arbeitsplatz. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, holen Sie auch diesen mit ins Boot.

  • Verweigern Sie die Arbeit

    Sollte es sich um einen schweren Fall von Diskriminierung handeln, etwa Mobbing oder sexuelle Belästigung, können Sie noch einen Schritt weiter gehen. Wenn Ihr Arbeitgeber nicht sofort etwas dagegen unternimmt, haben Sie ein Recht auf Arbeitsverweigerung.

  • Sammeln Sie Beweise

    Um am Ende nicht noch eine Abmahnung oder gar Kündigung (beispielsweise wegen Arbeitsverweigerung) zu bekommen, sollten Sie sich absichern. Sammeln Sie so viele Belege wie möglich für die Diskriminierung. Ideal ist es, wenn Sie Kollegen finden, die die Vorfälle bestätigen können.

  • Verlangen Sie Schadensersatz

    Wurde Ihnen zu unrecht eine Beförderung verwehrt oder haben Sie zum Beispiel wegen Ihres Geschlechts eine bestimmte Stelle nicht bekommen, können Sie Schadensersatz verlangen. Dabei gilt es jedoch auf die Frist zu achten: Wenn Sie von der Ungleichbehandlung Kenntnis erlangen, haben Sie zwei Monate Zeit, Ihre Forderungen zu stellen.



Was andere Leser dazu gelesen haben

[Bildnachweis: Jiw Ingka by Shutterstock.com]