Arbeitsrecht: Wann muss ich eine Behinderung angeben?
Die Gesetzeslage ist eindeutig: Unternehmen sind dazu verpflichtet, behinderte Menschen einzustellen. Ab einer Größe von 20 Mitarbeitern, sind bei privaten Unternehmen fünf Prozent, bei öffentlichen Einrichtungen sechs Prozent der Stellen an Menschen mit einer Behinderung zu vergeben. Andernfalls wird eine Strafzahlung für jeden unbesetzten Arbeitsplatz fällig. Ob allerdings bei der Bewerbung schon eine Offenbarungspflicht besteht, ist eine andere Frage.
Eine solche Offenbarungspflicht besteht dann, wenn der oder die Bewerberin aufgrund einer Schwerbehinderung die angestrebte und geforderte Arbeit nur eingeschränkt erbringen kann. Kurz: Wenn die Behinderung die normal anzunehmende Leistungsfähigkeit reduziert. Umgekehrt: Wird eine Schwerbehinderung erst im laufenden Arbeitsverhältnis festgestellt, besteht für Arbeitnehmer keine Pflicht, diese zu offenbaren oder den Betrieb darüber zu informieren. Es sei denn, ursprüngliche Aufgaben können dadurch nicht mehr übernommen werden.
Warum fragen Personaler überhaupt nach einer Behinderung?
Die Zurückhaltung mancher Arbeitgeber erklärt sich aus dem besonderen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer mit Behinderung. Als „schwerbehindert“ gelten Personen, die einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 Prozent aufweisen. Hinzu kommen teils hohe Kosten bei der „barrierefreien“ Gestaltung des Arbeitsplatzes. So blieben laut Bundesagentur für Arbeit rund 250.000 Stellen für Arbeitnehmer mit Behinderung unbesetzt. Die herrschenden Vorbehalte machen es Bewerbern nicht leicht.
Behinderung: Erwähnen oder verschweigen?
Solange die Behinderung Bewerber bei der Ausübung der angestrebten Position nicht einschränkt, müssen Sie diese weder im Anschreiben noch im Lebenslauf angeben. Das gilt erst recht für nicht offensichtliche oder sichtbare Behinderungen. In diesem Fall bleibt es Ihnen überlassen, wie transparent Sie mit Ihrer Einschränkung in den Bewerbungsunterlagen umgehen.
Gleiches gilt für psychische Erkrankungen, wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen. Solange diese keinen Einfluss auf Ihre Tätigkeit haben oder nur als „leichtbehindert“ gelten (GdB von 30 Prozent), können und sollten Sie diese verschweigen. Alles andere weckt nur schlafende Hunde und kann die Bewerbungschancen reduzieren. Das gilt übrigens auch für Erkrankungen, die nicht als Behinderung gelten – zum Beispiel die Bewerbung als trockener Alkoholiker.
Was gilt bei der Bewerbung im öffentlichen Dienst?
Bei der Bewerbung auf Stellen im öffentlichen Dienst sollten Sie Ihre Behinderung angeben, weil dadurch Ihre Chancen deutlich steigen. Ämter und Behörden müssen aufgrund ihrer öffentlichen Rolle noch stärker darauf achten, entsprechende Stellen für Behinderte zu besetzen. Dies gilt für Bewerber ab einem Grad von 50 (Schwerbehinderung) oder für gleichgestellte Bewerber mit einem Behindertengrad von 30. Das bedeutet, dass Sie im Zweifel fachlich passende, aber behinderte Bewerber vorgezogen werden.
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Tipps für die Bewerbung mit Behinderung
Sollten Sie sich dafür entscheiden, Ihre Behinderung bei der Bewerbung anzugeben, können diese Tipps den Bewerbungsprozess erleichtern:
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Arbeitgeberwahl
Prüfen Sie vorab, bei wem Sie sich bewerben. Bedeutet: Wie behindertenfreundlich und barrierefrei ist der Arbeitgeber? Unternehmen mit entsprechender Infrastruktur sind auch aufgeschlossener gegenüber Kandidaten mit Einschränkungen.
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Schwerbehindertenvertretung
Nehmen Sie Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung auf. In großen Unternehmen gibt es oft eine Person, die sich um die Belange von Arbeitnehmern mit Handicap kümmert. Setzten Sie sich vor der Bewerbung mit dieser Person in Verbindung. Auch das gehört zu einer gründlichen Bewerbungsvorbereitung.
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Gutachten
Ein ärztliches Gutachten oder eine Kopie des Schwerbehindertenausweises helfen dem Personaler dabei, zu verstehen, inwieweit Sie Ihre Behinderung einschränkt. Daraus sollte hervorgehen, welche Tätigkeiten Sie nicht ausüben können und welche Arbeitsbedingungen für Sie gelten. Erwähnen Sie das Gutachten im Anlageverzeichnis im Anschreiben.
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Nebensache
Machen Sie Ihre Behinderung nicht zum Hauptthema der Bewerbung. Erwähnen Sie das allenfalls beiläufig im Anschreiben oder Lebenslauf. Im Vordergrund stehen weiterhin Ihre Qualifikationen und Ihre Motivation für den Job. Zeigen Sie, dass Sie Ihre Einschränkungen nicht davon abgehalten haben, Ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Beispiel: „Ich arbeite seit 10 Jahren erfolgreich als Bankkauffrau, meine Sehbehinderung hat mich bei meinem BWL-Studium oder Ausübung meiner Tätigkeiten nie eingeschränkt.“
Bei einer Einladung zum Vorstellungsgespräch sollten Sie zudem bei einer stark körperlichen Behinderung dies fairerweise ankündigen. Also wenn Sie zum Beispiel im Rollstuhl sitzen. So kann der Personaler sicherstellen, dass das Gespräch in Räumen stattfindet, die barrierefrei sind. Das ist ein Gebot der gegenseitigen Fairness.
Fühlt sich der Personaler überrumpelt (oder überfordert), wenn Sie ihn ohne Vorwarnung mit einer komplexen Behinderung konfrontieren, führt das häufig zum Aus. Ein solch passiv-aggressiver Umgang mit der Behinderung bei der Bewerbung wirft einfach ein schlechtes Licht auf die Persönlichkeit und weckt Skepsis, ob ein solcher Bewerber nicht noch mehr verschweigt.
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