Definition: Wie funktioniert die anonyme Bewerbung?
Die anonyme Bewerbung ist eine Sonderform der Bewerbung, bei der Personaler – zunächst – keine Rückschlüsse auf Geschlecht, Herkunft oder Alter eines Bewerbers ziehen können. Die Bewerbungsunterlagen enthalten deshalb keinerlei personenbezogene Daten und fokussieren ausschließlich auf bisherige Berufserfahrungen, relevante Kenntnisse und Fähigkeiten.
Mittels anonymer Bewerbung soll eine Benachteiligung von Kandidaten aufgrund von Vorurteilen verhindert werden. Dazu füllen Bewerberinnen und Bewerber oft nur ein standardisiertes Online-Bewerbungsformular aus. Nach erster Auswertung erfolgt die Einladung zum Vorstellungsgespräch.
Ziel und Zweck der anonymen Bewerbung
Bis heute gibt es eine Diskriminierung in der Bewerbung: Junge Frauen werden schwanger, ältere Arbeitnehmer sind weniger leistungsfähig, Kandidaten mit Migrationshintergrund weniger qualifiziert – all das sind Vorurteile und selten wahr. Trotzdem werden solche Bewerber häufig aussortiert, teils auch unbewusst und ohne böse Absicht.
Die anonyme Bewerbung soll hierbei für mehr Chancengleichheit sorgen, indem im ersten Bewerbungsprozess nur Qualifikationen berücksichtigt und klassische Diskriminierungsgründe von vornherein ausgeschlossen werden. In Deutschland hat sich die anonyme Bewerbung jedoch bislang kaum durchgesetzt. In den USA, England und Kanada sind anonyme Bewerbungen hingegen schon seit den Sechzigerjahren Standard (siehe: Bewerben im Ausland).
Welche Angaben gehören nicht in die anonyme Bewerbung?
Um zu verhindern, dass es zu einer Diskriminierung, etwa aufgrund eines ausländisch klingenden Namens oder des Alters kommt, sind folgende Angaben bei der anonymen Bewerbung zwingend ausgeschlossen:
Angaben zu |
Rückschlüsse auf |
| Vor- und Nachname | Geschlecht |
| Geburtsdatum | Alter |
| Anschrift | Herkunft |
| Staatsangehörigkeit | Herkunft |
| Konfession | Herkunft |
| Familienstand | Alter |
| Bewerbungsfoto | Alter, Geschlecht, Herkunft |
| Jahreszahlen, Zeiträume im Lebenslauf | Alter |
Angegeben werden damit praktisch nur noch Kontaktdaten wie Telefon- oder Handynummer sowie eine seriöse E-Mail-Adresse, damit man die Kandidaten bei Interesse zum Vorstellungsgespräch einladen kann. Auch diese Daten dürfen natürlich keinerlei Rückschlüsse auf den Bewerber zulassen!
Brauche ich ein Deckblatt für die anonyme Bewerbung?
Kurze Antwort: Nein. Die anonyme Bewerbung hat grundsätzlich kein Deckblatt, weil auf dem Bewerbungsdeckblatt vor allem personenbezogene Daten und das Bewerbungsfoto enthalten sind, die eine mögliche Diskriminierung ermöglichen. Es wird daher nie verwendet.
Anonymisierte Bewerbung vs. klassische Bewerbung – Unterschiede
Eine anonymisierte Bewerbung kann ebenfalls Bewerbungsschreiben, Lebenslauf sowie Anlagen wie Motivationsschreiben, Arbeitszeugnisse oder Zertifikate beinhalten. Allerdings müssen Sie hierbei auf einige Angaben verzichten oder diese schwärzen.
Wir gehen die einzelnen Dokumente, Besonderheiten und Unterschiede nun Schritt für Schritt durch…
Angaben im Bewerbungsanschreiben
Im Anschreiben müssen Sie vor allem auf den Briefkopf und Schlussteil achten. Hierbei gibt es die größten Unterschiede. Ansonsten ist der Bewerbung Aufbau mit dem der klassischen Bewerbung identisch.
Element |
Anonyme Bewerbung |
| Name & Absender-Adresse | Entfällt |
| Empfängeranschrift | Enthalten |
| Ort, Datum | Nur Datum |
| Betreff | Enthalten |
| Anrede | Enthalten |
| Inhalt (Einleitung, Hauptteil, Schluss) | Keine Jahreszahlen |
| Grußformel | Enthalten |
| Unterschrift | Entfällt |
Angaben im Lebenslauf
Zwar ist der anonymisierte ebenfalls tabellarisch und antichronnologisch aufgebaut, ebenso enthält er die typischen Abschnitte. Jedoch dürfen in der Struktur keine persönliche Daten oder Zeiträume genannt werden. Im Detail:
Element |
Anonyme Bewerbung |
| Titel „Lebenslauf“ | Ohne Name |
| Kurzprofil | Ja, ohne Rückschlüsse |
| Berufserfahrung | Ohne Zeiträume, Orte |
| Bildungsweg | Ohne Zeiträume, Orte |
| Besondere Kenntnisse | Ja, ohne Rückschlüsse |
| Interessen & Hobbys | Entfallen |
| Ort, Datum | Nur Datum |
| Unterschrift | Entfällt |
Anlagen zur anonymen Bewerbung
Bei den Anlagen zur Bewerbung wird es tricky, da Sie viele davon nicht selbst gestalten können. Teilweise werden Sie aus dem Grund bereits vollständig weggelassen. Sollten Sie dennoch verlangt werden oder sinnvoll sein, orientieren Sie sich bitte an diesen Empfehlungen:
-
Motivationsschreiben
Im Motivationsschreiben müssen Sie ebenfalls alle persönlichen Angaben, Jahreszahlen, Ihren Wohnort sowie die Unterschrift weglassen. Inhaltlich kann die sog. Dritte Seite aber zum Beispiel bei der Bewerbung für ein Auslandssemester oder bei der internen Bewerbung sinnvoll sein. Es wird übrigens immer in Ich-Form formuliert.
-
Zeugnisse und Zertifikate
Zeugnisse, Urkunden und Zertifikate sollen die Qualifikationen im Lebenslauf bestätigen und belegen. Grundsätzlich dürfen Sie diese Dokumente nicht verändern. Bei der anonymen Bewerbung dürfen und müssen Sie jedoch alle Angaben schwärzen, die Rückschlüsse auf Ihr Alter, Geschlecht oder Herkunft zulassen.
Vor- und Nachteile der anonymen Bewerbung
Wie alle Personalauswahlverfahren hat auch die anonyme Bewerbung spezifische Vor- und Nachteile. Ganz ausschließen lassen sich subjektive Entscheidungen auch dadurch nicht.
Vorteile
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Chancengleichheit
Bewerber, die sonst gegen typische Vorurteile kämpfen, haben die Chance durch ihre Qualifikationen zu überzeugen.
-
Effizienz
Durch das standardisierte Verfahren, erhalten Personalverantwortliche nur relevante Informationen. Die Sichtung aller Profile wird schneller und einfacher.
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Vergleichbarkeit
Schlüsselqualifikationen sind sofort ersichtlich und können leichter miteinander verglichen werden.
-
Vielfalt
Weil personenbezogene Daten wegfallen, können Bewerber gewonnen werden, die sonst durchs subjektive Raster fallen würden.
Nachteile
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Berufsanfänger
Für Bewerber mit wenig Berufserfahrung ist das Verfahren ungeeignet, weil sie noch nicht über genügend Qualifikationen verfügen, um sich von anderen abzuheben.
-
Aufschub
Kritiker bemängeln, dass sich die Diskriminierung bei der anonymen Bewerbung nur auf das Vorstellungsgespräch verlagert. Nur weil man eingeladen wird, bekommt man den Job nicht automatisch.
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Bürokratie
Der bürokratische Aufwand für smarte Online-Formulare und eine entsprechende Stellenausschreibung ist größer, als bei einem normalen Bewerbungsprozess.
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Individualität
Der individuelle Berufsweg und die persönlichen Umstände finden keine Beachtung. Laut Kritikern und Experten sind das vor allem für Quereinsteiger neue Hürden, weil deren Lebenslauf per Definition nicht passt.
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Spezifische Stellen
Das Verfahren eignet sich nicht für jede Stelle. Bei der Besetzung von Führungspositionen und kreativen Berufen führt die Anonymität der Kandidaten eher zu einer falschen Vorauswahl.
Erfahrungen mit der anonymen Bewerbung
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat bereits 2010 ein Pilotprojekt für die anonyme Bewerbung durchgeführt. Acht Arbeitgeber (darunter Telekom, Procter & Gamble, die Post und das Bundesfamilienministerium) haben ein Jahr das anonymisierte Bewerbungsverfahren angewendet.
Ergebnis des Pilotprojekts: Insbesondere die Chancen von Frauen und Migranten haben sich durch das Verfahren verbessert. Kritik gab es jedoch daran, dass es keine Vergleichsgruppe gab und im Abschlussbericht konkrete Daten und Zahlen fehlten. Auch die Unternehmen waren nicht vollends überzeugt von der anonymen Bewerbung: Die Hälfte hat sich im Anschluss entschieden, die anonyme Bewerbung nicht weiter zu nutzen.
Was sagen Arbeitgeber und Bewerber zur anonymen Bewerbung?
Insgesamt ist die Mehrheit der Arbeitgeber skeptisch, was den Erfolg eines anonymen Bewerbungsverfahrens angeht. Ein Kandidat ohne persönliche Eigenschaften sei schwierig einzuschätzen. Viele Personaler haben das Gefühl, die Katze im Sack zu kaufen – oder zumindest einzuladen. Erfahrene Personalverantwortliche besitzen zudem große Menschenkenntnis und Erfahrungen und wollen Bewerber so gut wie möglich kennenlernen.
Auch Bewerber halten das anonyme Bewerbungsverfahren für gewöhnungsbedürftig. Grundsätzlich abgeneigt sind sie aber nicht: Jobsuchende, die bisher keinen Erfolg hatten, sehen in der anonymen Bewerbung eine neue Chance.
Ist die anonyme Bewerbung sinnvoll?
Bisher konnte sich die anonyme Bewerbung nicht durchsetzen. Die Mehrheit der Unternehmen setzt weiterhin auf klassische Bewerbungsarten. Zwar sind Idee und Ziel der anonymisierten Bewerbung sinnvoll – sie scheitert aber oft an der praktischen Umsetzung.
Ob die Chancengleichheit dadurch wirklich gesteigert werden kann, bleibt fraglich. Spätestens im persönlichen Gespräch wird die Entscheidung von Vorurteilen wieder beeinflusst. Oder hart ausgedrückt: Wer diskriminieren will, tut das dadurch auch weiterhin.
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