Was ist eine krankheitsbedingte Kündigung?
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine Form der personenbedingten Kündigung. Bedeutet: Der Arbeitnehmer hat sich nicht falsch verhalten. Vielmehr liegt der Kündigungsgrund in seiner Person selbst. Bei der Kündigung wegen Krankheit ist das der Fall, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise wegen eines schweren Unfalls (z.B. Amputation), einem chronischen Leiden (Bandscheibenvorfall) oder häufigen Erkrankungen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen.
Wegen einer Erkältung oder Grippe kann niemand gefeuert werden. Auch wer sich ein Bein bricht, hat nichts zu befürchten. Selbst wenn er oder sie deswegen länger ausfällt. Damit die Kündigungen wegen Krankheit zulässig ist, muss es sich um eine andauernde Arbeitsunfähigkeit handeln. Allerdings sind laut Bundesarbeitsgericht auch Entlassungen aufgrund häufiger Kurzerkrankungen in den vergangenen drei Jahren möglich.
Wann darf Arbeitgeber wegen Krankheit kündigen?
Die krankheitsbedingte Kündigung zählt zu den ordentlichen Kündigungen. Heißt: Fällt das Arbeitsverhältnis unter den Kündigungsschutz, muss der Arbeitgeber gesetzliche (und vertragliche) Kündigungsfristen einhalten und einen zulässigen Kündigungsgrund nennen und nachweisen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.
Damit das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist, muss der Betrieb regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigen und der Mitarbeiter länger als sechs Monate beschäftigt sein (sogenannte „Wartezeit“).
Der Kündigung wegen Krankheit muss übrigens keine Abmahnung vorausgehen. Die ist als Warnsignal gedacht, damit der Mitarbeiter sein Verhalten ändern kann. Das ist bei einer schweren Erkrankung nicht möglich, weshalb der Arbeitgeber zuvor auch nicht abmahnen muss.
Voraussetzungen für Kündigung wegen Krankheit
Die gesetzlichen Hürden für eine Kündigung wegen Krankheit liegen in Deutschland hoch. Der Arbeitgeber darf krankheitsbedingt nur kündigen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Liegt nur eine davon nicht vor, ist unzulässig oder kann diese vor dem Arbeitsgericht nicht glaubwürdig belegt werden, ist die Kündigung insgesamt unwirksam. Die Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung verläuft daher immer nach folgendem Schema:
1. Negative Prognose
Entscheidendes Kriterium für eine krankheitsbedingte Kündigung ist die sogenannte Negativprognose. Bedeutet: Die Beeinträchtigung der Arbeitsleistung ist nicht nur vorübergehend. Vielmehr ist auch in Zukunft keine (gesundheitliche) Besserung zu erwarten. Der Mitarbeiter ist also aufgrund der Krankheit nicht in der Lage, seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen. Arbeitnehmer können aber versuchen, die negative Prognose zu widerlegen, indem sie zum Beispiel den Arzt von der Schweigepflicht entbinden.
2. Interessenbeeinträchtigung
Die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers müssen durch den Ausfall des Mitarbeiters „erheblich“ beeinträchtigt sein. Eine solche Interessenbeeinträchtigung kann zum Beispiel gegeben sein, wenn der Betriebsablauf massiv gestört wird, weil die fehlende Leistung nicht ausgeglichen werden kann. Etwa bei Fachspezialisten. Auch wenn dem Unternehmen deutliche finanzielle Belastungen entstehen, kann das die wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigen.
3. Verhältnismäßigkeit
Grundsätzlich ist die Kündigung das letzte Mittel – die „ultima ratio“. Der Arbeitgeber muss deshalb zuvor prüfen, ob es nicht auch „mildere Mittel“ und die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung gibt. Zum Beispiel eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, der den körperlichen Möglichkeiten entspricht oder eine Weiterbildung und Umschulung. Erst wenn alle milderen Mittel ausgeschlossen werden können, kann die personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
4. Interessenabwägung
Bei der krankheitsbedingten Kündigung muss das Interesse des Arbeitgebers an der Entlassung das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung überwiegen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Kosten für eine (behindertengerechte) Umrüstung des Arbeitsplatzes unwirtschaftlich sind oder der Ausfall zu lange dauert. Kurz: Es darf dem Arbeitgeber nicht zuzumuten sein, den Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Allerdings sind dabei auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers sowie soziale Härten (Kinder, Unterhaltspflichten) zu beachten. Die Beweislast liegt hier beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer kann umgekehrt eigene Vorschläge einbringen, muss im Zweifelsfall aber eine schlechtere Position akzeptieren (siehe: Änderungskündigung).
Beispiele für zulässige krankheitsbedingte Kündigungen
Jede Erkrankung ist anders, verläuft anders, endet anders. Das muss auch bei der Kündigung wegen Krankheit berücksichtigt werden. Vor dem Arbeitsgericht landen meist vier Fallgruppen:
- Häufige Kurzerkrankungen
Wer ständig (wenn auch nur kurz) fehlt, ist durch die Lohnfortzahlung für Unternehmen teuer. Das bringt Chaos in den Betriebsablauf. Es gibt zwar keinen Richtwert für die maximale Anzahl an Fehltagen. Oft wird nach Einzelfall entschieden. Als Faustformel hat sich aber durchgesetzt: Fehlt der Arbeitnehmer voraussichtlich 15 bis 20 Prozent der jährlichen Arbeitstage, ist von einer negativen Prognose auszugehen (BAG, Az. 2 AZR 755/13). - Erkrankung länger als 6 Wochen
Hierunter fallen langfristige Erkrankungen, die aber eine Chance auf vollständige Genesung haben. Auch wenn der Zeitpunkt der Genesung noch nicht absehbar ist. Hier wird der Arbeitgeber nach sechs Wochen finanziell durch die Krankenkasse entlastet. Krankheitsbedingte Kündigungen sind in diesem Szenario daher eher die Ausnahme. - Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit
Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit ist der Hauptgrund für eine krankheitsbedingte Kündigung. Wer seinen Job – etwa wegen eines Arbeitsunfalls – nicht mehr ausüben kann, dem bleibt maximal ein anderer Arbeitsplatz im Unternehmen. Gibt es den nicht, droht die Kündigung. Die Genesung ist schließlich ausgeschlossen. - Krankheitsbedingte Minderleistung
Verringert sich die Arbeitsleistung des Mitarbeiters aufgrund der Krankheit dauerhaft um mindestens ein Drittel, ist eine krankheitsbedingte Kündigung möglich. Allerdings muss dazu bei der Interessenabwägung eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Job unmöglich sein.
Sonderfälle
- Alkoholabhängigkeit
Alkoholabhängigkeit ist zwar eine Krankheit. Oft aber heilbar. Für die krankheitsbedingte Kündigung ist daher entscheidend, ob die Prognose einer Therapie positiv und der Arbeitnehmer dazu bereit ist. Lehnt der die Therapie ab, kann er krankheitsbedingt entlassen werden. - Fettleibigkeit
Ein Garten- und Kanalbaubetrieb kündigte seinem Mitarbeiter wegen Übergewichts. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied: Der Mann darf vorerst weiterarbeiten. Allerdings muss er sich ernsthaft bemühen abzunehmen und die Firma darüber informieren. Ein wichtiger Faktor war, dass der Mann zuvor (vergeblich) versucht hatte, in einem Adipositaszentrum Gewicht zu verlieren. - HIV
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass HIV als Behinderung anzusehen sei. Zuvor hatte ihm sein Arbeitgeber, ein Arzneimittelhersteller, während der Probezeit gekündigt. Begründung: Es gebe Infektionsgefahren von unbemerkten Schnitt- und Stichverletzungen. Das BAG aber stufte die Kündigung als diskriminierend ein – Kündigung unwirksam.
Wann ist die Kündigung wegen Krankheit unwirksam?
Die krankheitsbedingte Kündigung hebelt den Kündigungsschutz nicht vollständig aus. Bestimmte Personengruppen und Bedingungen müssen auch weiterhin berücksichtigt werden:
- Betriebsrat
Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, muss dieser laut § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ebenfalls vor der Kündigung unterrichtet und angehört werden. Er kann binnen drei Tagen – schriftlich – Bedenken gegen die Kündigung aussprechen. Wird der Betriebsrat nicht umfassend über die geplante Kündigung und die Kündigungsgründe informiert, ist die Kündigung wegen Krankheit unwirksam. Mitglieder des Betriebsrates können ohnehin nur mit dessen Zustimmung gekündigt werden (§ 103 BetrVG). - Eingliederung
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, nach längerer Fehlzeit eine Wiedereingliederung für den vormals Erkrankten vorzunehmen (siehe: Hamburger Modell). Tut er das nicht, kann das eine Kündigung wegen Krankheit laut LAG Düsseldorf unwirksam machen. - Mutterschutz
Gemäß § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) darf einer Schwangeren nicht gekündigt werden. - Elternzeit
Arbeitnehmer in Elternzeit genießen besonderen Kündigungsschutz (§ 18 BEEG). Er beginnt mit dem Antrag auf Erziehungsurlaub, spätestens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit. - Schwerbehinderung
Schwerbehinderte Mitarbeiter dürfen nur mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden (§ 174 SGB IX). Zudem muss die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden. Das Landesarbeitsgericht Berlin entschied, dass selbst längere Fehlzeiten die krankheitsbedingte Kündigung eines Schwerbehinderten nur unter strengen Bedingungen zulassen.
Kündigungsfristen bei krankheitsbedingter Kündigung
Bei der Kündigung wegen Krankheit gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Zudem können längere Fristen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart sein. Nach § 622 BGB Abs. 2 verlängern sich die gesetzlichen Fristen mit der Dauer der Beschäftigung des Mitarbeiters. Die maximale Kündigungsfrist für Arbeitgeber beträgt sieben Monate (nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit):
Krankheitsbedingte Kündigung während der Probezeit?
Während der Probezeit besteht kein Kündigungsschutz. Der greift erst nach sechs Monaten (Wartezeit) – selbst wenn die Probezeit kürzer dauern sollte. In diesen sechs Monaten können beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – ohne Angabe von Gründen und binnen zwei Wochen kündigen. Ob die Kündigung krankheitsbedingt war, muss der Arbeitgeber also gar nicht angeben. Der Anlass – etwa häufiges Krankmelden – ist auch unerheblich.
Kündigung wegen Krankheit erhalten: Wie reagieren?
Jede Kündigung ist zunächst ein Schock. Erst recht, wenn Sie zuvor angenommen haben, die Krankheit würde Sie vor einer Kündigung schützen. Trotzdem müssen Sie den Rausschmiss nicht akzeptieren und können sich sogar dagegen wehren. So reagieren Sie richtig:
- Prüfung
Prüfen Sie zunächst, ob das Kündigungsschreiben formal korrekt ist. Eine Kündigung muss IMMER schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift durch einen Berechtigten erfolgen. Andernfalls ist sie unwirksam. - Dokumentation
Sammeln Sie alle Dokumente, die mit Ihrer Erkrankung zutun haben. Diese können wichtige Beweise enthalten. Unterlagen, die Sie vom Arzt oder im Krankenhaus erhalten, sollten Sie aufheben und abheften. - Kündigungsschutzklage
Haben Sie Zweifel an der Zulässigkeit, können Sie beim Arbeitgericht eine Kündigungsschutzklage einreichen. Da die Voraussetzungen und Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung hoch sind, stehen Ihre Chancen nicht schlecht, dass das Gericht die Kündigung kippt. Idealerweise lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten und unterstützen. - Fristen
Nach § 4 Satz 1 KSchG muss die Klage innerhalb einer Frist von drei Wochen erhoben werden. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam – sogar wenn sie das zuvor formal nicht war (§ 7 KSchG). Damit verspielen Sie womöglich Chancen auf eine Abfindung. - Rechtsschutzversicherung
Gerichtliche Verfahren können teuer sein. Eine Rechtsschutzversicherung kann Sie finanziell – im Falle einer Kündigungsschutzklage – abfedern. Diese können Sie aber nicht mehr kurzfristig abschließen. Daher: Schon jetzt daran denken! - Zielsetzung
Nicht immer ist die beste Lösung, den Job zu behalten. Die Beziehung zum Arbeitgeber wird durch eine Klage nicht besser. Manchmal kann es zielführender sein, einen Vergleich oder Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungszahlung anzustreben.
Habe ich Anspruch auf eine Abfindung?
Bei einer Kündigung hoffen viele Arbeitnehmer auf eine Abfindung, um die finanziellen Folgen des Jobverlusts zu verringern. Dabei handelt es sich aber um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht nicht. Allenfalls bei einer betriebsbedingten Kündigung oder einer entsprechenden Betriebsvereinbarung bestehen Chancen. Ansonsten bleibt die Abfindung reine Verhandlungssache.
Was passiert mit dem Arbeitslosengeld?
Wer personenbedingt oder krankheitsbedingt gekündigt wird, muss in der Regel keine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld befürchten. Die bis zu 3-monatige ALG-Sperre ist nach § 159 SGB III nur erlaubt, wenn sich sich der Arbeitnehmer „versicherungswidrig“ verhält. Bei der Kündigung wegen Krankheit ist dem Mitarbeiter aber in der Regel kein Verschulden vorzuwerfen.
Umso wichtiger ist, dass Sie sich sofort nach Erhalt der Kündigung bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden. Nur so sichern Sie rechtzeitig den vollen Anspruch auf das Arbeitslosengeld und riskieren keine Leistungskürzungen.
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