Definition: Was ist der Overconfidence-Effekt?
Der Overconfidence-Effekt (auch: Overconfidence-Bias) besagt, dass die meisten Menschen davon ausgehen, mehr zu wissen und mehr zu können, als es tatsächlich der Fall ist. Wir überschätzen unsere Fähigkeiten, unsere Intelligenz und unsere Kompetenz in allen Lebenslagen.
Das psychologische Phänomen wurde von den Ökonomie-Nobelpreisträgern Daniel Kahneman und Amos Tversky erforscht und Overconfidence-Effekt genannt. Der Effekt beschreibt das übermäßige Selbstvertrauen bis zur völligen Selbstüberschätzung, wenn es um das eigene Können geht (siehe auch: Better-than-average-Effekt).
Beispiele für den Overconfidence-Effekt
Die erste Reaktion vieler Menschen: „Mich betrifft das nicht! – In dem Fall lautet die Antwort erst recht und mit großer Wahrscheinlichkeit: „Doch, auch Sie fallen auf den Overconfidence-Effekt herein!“ Wie allgegenwärtig der psychologische Mechanismus ist, zeigen diese Beispiele:
- Autofahren
Der Klassiker: Fast jeder hält sich selbst für einen guten Autofahrer. In Umfragen geben beispielsweise 80 Prozent der Teilnehmer an, dass sie sich selbst zu den besten 30 Prozent der Autofahrer auf den Straßen zählen. Das funktioniert schon mathematisch nicht – zeigt aber deutlich, wie overconfident die meisten dabei sind. - Leistung
Ohne die eigene Leistung läuft im Team nichts und im Vergleich zu den Kollegen macht man es doch immer ein bisschen besser. Gerade im Job ist der Overconfidence-Effekt ein ständiger Begleiter. Eine Studie zeigte: Teilnehmer glaubten, sie bräuchten im Schnitt 34 Tage für ein Projekt – in Wahrheit waren es aber durchschnittlich 56. Typische Selbstüberschätzung eigener Fähigkeiten. - Entscheidungen
Gerade in Führungspositionen halten Betroffene die eigenen Entscheidungen für absolut treffsicher. Es wird kaum berücksichtigt, dass man sich auch irren könnte. - Partnerschaft
Sogar in Partnerschaften leiden viele am Overconfidence-Effekt. Man sieht sich selbst als überdurchschnittlich guten Partner und natürlich leidenschaftlichen Liebhaber. Dieses Urteil fällen wir, obwohl wir keinerlei Informationen darüber haben, wie es in anderen Beziehungen zugeht. - Wissen
Die Teilnehmer in Quizshows scheinen alle keine Ahnung zu haben? So geht es den meisten Menschen vor dem Fernseher. Man selbst wüsste natürlich jede Antwort und ist sich stets zu 100 Prozent sicher. Gerne halten wir uns für intelligenter als den Durchschnitt.
So schädlich ist der Overconfidence-Effekt
Keine Frage, ein gesundes Selbstbewusstsein schadet nicht. Wer aber zu stark an sich und seine Fähigkeiten glaubt, schadet sich enorm:
- Hybris
Die direkte Folge ist Selbstüberschätzung. Weil Betroffene so sehr von sich überzeugt sind, trauen sie sich einfach alles zu – oftmals zu viel. Sie machen Dinge, mit denen Sie heillos überfordert sind. Im Job werden beispielsweise Projekte übernommen, für die schlicht die Kompetenzen fehlen. - Arroganz
Übersteigertes Selbstbewusstsein wirkt auf andere schnell arrogant. Es ist überheblich, sich selbst bei allem für besser zu halten. Natürlich kann es Dinge geben, in denen Sie wirklich besser als andere sind. Doch die Überzeugung, überall überdurchschnittlich zu sein, macht nicht gerade sympathisch. Bescheiden ist sie auch nicht. - Risiko
Durch den Overconfidence-Effekt gehen Sie größere Risiken ein, weil Sie glauben, die Situation unter Kontrolle zu haben. So wird beispielsweise bei Investitionen viel Geld angelegt, weil man glaubt, sich auszukennen. Bis das Geld weg ist, weil man eigentlich keine Ahnung hatte.
Overconfidence-Effekt ist stärker bei komplexen Aufgaben
Bei einfachen Aufgaben hält sich der Übermut meist noch in Grenzen. Aber: Je komplexer die Aufgabe, desto größer der Overconfidence-Effekt. Das gilt für Führungskräfte besonders. Mathew Hayward und Donald Hambrick von der Columbia-Universität zeigten in einer Studie: Läuft es im Unternehmen gut, führt der CEO das auf die eigenen Leistungen zurück – auch wenn er selbst gar nichts damit zu tun hatte.
So fühlen Manager sich sogar noch bestätigt und werden immer übermütiger. Bis sie irgendwann eine folgenschwere Fehlentscheidung treffen, die dem Unternehmen viel Geld und Mitarbeitern den Arbeitsplatz kostet.
Overconfidence-Effekt: Selbst ein Affe investiert besser
Beim Thema Finanzen und Investment spielt der Overconfidence-Effekt eine große Rolle. Ob Profi oder Börsenneuling: Zu viele Menschen glauben, beim Investieren die besten Entscheidungen zu treffen und damit große Gewinne zu erzielen. Im Gegenzug stellte der Ökonomie-Professor Burton Malkiel an der Princeton-Universität bereits in den 1970er Jahren die These auf: Es sei besser, einem Affen die Augen zu verbinden und ihn mit Dartpfeilen auf Aktientitel werfen zu lassen, als einem Investmentprofi zu vertrauen.
Genau dieses Experiment machte die Chicago Sun Times. Ein Weißstirn-Kapuzineraffe namens Adam Monk bekam ein Stift und den Kursteil einer Zeitung. Zufällig kritzelte er fünf Aktien an – nach 12 Monaten hatte der Affe mit diesen Werten den Markt um 37 Prozent geschlagen. Bei einer Wiederholung im zweiten Jahr lag er 36 Prozent über vergleichbaren Indizes. Im dritten Jahr kriselte die Auswahl etwas – schlug die Indizes aber immer noch um 3 Prozent.
Tipps gegen den Overconfidence-Effekt
Es ist nicht leicht, dem Overconfidence-Effekt zu entkommen. Er ist eng verbunden mit dem eigenen Selbstwert und schützt uns vor unangenehmen Selbstzweifeln. Schließlich ist es ebenso schädlich, wenn Sie sich selbst gar nichts zutrauen und sich für zu schlecht halten. Völlig ausgeliefert sind Sie dem Overconfidence-Effekt aber nicht. Diese Tipps helfen:
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Sammeln Sie echte Fakten
Gehen Sie nicht einfach davon aus, im Job oder auch anderen Bereichen überdurchschnittlich zu sein. Sammeln Sie stattdessen echte und belastbare Fakten, die Ihre Einschätzung entweder bestätigen oder widerlegen. Im Job können Sie beispielsweise ein Mitarbeitergespräch mit dem Chef führen und Feedback einholen. Für andere Bereiche können Sie offizielle Statistiken oder Informationen anschauen. Das kann Sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
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Setzen Sie sich Kritik aus
Die meisten Menschen meiden Widerspruch. Doch Kritik muss nichts Schlechtes sein – im Gegenteil: Ein bisschen Gegenwind kann den Overconfidence-Effekt verhindern oder zumindest abschwächen. Durch die Kritik von außen wird Ihr Hochmut gebremst, und Sie müssen sich der Realität stellen. Dabei kann es schon ausreichen, wenn Sie diskutieren und sich rechtfertigen müssen.
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Hinterfragen Sie sich selbst
Manchmal muss die Kritik auch von Ihnen selbst kommen. Hinterfragen Sie sich und Ihre eigenen Fähigkeiten kritisch und vergleichen Sie diese möglichst objektiv. Sind Sie wirklich so gut, wie Sie sich immer einreden? Es ist nicht leicht, das positive Selbstbild zu analysieren, doch es kann die Selbstüberschätzung enttarnen.
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