Chamäleon-Effekt: Die enorme Macht der Spiegeltechnik

Manche Menschen sind ihrem Gegenüber auf Anhieb sympathisch. Alle anderen haben entweder Pech, Mundgeruch – oder müssen dem Glück nachhelfen mit der sogenannten Spiegeltechnik, auch bekannt als „Chamäleon-Effekt“. Den kennen Sie vielleicht noch nicht, haben aber dessen Wirkung schon oft im Alltag beobachtet: zum Beispiel bei verliebten Paaren im Restaurant, bei befreundeten Kollegen in der Kantine oder neuen Bekanntschaften auf einer Messe…

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Definition: Was ist die Spiegeltechnik?

Der Chamäleon-Effekt beschreibt in der Psychologie, dass sich Körpersprache, Verhalten und Worte bei Menschen, die sich sympathisch sind, automatisch und unbewusst synchronisieren. Die Anpassung erhöht das persönliche Wohlbefinden und hilft bei der Integration in eine Gruppe.

Bestes Beispiel sind frisch Verliebte: Sie fährt sich mit der Hand durch die Haare, kurz darauf wischt er sich eine Strähne aus der Stirn. Er schlägt die Beine übereinander, wenig später macht sie das ebenfalls. Er verwendet häufig das Wort „faszinierend“, jetzt baut sie es ebenfalls in ihre Sätze ein…

Die Spiegeltechnik wiederum nutzt den Chamäleon-Effekt bewusst und gezielt: Indem das Verhalten des Gesprächspartners und Gegenüber subtil imitiert wird, werden Vertrauen und Sympathie suggeriert. In der Fachsprache wird dabei auch vom „Mirroring“ gesprochen.

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Wie funktioniert die Mirroring Psychologie?

Laut Studien der Psychologen Tanya Chartrand und John Bargh wirken dabei Mikrogesten besonders stark – zum Beispiel Lächeln, Nasekratzen, Gähnen, einen Schluck trinken. Diese Gesten seien ungeheuer ansteckend.

Als sich die Probanden zum ersten Mal begegneten, ahmten sie Berührungen im Gesicht zu 20 Prozent nach, das Übereinanderschlagen von Beinen wurde gar in 50 Prozent der Fälle imitiert. Allerdings nur, wenn sich zwei Menschen auf Anhieb mögen und verstehen. Das bestätigen auch Studien des niederländischen Psychologen Rick van Baaren von der Universität Nijmegen.

Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie

Dahinter steckt das menschliche Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie. Gleichzeitig übernimmt das Verhaltensmimikry eine wichtige zwischenmenschliche Aufgabe: Es bildet eine Art sozialen Klebstoff. Die Psychologie unterscheidet hierbei drei Verhaltensweisen:

  1. Matching

    Die Körpersprache des Partners wird analysiert und zunächst nur zu maximal 50 Prozent durch das eigene Verhalten reflektiert.

  2. Pacing

    In der zweiten Stufe werden Körpersprache, Gestik, Mimik, Sprache zunehmend synchronisiert.

  3. Rapport

    In der höchsten Stufe besteht zwischen den Beteiligten nahezu vollständige Symmetrie: Beide Partner nehmen jedes Mal durch ihr Verhalten auf einander Bezug.

Gesteuert wird das Verhalten über sogenannte Spiegelneuronen. Dabei handelt es sich um spezielle Nervenzellen im prämotorischen Cortex (Frontallappen) des Gehirns, der dafür sorgt, dass wir das Verhalten anderer Menschen verstehen.

Spiegelneuronen sind dafür verantwortlich, dass wir durch Beobachtung und Imitation Mitgefühl entwickeln. Viele Wissenschaftler halten Spiegelneuronen entscheidend dafür, dass wir Empathie empfinden. Damit wäre diese Voraussetzung für den Chamäleon-Effekt und das erfolgreiche Anwenden der Spiegeltechnik.

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Das synchrone Verhalten – Matching, Pacing und Rapport – bildet damit gleichfalls einen Spiegel, an dem Sie ablesen können, wie harmonisch eine Beziehung oder ein Gespräch tatsächlich ist. Die Sprachforscherin Patti Adank von der Universität Manchester konnte überdies zeigen: Wer den Dialekt seines Gegenübers nachahmt, versteht die Person besser. Das Sprachmimikri steigert somit das Einfühlungsvermögen.

Spiegeltechnik nutzt vor allem das Pacing

Gerade beim Pacen kann man sich seinem Gegenüber auf ebenso respektvolle wie subtile Art in der Kommunikation anpassen. Beispiele:

  • Körperhaltung:
    Bewegung, Gestik, Mimik
  • Stimme:
    Tonfall, Lautstärke, Geschwindigkeit, Stimmhöhe und Sprachmelodie
  • Inhalt:
    Lieblingsworte, sprachliche Besonderheiten, Fachbegriffe
  • Nonverbale Kommunikation:
    Atemfrequenz, Atemtiefe, Husten, Räuspern, Gähnen
  • Stimmung:
    Fröhlichkeit, Nachdenklichkeit, Steifheit

Wahre Könner essen oder trinken im gleichen Rhythmus, übernehmen für die Dauer des Gesprächs die Werte und Glaubenssätze des Gesprächspartners und pacen sogar deren Lidschlag.


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Wie kann ich Chamäleon-Effekt und Spiegeltechnik nutzen?

Mithilfe der Spiegeltechnik lässt sich die emotionale Distanz zwischen Personen verringen, ebenso Aggressionen abbauen. Allerdings besteht dabei stets die Gefahr, dass sich der oder die andere manipuliert fühlt. Übertriebene Anbiederei, Schleimen oder allzu offensichtliches Imitieren bringen nichts, im Gegenteil: Wird das Nachäffen erkannt, schlägt der Chamäleon-Effekt in Antipathie um.

Die Spiegeltechnik muss man lernen und behutsam einsetzen. Experten warnen gar davor, das Spiegeln in der Psychologie einzusetzen, solange der Gesprächspartner noch Zweifel hat oder gar feindselig eingestellt ist. „Die Imitation kann die Ablehnung dann eher noch verstärken“, sagt die Psychologin Katja Likowski von der Universität Würzburg.

Powertechnik für Verhandlung und Verkauf

Damit das Mimikry Erfolg hat, muss das Spiegeln äußerst subtil erfolgen und Sie sollten dabei so authentisch wie möglich bleiben. Lassen Sie sich und Ihrem Gegenüber Zeit und prüfen Sie, ob dessen Bewegungen auch den Ihren folgen. Erst dann haben Sie den Gesprächspartner „geknackt“.

Nutzen lässt sich die Spiegeltechnik dagegen in zahlreichen Situationen – beruflich und privat: Im Vorstellungsgespräch genauso wie in der Verhandlung oder im Verkauf, beim Geschäftsessen oder eben beim Flirten.

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Grenzen der Spiegeltechnik: Bitte kein Papagei!

Das Plumpe Anwenden der Spiegeltechnik ist gefährlich. Laut Studien um den Psychologen Piotr Winkielman von der Universität von Kalifornien in San Diego kann dies sogar die Reputation beschädigen. Oder wie Winkielman sagt: „Der Erfolg des Imitierens hängt stark vom Gegenüber ab.“ Die andere Person muss dafür aufgeschlossen und ein grundsätzlich offener Mensch sein.

Wer einen generell oder akut unfreundlichen Menschen spiegelt, werde meist als weniger kompetent eingestuft und kann die Ablehnung eher noch verstärken – selbst wenn Sie sich gerade körpersprachlich verbrüdern.

Üben Sie die Spiegeltechnik lieber zuerst ausführlich im Freundes- und Bekanntenkreis. Dazu müssen Sie die Freunde zunächst nicht einweihen. Beginnen Sie mit einer unverfänglichen Begegnung im Café oder bei einem Spaziergang. Beobachten Sie aufmerksam die Körpersprache des anderen und beginnen Sie damit, diese unauffällig zu übernehmen – zu spiegeln. Wenn Sie es schaffen, das Verhalten Ihres Partner unentdeckt zu synchronisieren und der sich in Ihrer Umgebung noch wohler fühlt als sonst, waren Sie erfolgreich.


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