Schlechtes Arbeitszeugnis: Bloß nicht akzeptieren!

Ein schlechtes Arbeitszeugnis erschwert die Jobsuche und reduziert die Bewerbungschancen deutlich. Offene Kritik ist darin zwar verboten, aber eine „ausreichende“ Beurteilung müssen Sie auch nicht akzeptieren. Woran Sie ein schlechtes Arbeitszeugnis erkennen und richtig darauf reagieren…

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Definition: Was ist ein schlechtes Arbeitszeugnis?

Ein schlechtes Arbeitszeugnis ist eine schriftliche Arbeitsbeurteilung, die Leistungen oder das Verhalten eines Arbeitnehmers negativ und unterdurchschnittlich bewertet.

Mitarbeiter haben Anspruch auf ein wahres und wohlwollendes Zeugnis. Negative Bewertungen werden deshalb durch subtile Formulierungen in der Zeugnissprache vermittelt. Ein schlechtes Arbeitszeugnis enthält Hinweise, dass ein Arbeitgeber unzufrieden war oder es Probleme im Sozialverhalten, der Teamarbeit oder Zuverlässigkeit gab.

Wie schlecht darf ein Arbeitszeugnis ausfallen?

Nach aktueller Rechtsprechung muss das Arbeitszeugnis mindestens der Note „befriedigend“ entsprechen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, 9 AZR 584/13). Schlechtere Zeugnisse hat der Arbeitgeber zu begründen.

Erst wenn Sie ein „gutes“ bis „sehr gutes“ Zeugnis haben möchten, dreht sich die Beweislast um: Hier müssen Sie als Arbeitnehmer beweisen, dass Ihre Leistungen diese Beurteilung rechtfertigen.

Schlechtes Arbeitszeugnis aus Rache

Endet ein Arbeitsverhältnis im Streit oder nach einem Konflikt, befürchten Arbeitnehmer ein schlechtes Arbeitszeugnis aus Rache. Unabhängig von den Rahmenbedingungen gilt: Der Chef muss Ihnen ein wohlwollend formuliertes Zeugnis ausstellen. Offene Kritik, negative Aussagen oder schädliche Behauptungen sind immer unzulässig! Fürchten Sie aus Rache eine negative Bewertung, können Sie das Zeugnis prüfen lassen. Experten analysieren die Formulierungen und sagen, ob es korrekt oder unzulässig ist.

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Woran erkenne ich ein schlechtes Arbeitszeugnis?

Schlechte Arbeitszeugnisse sind oft gut getarnt. Weil negative Arbeitszeugnis Formulierungen verboten sind, hat sich eine eigene Zeugnissprache entwickelt, in der die Kritik versteckt wird (sogenannte „Kassiber“). Diese Geheimcodes und versteckten Noten klingen zwar nett, bedeuten aber das genaue Gegenteil.

Für Laien ist das nicht immer auf Anhieb zu erkennen. Zur Sicherheit sollten Sie Ihr Zeugnis mithilfe von Profis oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen. Die geheimen Botschaften und Verstöße gegen den Zeugnisbrauch können Ihre Bewerbungschancen dramatisch reduzieren.

Schlechtes Arbeitszeugnis erkennen: Hinweise!

An den folgenden Merkmalen und Faktoren erkennen Sie ein schlechtes Arbeitszeugnis:

  • Zweideutige Formulierungen

    Erlaubt eine Formulierung mehrere Interpretationen, können Sie von versteckter Kritik ausgehen. Beispiel: „Sie erledigte alle Aufgaben ordnungsgemäß“ klingt nett, bedeutet aber im Klartext: „Sie machte nur, was man ihr sagte und zeigte keinerlei Initiative.“ Lesen Sie Ihr Zeugnis daher stets aufmerksam und dechiffrieren Sie die gängigen Zeugniscodes mithilfe unserer Code Tabellen (PDF).

  • Negative Formulierungen

    Hellhörig sollten Sie werden, wenn Sie im Zeugnis eine negative Formulierung finden, die durch ein „nicht“ oder „kein“ oder „nie“ scheinbar positiv klingt. Beispiel: „Seine Pünktlichkeit gab keinen Anlass zu Beanstandungen.“ Klingt lobend – ist es aber nicht! Falls es wirklich nie einen Anlass zu Beanstandungen gab, wäre es schlicht nicht erwähnenswert. So aber steht es da – und weckt bewusst schlafende Hunde.

  • Passive Formulierungen

    Von Talenten und Leistungsträgern wird Eigeninitiative erwartet. Passivformulierungen deuten das Gegenteil an: Hier handelte jemand nur auf Anweisung und war ansonsten genauso wie die Formulierungen: passiv und faul. Beispiele: „Herrn/Frau … wurden die Aufgaben … übertragen.“ Oder: „Er/Sie wurde für folgende Tätigkeiten eingesetzt: …“

  • Verdrehte Reihenfolge

    „Er/Sie pflegte ein tadelloses Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten.“ Klingt gut, der Chef gehört hierarchisch aber an die erste Stelle. Die verdrehte Reihenfolge ist ein Geheimcode für: „Er hatte Probleme mit Autoritäten.“ Gleiches gilt, wenn untergeordnete Aufgaben zuerst aufgelistet werden, die entscheidenden, höherwertigen Tätigkeiten aber erst am Schluss erscheinen.

  • Unvollständiger Inhalt

    Ein gutes Arbeitszeugnis umfasst alle wichtigen Tätigkeiten und auch Leistungen, die Sie während Ihrer Betriebszugehörigkeit erbracht haben: Leitung eines großen Projekts, Umsatzsteigerung, Einführung besserer Arbeitsprozesse… Fehlen relevante Leistungen, spricht das für ein schlechtes Arbeitszeugnis. Achten Sie auf eine entsprechende Tiefe der Leistungsbeschreibung.

  • Kurzer Text

    Nach langer Beschäftigung reicht es im Arbeitszeugnis nur für ein paar Sätze? Schon das sagt eine Menge über die Zusammenarbeit. Formale Grundlagen sind erfüllt, doch ein kurzes Arbeitszeugnis spricht Bände. Noch deutlicher ist es, wenn freiwillige Punkte wie Schlussformel und Zukunftswünsche fehlen.

  • Widersprüchliche Aussagen

    Ein weiteres Kennzeichen für ein schlechtes Arbeitszeugnis sind widersprüchliche Aussagen. Bescheinigt der Arbeitgeber beispielsweise ein sehr gutes Verhältnis zu den Kollegen, aber ein insgesamt mittelmäßiges Ergebnis, kann das darauf hindeuten, dass der Arbeitnehmer lieber geplaudert statt gearbeitet hat.

  • Grundsätzliche Fehler

    Falsche Angaben, Informationen, die im Arbeitszeugnis nicht enthalten sein sollten (z.B. Kündigungsgründe, Gewerkschaftstätigkeit, Krankheiten, Schwangerschaft oder Elternzeit) sowie Rechtschreibfehler sorgen ebenfalls für einen schlechten Gesamteindruck, der anderen Personalentscheidern negativ auffällt.

Haben Sie mehrere Indizien für ein schlechtes Zeugnis ausgemacht, sollten Sie aktiv werden und Nachbesserungen verlangen. Zur Kontrolle wenden Sie sich entweder an Spezialisten oder nutzen Sie zur ersten Prüfung unsere kostenlose Checkliste zum Arbeitszeugnis:

Checkliste zum Arbeitszeugnis

Die Punkte, die Ihr Arbeitszeugnis erfüllt, können Sie hier gleich online im Browser abhaken:

  • Gesamteindruck
    Wirkt das Zeugnis aussagekräftig und hochwertig?
  • Umfang
    Ist die Tätigkeitsbeschreibung detailliert mit allen wichtigen Aufgaben?
  • Erfolge
    Werden Projekte, vorbildliche Arbeitsweise und Erfolge lobend erwähnt?
  • Formulierungen
    Was steht zwischen den Zeilen? Gibt es negative Formulierungen?
  • Schlussformel
    Enthält das Zeugnis eine vollständige Schlussformel?
  • Unterschrift
    Sind Austrittsdatum und eine Unterschrift des Arbeitgebers vorhanden?
  • Formalia
    Ist das Zeugnis schriftlich und fehlerfrei auf Firmenpapier?
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Schlechtes Arbeitszeugnis erhalten: Was tun?

Ein schlechtes Arbeitszeugnis ist nicht nur ärgerlich. Es hat Auswirkungen auf Ihre weitere Karriere und erschwert die Jobsuche.

Deshalb sollten Sie ein schlechtes Arbeitszeugnis nicht einfach akzeptieren. Sie können Korrektur verlangen oder es gerichtlich anfechten. So gehen Sie dabei vor:

  1. Direkte Ansprache

    In vielen Fällen ist ein schlechtes Arbeitszeugnis kein böser Wille, sondern Unwissenheit. Ein klärendes Gespräch (samt Korrekturwünschen) führt oft schnell zum Ziel. Sprechen Sie den Chef oder die Personalabteilung direkt an. Nennen Sie konkret die negativen Formulierungen und machen Sie Vorschläge zur Verbesserung.

  2. Schriftlicher Widerspruch

    Reagiert der Arbeitgeber nicht, sollten Sie einen schriftlichen Widerspruch formulieren. Darin führen Sie exakt die Passagen auf, die Sie im schlechten Arbeitszeugnis anfechten wollen und schlagen erneut Alternativformulierungen vor. Setzen Sie dabei eine Korrekturfrist von 2 Wochen. Verstreicht die Frist, können Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einschalten, der das Arbeitszeugnis prüft und das Unternehmen erneut zur Korrektur auffordert.

  3. Gerichtliche Klage

    In letzter Instanz bleibt eine Zeugnisberechtigungsklage vor dem Arbeitsgericht. Wer vor Gericht in der Beweispflicht steht, hängt von der Note ab. Eine Note schlechter als 3 („befriedigend“) muss der Arbeitgeber belegen. Wollen Sie ein gutes oder sehr gutes Arbeitszeugnis, brauchen Sie Nachweise über Ihre Leistungen.

Haben Sie ein schlechtes Arbeitszeugnis erhalten und streben eine Korrektur an, dürfen Sie nicht zu lange warten. Spätestens 3 Wochen nach dem Erhalt sollten Sie ersten Widerspruch einlegen. Sind bereits 6 Monate oder mehr vergangen, kann Ihr Anspruch auf Korrektur verfallen.

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Schlechtes Arbeitszeugnis weglassen? Keine Option

Manche Bewerber kommen auf die Idee, das schlechte Arbeitszeugnis in der Bewerbung einfach wegzulassen. Keine gute Idee! Der gesetzliche Anspruch auf ein Arbeitszeugnis (§ 109 GewO) ist ein zweischneidiges Schwert: Er bedeutet auch, dass Sie bisherige berufliche Stationen mit einem Zeugnis belegen können und müssen. Arbeitgeber erwarten in der Bewerbung ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.

Fehlt das Zeugnis, wirft das Zweifel an Ihrer Eignung und Ehrlichkeit auf. Spätestens im Vorstellungsgespräch wird Sie der Personaler darauf ansprechen oder Sie bitten, das fehlende Zeugnis nachzureichen.

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Schlechtes Arbeitszeugnis: Umgang im Vorstellungsgespräch

Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen: Personaler überblättern Arbeitszeugnisse nicht einfach, schlechte schon gar nicht. Schließlich geht es hier um das (objektive) Urteil eines anderen Arbeitgebers. Wer sonst könnte Ihre bisherigen Leistungen, Arbeitsweisen, Sozialkompetenzen und Erfolge besser bewerten?

Lassen Sie schlechte Zeugnisse daher nicht einfach weg, sondern überlegen Sie sich im Vorfeld eine gute Begründung und Erklärung dafür. Insbesondere für das Bewerbungsgespräch. Mit folgenden Strategien und Tipps erklären Sie ein schlechtes Arbeitszeugnis im Vorstellungsgespräch:

  • Verweisen Sie auf andere Zeugnisse

    Ein schlechtes Arbeitszeugnis lässt sich schwer wegdiskutieren, lenken Sie deshalb den Fokus auf bessere Zeugnisse anderer Arbeitgeber. Noch besser sind aktuelle Referenzen oder Empfehlungsschreiben. Die relativieren die Bewertung und zeigen, dass das negative Bild aus dem schlechten Arbeitszeugnis nicht allgemeingültig ist.

  • Gehen Sie konstruktiv mit Ihren Fehlern um

    Was genau wird im schlechten Zeugnis bemängelt? Statt in die Defensive zu flüchten, sprechen Sie das Thema offensiv und ehrlich an. Erklären Sie Ihre Schwächen im Vorstellungsgespräch – aber konstruktiv: Was haben Sie daraus gelernt? Was machen Sie heute anders? Sie beweisen so Lernwillen, Lernfähigkeit und persönliches Wachstum.

  • Erklären Sie die Differenzen

    Lästern Sie nie über ehemalige Arbeitgeber, Sie dürfen aber sachlich erläutern, dass es inhaltliche Differenzen gab. Sie hatten zum Beispiel unterschiedliche Vorstellungen von der Umsetzung eines Projekts. Diese haben schließlich auch zur Kündigung geführt. Leider fand der ehemalige Chef das so schwerwiegend, dass er es im Zeugnis erfassen musste.

Ein schlechtes Arbeitszeugnis zu erklären, bleibt eine schwierige Aufgabe. Besser ist es, wenn es erst gar nicht dazu kommt und Sie eine gute Bewertung erhalten. Wenn nicht freiwillig, dann zumindest durch eine gezielte Anfechtung und Nachbesserung, wenn Sie mit dem schlechten Arbeitszeugnis nicht zufrieden sind.


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