Menschen überzeugen: Unser regelmäßiger Selbstbetrug
Längst sind aus der Psychologie zahlreiche Verhandlungstaktiken bekannt, wie man bekommt, was man will oder in Verhandlungen gewinnt. Selbst das Argumentieren ist eine alte Kunstform – die Rhetorik.
Allerdings haben Schlagfertigkeit, Suggestivfragen und Eloquenz zwei Nachteile:
- Entweder sie sind hochgradig manipulativ.
- Oder Sie haben das Ziel, zu gewinnen – nicht zu überzeugen.
Bei einem Rednerduell mag es noch sinnvoll sein, siegreich aus dem Schlagabtausch hervorzugehen. Im Job hilft das eher selten, weil man danach immer noch mit den besiegten Kollegen zusammenarbeiten muss. Und so manch gewonnene Verbalschlacht entpuppt sich hinterher als Pyrrhussieg, weil keiner anschließend mitzieht oder das siegreiche Konzept eher noch sabotiert.
Wie kann ich mein Gegenüber dann überzeugen?
Dazu muss man zuerst eine schon etwas angejahrte Studie von Leonid Rozenblit und Frank Keil von der Yale Universität anschauen: Damals entdeckten die beiden Forscher das Phänomen der „Illusion erklärender Tiefe“. Klingt kryptisch, gemeint ist aber: Ganz häufig glauben wir, das Problem selbst am besten verstanden zu haben oder genau zu wissen, wie die Dinge funktionieren. Entsprechend überzeugt argumentieren wir – bis zu dem Moment, wo wir gebeten werden, einem anderen zu erklären, wie es funktioniert.
Das Phänomen kennen Eltern nur zu gut: Selbstverständlich glauben wir genau zu verstehen, wie die Wasserspülung in der Toilette funktioniert; warum es zwei Mal am Tag Ebbe und Flut gibt oder welches Geräusch der Fuchs macht. Ist schließlich Allgemeinbildung! Bis der verflixte Bengel genau danach fragt und um eine Erklärung bittet… Zack, stottern Eltern mehr als mancher Motor.
Das Phänomen beschreibt nichts anderes als den klassischen Selbstbetrug, dem wir alle gerne aufsitzen – im Job, in Meetings, im Freundeskreis: „Ich weiß es besser, ich hab den Durchblick, meine Idee ist brillant…“ Aber kann ich es auch anderen erklären???
Überzeugender werden: Nicht begründen – erklären lassen!
Forscher um Philip Fernbach von der Universität von Colorado haben diese Yale-Studie nun neu belebt und auf typische Diskussionsverläufe übertragen. Und siehe da: Hierin liegt ein wirkungsvoller Schlüssel, andere zu überzeugen.
Die Wissenschaftler ließen Probanden mit starken, konträren politischen Überzeugungen miteinander diskutieren, teilten sie jedoch zuvor in zwei Gruppen ein: Die erste Gruppe sollte ihren jeweiligen Standpunkt vortragen und durch stichhaltige Begründungen untermauern. Die zweite Gruppe wurde gebeten, erst einmal zu erklären, wie ihr Standpunkt gesellschaftlich wirkt – und das Schritt für Schritt, von Anfang bis Ende. Die psychologische Wirkung unterschied sich erheblich: Wer seine Argumente und Begründungen vortrug, blieb immer bei seiner Meinung. Wer dagegen Erklärungen liefern musste, entdeckte selbst die Lücken in seinem Konzept und erkannte die Vorzüge in den Vorschlägen der anderen, wurde moderater – oder ließ sich gar überzeugen.
Was heißt das für meine Überzeugungskraft?
Was Ihre Überzeugungskraft vor allem stärkt und steigert sind demnach zwei Punkte:
- Selbstreflexion
Wenn Sie das nächste Mal davon überzeugt sind, die Lösung zu kennen, prüfen Sie sich bitte vorab und erklären Sie den anderen – Schritt für Schritt – warum Ihr Weg tatsächlich der beste ist. - Erklärungen
Umgekehrt, falls jemand Ihren Argumenten so gar kein Gehör schenken will, bitten Sie ihn, nicht seinen Standpunkt zu begründen, sondern zu erklären, wie sich dieser auswirkt. Sehr wahrscheinlich erreichen Sie so mehr als mit reiner Rhetorik.
Menschen überzeugen: Wie viele Argumente sind optimal?
Es gibt viele Möglichkeiten der subtilen Beeinflussung. Totquatschen ist die schlechteste davon, außerdem viel zu anstrengend. Entscheidender ist, laut Studien um Suzanne Shu von der Anderson School of Business und Kurt Carlson von der Georgetown Universität, die Anzahl der Argumente. In einem ihrer Experimente ließen die Forscher ihre Probanden von einer Shampoo-Werbung berieseln. Die war natürlich frisiert und enthielt, je nachdem welche Gruppe den Clip sah, mal zwei, mal drei, mal vier, fünf oder sechs typische Argumente für das Haarwaschmittel – sowas wie „XYZ macht die Haare gesünder, kräftiger, weicher, glänzender, voller, …“ Das Übliche halt.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Die optimale Anzahl der Argumente lag bei maximal drei. Hier gab es die höchste Reaktionsrate an Kaufimpulsen. Ab dem vierten Argument passierte etwas anderes: Die Skepsis stieg rapide an. Und mit jedem weiteren Argument der Widerstand, den Argumenten überhaupt zu glauben. Falls Sie also Ihren Chef (oder die Kollegen) von etwas überzeugen müssen, nennen Sie maximal drei Punkte, die dafür sprechen. Keinen mehr. Und falls Sie einen Slogan für Ihr Produkt dichten oder einem Kunden etwas verkaufen wollen ebenso: Drei Argumente sind immer besser als zwei.
Was ist die perfekte Reihenfolge der Argumente
Aber auch die Reihenfolge der Argumente selbst spielt eine Rolle. Aus der Rhetorik weiß man inzwischen, die überzeugendste Argumentation baut sich so auf:
- Das zweitbeste Argument gehört an den Anfang.
Es prägt am stärksten die Gesprächsatmosphäre und Überzeugungsbereitschaft (oder Ihr Gegenüber winkt schon ab), hat die höchste Aufmerksamkeit und prägt sich mittelstark ein. - In die Mitte gehört das schwächste Argument
Es wird gerne überhört und am schnellsten vergessen. - Das Beste kommt zum Schluss
Am Ende müssen Sie mit dem stärksten Argument punkten. Es hallt nach, bleibt am längsten haften, und hieran knüpft sich meist die weitere Diskussion. Wer Ihnen widersprechen will, muss also erst einmal hieran vorbei.
Diese Argumentation wird übrigens auch 2-1-3-Strategie genannt.
Menschen überzeugen: Umgehen mit notorischen Skeptikern
Wer mit einem neuen Konzept oder Verbesserungsvorschlag auftritt, trifft eher früher als später auf einen Skeptiker und Kritiker. Zugegeben, das kann enorm wertvoll sein und vor schlimmen Fehlern bewahren. Es gibt aber auch die Gruppe der notorischen Schwarzseher, Zweifler und Nörgler, die immer nur das Haar in der Suppe suchen, um sich daran zu laben.
Argwohn und Misstrauen sind ihre Attitüde, hinter der sie die eigene Unfähigkeit zur Innovation und dem Freidenken verbergen. Nicht wenige Kritiker gefallen sich in dieser Rolle, weil sie sich so (endlich auch mal) überlegen fühlen und gleichzeitig unangreifbar bleiben – schließlich liefern sie ja keinen eigenen konstruktiven Gegenvorschlag, der dann seinerseits auf dem Prüfstand stehen könnte.
Einen solchen Skeptiker zu treffen, ist alles andere als erfreulich oder erbaulich; ihn zu überzeugen, ist nahezu unmöglich. So jemand raubt der Runde nur allen Enthusiasmus und sorgt obendrein für schlechte Stimmung.
Skeptiker erkennen: Körpersprache und typische Techniken
Dass Sie es mit einem Skeptiker zu tun haben, lässt sich nicht nur daran erkennen, was er sagt. Schon durch die Körpersprache verraten sich die Zweifler deutlich. Bemerken Sie beispielsweise diese Signale an Ihrem Gegenüber, haben Sie ihn noch nicht überzeugt:
- Arme vor dem Körper verschränken
Eine typisch abweisende Körperhaltung – und klares Zeichen, für eine abwehrende Widerspruchshaltung. - Arme in die Hüften stemmen
Wenn Ihr Gesprächspartner die Arme in die Hüften stemmt, können Sie sicher sein, dass er immer noch etwas zu bemängeln hat. - Am Kopf kratzen
Die Geste signalisiert Ungläubigkeit. Getreu dem Motto: Das hat er doch nicht wirklich vorgeschlagen, oder?
Zum Wesen des Skeptikers gehören zudem ein paar Techniken, die Sie mürbe machen oder verunsichern sollen. Auch diese sollten Sie kennen:
- Nachfragen
Die klassische Vorgehensweise eines Skeptikers sind die kritischen Fragen. Jedes Detail wird hinterfragt, in der Hoffnung, einen weiteren Angriffspunkt oder eine Schwachstelle zu finden. Sobald etwas unklar ist, wird er sich darauf konzentrieren und genauere Informationen einfordern. - Abwarten
Anstatt direkt nachzufragen, bevorzugen einige Skeptiker die Taktik des Abwartens. Hierbei wird so lange gewartet, bis es zu einem Fehler oder einem Problem kommt. Sobald es soweit ist, taucht der Skeptiker auf und hält einen Vortrag darüber, wie absehbar das Scheitern von Beginn an war. - Forschen
Besonders missionarische Skeptiker betreiben selbst Forschung allerdings nur in ihrem Sinne: Sie suchen nach Fehlern in Ihrer Idee oder deren Umsetzung. Gleichzeitig informieren sie sich ausgiebig über mögliche Statistiken oder Studien, die sie gegen die Idee vorbringen können, um die Zweifel zu bekräftigen. Natürlich suchen sie nur nach Contra-Argumenten, die Pro-Argumente werden regelmäßig ignoriert.
Mit Skeptikern umgehen – nicht überzeugen!
Die Überschrift lautet bewusst „umgehen“, nicht „überzeugen“. Insbesondere bei chronischen Miesepetern ist der Argwohn häufig so tief im Charakter verankert, dass Überzeugungsarbeit dessen Misstrauen und Gegenwehr eher noch weiter anfachen wird. Aber gut, man wächst ja mit seinen Aufgaben und womöglich hat man es auch gar nicht mit einem solchen Überzeugungstäter zu tun…
Um einen Skeptiker zu überzeugen, bedarf es viel Geduld, Fingerspitzengefühl und auch Engagement. Nur durch leidenschaftliche Erklärungen, praktische Beispiele und wahrscheinliche Vorteile lässt sich so jemand am Ende erweichen. Aber oft auch nur dann, wenn Sie ihm ein Hintertürchen lassen, um sein Gesicht zu wahren. Wie das gelingen kann? Zum Beispiel so…
Sehen Sie das Positive
Kritik an der eigenen Idee ist im ersten Moment nie schön. Immerhin haben Sie sich etwas dabei gedacht und sind überzeugt davon, für eine gelungene Umsetzung sorgen zu können. Statt mit Frust zu reagieren, sollten Sie die positive Seite erkennen und zu wertschätzen. Ein misstrauischer Blickwinkel ermöglicht es, mögliche Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und zu umgehen. Verschließen Sie sich also nicht aus Stolz vor der Kritik, sondern nehmen Sie diese dankend an.
Erzeugen Sie keinen Druck
Mit Druck erreichen Sie bei einem Skeptiker nur das Gegenteil. Er wird sich noch weiter verschließen und Ihr Vorgehen als Indiz dafür sehen, dass er mit seinem Misstrauen richtig liegt. Auch Formulierungen wie „Wenn Sie mir die Chance geben, werde ich Ihnen zeigen, dass…“ Oder: „Ich bin mir sicher, dass es so kommen wird“ wirken kontraproduktiv. Für einen wahren Skeptiker sind das nichts als Worte, die von Problemen ablenken sollen.
Bereiten Sie sich gut vor
Für einen Skeptiker gibt es nur ein zulässiges Argument: Fakten. Genau deshalb ist die Vorbereitung das A und O, wenn Sie einen Skeptiker von sich oder einer Idee überzeugen wollen. Nennen Sie konkrete Fakten, Studien, Zahlen oder Tests, die Ihr Vorhaben untermauern. Wenn Ihr Gegenüber feststellt, dass Sie in einem Bereich Unsicherheit zeigen, wird er genau dort einhaken. Bieten Sie von Anfang an eine geringe Angriffsfläche, indem Sie kompetent auftreten.
Nehmen Sie sich Zeit für die Einwände
Einen Skeptiker zu ignorieren, geht in vielen Fällen schief. Er wird sich immer wieder mit Einwänden zu Wort melden und sollte dann tatsächlich etwas nicht nach Plan verlaufen, wird er der erste sein, der mit einem „Ich hab’s gleich gesagt“ auf den Lippen im Büro auf und ab rennt. Gehen Sie auf seine Fragen ein und nehmen Sie sich die Zeit, seine Vorbehalte ausreichend zu klären.
Stellen Sie Rückfragen
Der Umgang mit einem Skeptiker ist immer ein Ringen um Details. Das strengt enorm an. Umso wichtiger ist es, ihm Rückfragen zu stellen. Bitten Sie ihn darum, seine Position und seine Zweifel genau zu erklären (siehe oben) und nehmen Sie ihn auch in die Pflicht, konstruktiv an einer Lösung mitzuarbeiten – etwa durch einen besseren Vorschlag. Dies signalisiert einerseits Ihre Offenheit gegenüber seinen Einwänden, bekräftigt aber auch den Wunsch, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
Fühlen Sie sich nie angegriffen
Ein Skeptiker meint es meist nicht böse und in der großen Mehrheit der Fälle basiert sein Misstrauen nicht auf persönlicher Abneigung. Es ist einfach seine Art, mit Unsicherheiten umzugehen. Reagieren Sie deshalb nicht eingeschnappt oder patzig auf den Gegenwind, sondern bleiben Sie stets sachlich. Erst wenn der Skeptiker erkennbar persönlich wird, uneinsichtig, trotzig und beleidigt bleibt, sollten Sie das ansprechen und für alle deutlich machen: Ein solcher Stil wird weder geschätzt, noch ist er professionell oder lösungsorientiert.
Überzeugen mit der ICE-Methode
Gemeint ist natürlich nicht, den Gesprächspartner mit Eis zu bestechen oder mit ihm Bahn zu fahren. Vielmehr handelt es sich bei der Abkürzung ICE um ein Akronym aus dem Englischen. Es steht für:
-
Interest
Vollziehen Sie zuerst einen Perspektivwechsel und finden Sie die für Ihren Gesprächspartner interessanten (weil relevanten) Themen – und zwar unabhängig von Ihrer eigenen Idee. Es geht also darum den anderen und dessen Interessen zu verstehen.
-
Concern
Nachdem Sie Ihr Gegenüber schon etwas besser verstehen, gilt es die potenziellen Bedenken und Zweifel zu identifizieren. Aber nicht nur jene im Blick auf ihre Idee, sondern auch allgemeine Probleme, die Ihr Gesprächspartner auf dem Radar haben könnte: Anforderungen und Belastungen; Richtlinien, die er oder sie einhalten muss… Auf diese proaktiv einzugehen, senkt die Widerstandskraft.
-
Emotion
Jede neue Idee löst immer auch Emotionen aus. Oft bringt ihr Gesprächspartner diese aber auch schon mit in die Runde – und die beeinflussen das Gespräch dann, obwohl sie mit der Sache gar nichts zu tun haben. Wer es schafft – etwa durch Smalltalk diese emotionale Lage vorab zu erfassen und darauf einzugehen, schafft eine wesentlich persönlichere Verbindung und damit auch mehr Überzeugungskraft.
Die ICE-Formel ist im Wesentlichen keine Argumentationstaktik, sondern vielmehr der strukturierte Versuch, den zu überzeugenden vorab besser zu verstehen, seine Motive, Prägungen und potenziellen Einwände, um darauf vorbereitet zu sein und besser einzugehen.
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