Primacy-Recency-Effekt: Definition, Beispiele + wie nutzen?

Erster und letzter Eindruck haben die größte Bedeutung. Dahinter steckt der sogenannte Primacy-Recency-Effekt. Dabei handelt es sich um ein psychologisches Gedächtnisphänomen, wonach wir die ersten und letzten Informationen besonders hoch bewerten. Sie prägen den Gesamteindruck maßgeblich. Das kann im Job und bei der Bewerbung ein Problem sein, den Primacy-Recency-Effekt können Sie aber genauso zu Ihrem Vorteil nutzen…

Primacy Recency Effekt Grafik

Definition: Was ist der Primacy-Recency-Effekt?

Beim Primacy-Recency-Effekt handelt es sich um ein Gedächtnisphänomen in der Psychologie. Dabei folgt unsere Erinnerung einer Kurve in U-Form: Informationen und Eindrücke vom Anfang und Ende bleiben am längst im Gedächtnis und prägen auch am stärksten.

Genau genommen besteht der Primacy-Recency-Effekt aus zwei Psychoeffekten und Phänomenen mit ähnlicher Wirkung:

Primacy-Effekt

Als Primacy-Effekt (auch: Primäreffekt) wird das Phänomen bezeichnet, dass zuerst erhaltene Informationen meist besonders stark gewichtet werden. Deshalb gibt es für den ersten Eindruck im Sprichwort auch keine zweite Chance: Er prägt unsere Bewertung beharrlich. Das gilt für Personen genauso wie für Objekte oder Situationen.

Recency-Effekt

Der Recency-Effekt (auch: Rezenzeffekt) beschreibt hingegen ein Kurzzeitgedächtnis-Phänomen. Das Kurzzeitgedächtnis kann sich nur 5-9 Informationseinheiten (z.B. Wörter, Zahlen) gleichzeitig merken. Der Effekt sorgt dann dafür, dass wir zuletzt erhaltene Eindrücke und Informationen stärker erinnern als andere. Auch diese prägen wieder den Gesamteindruck maßgeblich. Man könnte auch sagen: Der letzte Eindruck zählt, denn er hallt nach…

Beide Effekte zusammen bilden den Primacy-Recency-Effekt und erklären, warum wir unser erstes Urteil nur selten revidieren und uns zugleich noch lange an den letzten Eindruck erinnern. Was dazwischen passiert, vergessen wir hingegen schnell. Auch wenn die Effekte widersprüchlich klingen, wirken sie gleichermaßen im Alltag, wobei der Primacy-Effekt etwas stärker wirkt als der Recency-Effekt.

Primacy Recency Effekt Definition Psychologie Beispiel Erinnerung

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Primacy-Recency-Effekt Beispiele

Dem Primacy-Recency-Effekt begegnen Sie an zahlreichen Stellen im Alltag – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Hier einige Beispiele:

Beispiel Vorstellungsgespräch

Noch bevor Sie sich im Vorstellungsgespräch vorgestellt haben, entsteht bereits ein erster Eindruck von Ihnen – durch die nonverbale Kommunikation. Also zum Beispiel durch Körpersprache, Körperhaltung, Kleidung und Händedruck. Dieser kann positiv wie negativ sein und das gesamte Gespräch überschatten beziehungsweise Ihre Bewerbungschancen steigern oder ruinieren.

Dabei wirken sogar noch zwei weitere Effekte: Der Halo-Effekt und sein Gegenspieler, der Horn-Effekt. In beiden Fällen geht es darum, dass eine überstrahlende Eigenschaft den Gesamteindruck prägt – zum Beispiel ein angemessenes Outfit (positiv) oder Körpergeruch (negativ) – und das unabhängig von den relevanten Fähigkeiten für den Job.

Beispiel Buch

Angenommen, Sie lesen einen Roman oder ein Sachbuch. Hat es einen vielversprechenden Titel und geht es spannend los, dann tauchen Sie und lesen weiter – auch, wenn das Buch mittendrin einige Schwachstellen oder Längen hat. Verantwortlich dafür ist der Primacy-Effekt. Entscheidend dafür, ob Sie das Buch weiterempfehlen, ist aber der Schluss: Hat das Werk einen originellen Plot oder ein fulminantes Ende, werden sie es trotz Längen im Mittelteil positiv bewerten. Hier wirkt der Recency-Effekt.

Dasselbe gilt übrigens auch für Filme im Kino oder Fernsehen sowie Theaterstücke oder Werbespots, weshalb am Ende der Werbung das Produkt immer nochmal mit einem kernigen Slogan als „Closer“ gezeigt wird. Denn der hallt eben wieder nach. Das ist reine Verkaufspsychologie.

Beispiel Vortrag

Ob im Meeting oder auf der Bühne: Ein guter und cleverer Redner setzt in seinem Vortrag oder in der Präsentation immer zwei Höhepunkte: am Anfang und am Schluss. Einstieg und Pointe müssen sitzen, damit Sie von Beginn an die volle Aufmerksamkeit bekommen und am Ende einen tosenden Applaus. Deshalb starten zum Beispiel einige Keynote-Speaker gerne mit einem Witz und enden mit einem Slogan, den sich jeder merken kann – oder in Social Media gleich zitieren und posten.

Beispiel TV Show

An dieses Beispiel werden sich vermutlich nur noch die älteren Leserinnen und Leser erinnern: Kennen Sie noch die Sendung „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell? Im Finale musste sich der Showgewinner Produkte merken, die auf einem Laufband an ihr oder ihm vorbei liefen. Was sich der Kandidat merken konnte, durfte er behalten. Meist waren das die ersten und letzten Produkte – die wertvollsten Gimmicks aber liefen in der Mitte des Bandes vorbei. Gemein – aber ebenfalls ein Spiel mit dem Primacy-Recency-Effekt.

Experiment zum Primacy-Recency-Effekt

Zum Primacy- und Recency-Effekt gibt es inzwischen zahlreiche Studien, seine Wirkung und Bedeutung gilt als wissenschaftlich erwiesen. Ein Experiment des US-Psychologen Abraham S. Luchins können Sie sogar selber im Job nachstellen: Erzählen Sie Ihrem Kollegen von einer Person und schildern Sie deren Eigenschaften:

  • Variante A:
    Die Person ist hilfsbereit, pünktlich, langsam und lustig.
  • Variante B:
    Die Person ist Langsam, lustig, pünktlich und hilfsbereit.

Entscheiden Sie sich für Variante A, wird der Kollege vor allem behalten, dass Ihr neuer Kontakt hilfsbereit und lustig ist; bei Variante B wird eher im Gedächtnis bleiben, der Bekannte sei langsam, aber hilfsbereit.


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Primacy-Recency-Effekt im Berufsleben: Wie nutzen?

Einige Beispiele kennen Sie schon, wie der Primacy-Recency-Effekt im Alltag wirkt. Damit wissen Sie indirekt auch schon, wie Sie ihn nutzen können. Vor allem aber bei Verhandlungen – ob bei der Akquise oder einer Gehaltsverhandlung – ist der psychologische Effekt von enormer Bedeutung. Nicht wenige nutzen ihn bereits intuitiv…

Wie priorisieren Sie Ihre Argumente in einer Diskussion? Mit dem Wissen um den Primacy-Recency-Effekt bleiben Ihnen zwei Optionen und Strategien für eine optimale Reihenfolge der Argumente:

  1. Strategie 1-3-2

    Nennen Sie Ihr stärkstes Argument (1) zuerst. Danach folgt das schwächste, um gleich darauf mit dem zweitstärksten (2) nachzusetzen. Vorteil: Sie steigen mit dem besten Punkt ein – den muss ihr Gegenüber erst einmal entkräften.

  2. Strategie 2-3-1

    Wir selbst empfehlen diese Variante: Hierbei werden die Höhepunkte optimal verteilt. Sie starten mit einem starken Argument und enden mit einem besseren. Das bleibt nicht nur im Kopf haften, zweiter Vorteil: Sie nutzen die vorherigen (immer noch starken) Argumente, damit sich Ihr Gegenüber daran abarbeitet. Ist er müde und mürbe, kommt aber der eigentliche Hammer – und Sie setzen sich durch.

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Häufige Fragen zum Primacy-Recency-Effekt

Was versteht man unter dem Primacy-Effekt?

Der Primacy-Effekt (deutsch: „Primäreffekt“ oder „Erster-Effekt“) beschreibt, dass sich Menschen an die ersten Informationen besser erinnern und diese höher bewerten als an spätere. Der Effekt wirkt sowohl auf der Beziehungsebene beim ersten Kennenlernen wie bei persönlichen Erfahrungen.

Was versteht man unter dem Recency-Effekt?

Beim Recency-Effekt behalten wir die letztgenannten Information besonders gut in der Erinnerung, sodass sie einen überstrahlenden Effekt auf die vorausgehenden Inforamtionen haben. Der letzte Eindruck kann dominieren, wirkt aber nicht ganz so stark wie der erste Eindruck.

Was ist der Reihenfolgeeffekt?

Der Reihenfolgeeffekt beschreibt, dass die Reihenfolge (Sequenz), in der wir Informationen präsentiert bekommen, deren Bewertung beeinflusst. Beispiel Diskussion: Die stärksten Argumente sollten stets am Anfang oder am Schluss kommen. In der Mitte verpufft ihre Wirkung.

Wie kann man den Primacy-Effekt vermeiden?

Der Primacy-Effekt lässt sich vermeiden, indem Sie sich den Beurteilungsfehler zunächst bewusst machen und den ersten Eindruck hinterfragen. Oft ist der von Vorurteilen geprägt. Um vorschnelle Urteile zu korrigieren, sollten mehr Informationen einbezogen werden.

Was ist der Unterschied zwischen Primacy-Effekt und Recency-Effekt?

Der Primacy-Effekt bewertet den ersten Impuls besonders stark, während der Recency-Effekt das größere Erinnerungspotenzial besitzt. Beide Effekte wirken parallel und lassen sich nicht von einander trennen, auch wenn sie latent widersprüchlich klingen.


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