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Einsamkeit an der Spitze: Top, aber taub

Mit jedem Aufstieg wird die Luft immer dünner. Bei Bergsteigern ist das so, bei Führungskräften aber auch. Entscheidungsgewalt macht einsam, lautet ein Bonmot. Und es stimmt: Die sprichwörtliche Einsamkeit an der Spitze – es gibt sie wirklich. Und je größer das Unternehmen, desto dünner wird die Luft nicht nur, sondern meist auch eisiger. Die Mitarbeiter begegnen ihren Bossen dann mit wachsender Distanz und zunehmendem Misstrauen gegenüber „denen da oben“. Gefährlich! Denn damit wächst zugleich ein veritables Informationsdezifit und Feedbackvakuum. Die Folge: Fehleinschätzungen, Fehlentscheidungen und der Verlust der Bodenhaftung…


Einsamkeit an der Spitze: Top, aber taub

Einsame Spitze

Erst die Tage sprach ich wieder über moderne Führung in Zeiten der digitalen Transformation. Oft herrscht an der Spitze zwar eine grobe Idee für den künftigen Kurs, aber nur wenig Kenntnis über die wahre Situation im Unternehmen oder die Kompetenzen (und oft konkreteren Ideen) der Mitarbeiter. Ein wunderbarer Nährboden für gegenseitiges Misstrauen, konkurrierende Strategien und Ineffizienzen.

Zudem bleiben solchen Führungskräften meist auch die die heranziehenden Gewitterfronten verborgen. Kommt dann noch ein übergroßes Ego dazu, begegnen die Mitarbeiter solchen Chefs nur noch ungern mit Ehrlichkeit und womöglich unangenehmen Wahrheiten, sondern mit respektvollen Schmeicheleien, falscher Bewunderung und dosierter bis gespielter Zustimmung. Hinter den Kulissen aber bahnt sich längst Unheil an.

Die sprichwörtliche Einsamkeit an der Spitze – sie wirkt wie ein schleichendes Gift, dass sich im Unternehmen langsam ausbreitet und am Ende das Arbeitsklima vergiftet und allmählich Produktivität und Kreativität zersetzt. Aber ist das deswegen ein Schicksal? Mitnichten! Als Führungskraft in spe oder auf dem Weg nach oben lässt sich dem Tunnelblick durchaus entgegen wirken – indem Sie aufrichtiges und kritisches Feedback von unten fordern und fördern…

Was Führung mit Einsamkeit zu tun hat

Was macht nun einen echten Anführer aus? Der amerikanische Literaturkritiker und ehemalige Yale-Dozent William Deresiewicz sieht in wahren Führungspersönlichkeiten vor allem eines: selbstständige Denker. Menschen, die flexibel, kreativ und unabhängig denken. Diese wahren Anführer beherrschen laut seinen Forschungen im Idealfall drei wichtige Disziplinen:

  1. Eigenständiges Denken. Wer ständig nur im Konsensdenken seiner gesellschaftlichen Umwelt verharrt, dem bleiben neue Denkansätze und innovative Ideen verborgen. Eigenständiges Denken setzt aber die Courage voraus, seine Standpunkte gegen äußere Widerstände zu vertreten – und die Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen und zu korrigieren.
  2. Konzentriertes Denken. Multitasking killt langfristig die Denkfähigkeit. Man muss sich eben entscheiden: entweder zehn Dinge so lala oder eine Sache brillant erledigen. Wer sich stets und ständig von anderem und anderen ablenken lässt, sammelt zwar viele Informationen, setzt diese jedoch nur oberflächlich um.
  3. Intensives Denken. Und damit auch zeitintensives Denken. Der erste Gedanke dieser Anführer ist selten ihr bester, sondern nur der naheliegendste. Richtig gute Ideen brauchen Zeit, müssen zigfach überdacht, erneuert und ausgebaut werden, benötigen Inspiration. Gerade neue Denkansätze wachsen nicht über Nacht.

Wie Sie sicher bemerkt haben, ist keine der drei Kategorien in der Berufswelt ohne Weiteres umsetzbar: Eigenbrötlerische Revoluzzer, die stets nur einer Sache nachgehen und dafür ewig Zeit brauchen, entsprechen nicht gerade dem Idealbild eines erfolgreichen Karrieremenschen und bequemen Managers. Entsprechend, so Deresiewicz, zeige die Verbindung zwischen Führungsstärke und (geistiger) Einsamkeit, warum so wenige Menschen „echte“ Führungspersönlichkeiten werden: Weil es ein unangenehmer und schwieriger Weg ist. Schwierige Entscheidungen trifft man dann doch eher allein. Die sprichwörtliche Einsamkeit an der Spitze – sie ist keine Illusion.

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Einsamkeit an der Spitze: Haben Sie offene Ohren?

Ich habe kein Problem mit Kritik – aber sie muss mir gefallen. Das herrlich zynische Zitat stammt von Mark Twain. Dennoch scheint es zuweilen so, als hätten es viele Chefs bereitwillig adaptiert – nur ohne den Zynismus.

Gefilterte Rückmeldung nennen Management-Experten das Phänomen, das das Top-Management umgibt: Die Beletage – sie lebt oft in einer Filterblase, in der die Bosse nur noch hören, was sie gerne hören und denken, was sie schon immer dachten, weil die Mitarbeiter sagen, was sie sagen.

Wer aber nur noch geschöntes Feedback bekommt, schmort nicht nur geistig im eigenen Saft, er untergräbt auch jedwede Basis zur (Kurs-)Korrektur. Ein solcher Chef hätte nur noch eine Chance, um herauszufinden, was sein Team wirklich denkt: Gedanken lesen.

Falls Sie diese Kunst nicht beherrschen (was wir jetzt mal frech unterstellen), ist die folgende Liste genau das Richtige: Darin enthalten sind 25 Gedanken, die Ihnen Mitarbeiter so nie ins Gesicht sagen würde – wohl aber im Kopf haben könnten. Derbe Beleidigungen und haltlose Vorwürfe haben wir außen vor gelassen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die Dinge, an denen Sie etwas ändern können – wenn Sie denn wollen…

Was das Team gerade denken könnte…

  1. „Unser früherer Chef hat alles viel besser gemacht.“
    Natürlich sollen Sie Ihren Vorgänger nicht imitieren. Aber sprechen Sie mit Ihrem Team darüber, was in der Vergangenheit besser oder schlechter lief. Kopieren Sie Stärken und merzen Sie Schwächen aus – dann scheuen Sie keinen Vergleich.
  2. „Sie predigen Wasser und trinken Wein.“
    Was Sie von Ihren Mitarbeitern verlangen, müssen Sie selbst ausstrahlen. Fleiß, Pünktlichkeit und Opferbereitschaft sind Paradebeispiele für Tugenden, die Sie vorleben müssen.
  3. „Mich motivieren Sie schon lange nicht mehr.“
    Die innere Kündigung eines Mitarbeiters bekommen Chefs oft erst mit, wenn es schon zu spät ist. Arbeiten Sie ihr mit Aufmerksamkeit entgegen!
  4. „Ihr lückenhaftes Feedback ist überhaupt keine Hilfe.“
    Liefern Sie regelmäßiges und konstruktives Feedback, um besondere Leistungen zu würdigen und auf Schnitzer aufmerksam zu machen, anstatt den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.
  5. „Auch wenn Sie sich für den Größten halten: Unfehlbar sind Sie nicht.“
    Seien Sie sich nicht zu schade, auch mal vor versammelter Mannschaft einen Fehltritt zuzugeben. Damit beweisen Sie nicht Schwäche, sondern Mut und Verantwortungsbewusstsein.
  6. „Mein Potenzial wird hier völlig verkannt.“
    Diesen Satz denken häufig die schweigsamsten Mitarbeiter. Schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit nicht bloß den Lautsprechern Ihrer Abteilung, sondern auch den vermeintlichen Mauerblümchen.
  7. „Ihre Schauspielerei ist sowas von durchschaubar.“
    Bei all den Seminaren, Tipplisten und Motivationsbüchern: Vergessen Sie nicht Ihren authentischen Charakter. Dauergrinser nach Klinsmann-Manier sind durchschaubar wie Plexiglas.
  8. „Sie führen sich auf wie ein Filmstar.“
    Gerade junge oder frisch beförderte Chefs protzen häufig mit schicken Anzügen und einem teuren Auto. Sie dürfen sich Luxus leisten – aber reiben Sie es Ihren Mitarbeitern nicht unter die Nase.
  9. „Mit meinen Ratschlägen hätten wir viele Probleme gar nicht.“
    Haben Sie ein offenes Ohr für die Verbesserungsvorschläge Ihres Teams. Häufig entstehen durch unterschiedliche Blickwinkel ideale Lösungen, auf die Sie allein nie gekommen wären.
  10. „Wir sind so gute Kumpels, da kann ich mir schon mal Fehler erlauben.“
    Ihr Laissez-faire-Führungsstil kommt so gut bei den Mitarbeitern an, dass die Arbeit gerne mal liegen bleibt? Schluss damit. Wenn es nötig wird, seien Sie lieber Chef als Kumpel.
  11. „Ein Choleriker wie Sie gehört in den Boxring, nicht ins Büro.“
    Könnte auch „Wer schreit, hat Unrecht“ lauten. Die Essenz: Anbrüllen wirkt unausgeglichen und unprofessionell; nicht stark und mächtig. Der Ton macht die Musik. Und so weiter.
  12. „Im Endeffekt können Sie doch weniger als ich…“
    Lassen Sie nicht den Eindruck entstehen, Ihre Tätigkeit bestünde nur aus großen Reden. Bilden Sie sich fort, erledigen Sie das Tagwerk mit – so verdienen Sie sich Respekt.
  13. „Sie hängen Ihr Fähnchen immer nach dem Wind des Vorstandes.“
    Boxen Sie die Interessen Ihres Teams auch mal durch, statt stets vor der Unternehmensführung zu kuschen. Wichtig: Das Team muss Ihr Engagement natürlich mitbekommen, um es zu würdigen.
  14. „Es ist so ungerecht, wie Sie Frauen (Männer) behandeln.“
    Bei aller Liebe zu Stromberg: Sexismus hat im Büro nun wirklich nichts mehr verloren. Das gilt in beide Richtungen und auch für subtile Kleinigkeiten.
  15. „Ständig bevorzugen Sie Ihre Lieblinge…“
    Vor Sympathie- und Halo-Effekten ist keiner geschützt. Ein guter Chef lässt sich von so etwas aber nicht irritieren, sondern weiß auch um die Stärken ungeliebter Mitarbeiter.
  16. „Wieso stecken Sie mich immer in Teams voller Dilettanten?“
    Richtige Teamzusammenstellung ist eine hohe Kunst. Notieren Sie, wer mit wem besonders gute Ergebnisse liefert und wer überhaupt nicht miteinander kann. Auch Individualisten sollten Sie eher nicht in Teams zwängen.
  17. „Sie sind eine unsympathische Arbeitsmaschine.“
    Soft Skills werden immer wichtiger. Durch einen kurzen Smalltalk und etwas persönliches Interesse gewinnen Sie Sympathiepunkte, die Ihnen die Unterstützung des Teams garantieren.
  18. „Nie übernehmen Sie die Verantwortung, wenn ein Projekt scheitert.“
    Fußballtrainer stellen sich auch mal nach Niederlagen in die Fankurve, nicht nur nach 5:0-Siegen. Wer Applaus genießt, muss auch Schmährufe aushalten.
  19. „Für Sie ist das hier doch alles bloß ein Sprungbrett.“
    Selbst wenn Ihr Mitarbeiter Sie hier ertappt: Lassen Sie es sich nicht anmerken. Ihr Fokus sollte (zumindest äußerlich) auf dem aktuellen Job liegen – auch wenn bereits ein besserer ruft.
  20. „Ihr autoritärer Stil passt wohl eher in die Wehrmacht.“
    In manchen Phasen ist eine gewisse Strenge hilfreich für die Produktivität. Überharte Bürodiktatoren haben jedoch nach dem heutigen Führungsverständnis ausgedient – bleiben Sie fair.
  21. „Sie sehen nur das Team, nie den Einzelnen.“
    Bemühen Sie sich, Fehler einzelner Mitarbeiter nicht dem gesamten Team anzukreiden. Genauso wichtig: Besondere Individualleistungen entsprechend würdigen.
  22. „Wo geht’s hin? Ihre Zielsetzung ist zu schwammig…“
    Sprechen Sie Ziele unmissverständlich und detailliert ab. Wenn Sie keine konkrete Richtung vorgeben, treffen sich alle höchstens zufällig am Gipfel.
  23. „Unnötiger Druck macht die Arbeit auch nicht leichter.“
    Flunkern Sie nicht, wenn es um Deadlines geht. Geben Sie der Arbeit so viel Zeit, wie zur Verfügung steht, anstatt aus dem Büro eine Druckkammer zu machen.
  24. „Sie sind unglaublich schwer auszurechnen.“
    Seien Sie konsequent in Ihren Handlungen. Sprunghaftes Verhalten irritiert Ihre Mitarbeiter. Vergessen Sie auch nach Seminaren und innovativer Lektüre nicht über Nacht Ihre bisherigen Handlungsweisen.
  25. „Meine Entwicklung juckt Sie doch überhaupt nicht.“
    Seien Sie ein Mentor für Ihre Mitarbeiter, zeigen Sie Interesse an Ihren Zielen und Vorhaben und sie werden es Ihnen mit ehrlichem Vertrauen zurückzahlen.

Warum Führungskräfte Einsamkeit ernst nehmen sollten

Auf den ersten Blick ist es einfach, Einsamkeit im Job als Problem des einzelnen Mitarbeiters oder Managers abzutun. Doch eine Meta-Studie, durchgeführt von Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young University in Uta und einigen Kollegen, zeigt, dass Einsamkeit nicht nur belasten, sondern regelrecht krank machen kann.

Die Auswertung von 148 Studien weist einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit – konkret: dem Fehlen sozialer Beziehungen – und häufigeren Erkrankungen nach. Eine etwas ältere Studie zeigt außerdem, dass Einsamkeit sogar ansteckend wirken und das Verhalten anderer Mitarbeiter negativ beeinflussen kann. Führungskräfte sollten daher stets versuchen, jeder Form von Einsamkeit entgegen zu wirken.

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[Bildnachweis: Photographee.eu by Shutterstock.com]

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