Einsamkeit im Job: Keine einfachen Erklärungen
Den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit betont auch John T. Cacioppo, Leiter des Center for Cognitive and Social Neuroscience in Chicago.
Er erforscht das Phänomen der Einsamkeit seit Jahren und hat darüber auch ein Buch mit dem Titel „Loneliness“ geschrieben. Dort trifft er eine wichtige Aussage:
Menschen die in der Einsamkeit feststecken, haben nichts falsch gemacht. Niemand von uns ist immun gegen das Gefühl, isoliert zu sein, genauso wenig wie wir immun sind gegen Hungergefühle oder Schmerz.
Das Gefühl Einsamkeit erlebt jeder Mensch im Lauf seines Lebens, viele vermutlich auch im Job. Das ist per se erst mal nichts schlechtes, kann Einsamkeit doch auch die in manchen Situationen notwendige Distanz zu Problemen, großen Veränderungen oder Enttäuschungen bieten.
In der Forschung zum Thema werden drei Phasen der Einsamkeit unterschieden:
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Momentane oder vorübergehende Einsamkeit
Dieses Gefühl stellt sich bei den meisten Menschen früher oder später ein. Vor allem nach großen Veränderungen, Verlusten oder Enttäuschungen ist es völlig normal, sich einsam und isoliert zu fühlen. Im gleichen Maße, in dem sich die starken Emotionen legen und sich eine Person auf die neue Situation einstellt, lässt dieses Gefühl der Einsamkeit jedoch auch wieder nach.
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Langsamer Rückzug in die Einsamkeit
Diese Phase schließt sich meist an eine vorübergehende Einsamkeit an. Das Gefühl der Einsamkeit lässt zwar nach, vergeht jedoch nie ganz und wird immer präsenter. Nach und nach entwickeln Betroffene die Tendenz, sich von anderen Menschen zurückzuziehen. Sie nehmen das Verhalten anderer Menschen immer stärker als Ablehnung wahr – auch wenn dieses gar nicht so gemeint ist.
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Chronische Einsamkeit
Das Gefühl der Einsamkeit und der Isolation wird zum Dauerzustand, der die Betroffenen in (fast) allen Situationen begleitet. Es kann sich auf konkrete Situationen, Umgebungen und Kontexte beziehen oder alle Lebensbereiche betreffen. Ist Letzteres der Fall, kann die chronische und allumfassende Einsamkeit mit psychischen Erkrankungen – beispielsweise einer Depression – einhergehen oder diese begünstigen.
Sowohl der Rückzug als auch die chronische Einsamkeit stellen nachhaltige Probleme dar, denen mit gezielten Gegenmaßnahmen begegnet werden sollte. Der erste Schritt besteht in der Analyse der Ursachen und Gründe für das Gefühl der Einsamkeit.
Betroffene Arbeitnehmer sollten sich dabei immer darüber im Klaren sein, dass es nicht um die Schuldfrage geht und sie sich nichts vorzuwerfen haben. Einsamkeit ist ein völlig normales Gefühl.
Warum Führungskräfte Einsamkeit ernst nehmen sollten
Vordergründig mag Einsamkeit im Job als Problem des einzelnen Mitarbeiters oder vielleicht noch der Kollegen untereinander wirken. Doch Führungskräfte und Unternehmen sollten chronische Einsamkeit als Problem durchaus ernst nehmen.
Eine Meta-Studie, durchgeführt von Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young University in Uta und einigen Kollegen, zeigt, dass Einsamkeit nicht nur belasten, sondern auch krank machen kann.
Die Auswertung von 148 Studien weist einen klaren Zusammenhang zwischen Einsamkeit – konkret: dem Fehlen sozialer Beziehungen – und häufigeren Erkrankungen nach. Eine etwas ältere Studie zeigt außerdem, dass Einsamkeit auf gewisse Art und Weise ansteckend sein und das Verhalten anderer Mitarbeiter negativ beeinflussen kann.
Führungskräfte sollten daher versuchen, bereits den Rückzug in die Einsamkeit bei Mitarbeitern zu erkennen – noch bevor daraus chronische Einsamkeit werden kann. Einige Fragen können dabei helfen:
- Haben einzelne Mitarbeiter auffällig wenig Kontakt zu ihren Kollegen?
- Gibt es Mitarbeiter, die nie in Erscheinung treten und sich stets zurücknehmen?
- Essen manche Mitarbeiter immer alleine zu Mittag?
- Welche Mitarbeiter beteiligen sich nie an Teamaktivitäten?
Keiner dieser Aspekte ist für sich genommen ein sicherer Hinweis darauf, dass sich Mitarbeiter einsam fühlen.
Häufen sich jedoch die Anzeichen, sollten Führungskräfte entweder mit Fingerspitzengefühl das Gespräch suchen oder sich um eine insgesamt bessere Arbeitsatmosphäre und hohen Teamzusammenhalt bemühen. Weitere Tipps finden Sie in unserem Artikel zum Thema „Außenseiter“.
Ursachen für Einsamkeit
Manche Menschen wählen einsame Berufe, um bewusst ein abgeschiedenes (Arbeits-)Leben führen zu können. Berufe wie:
- Förster,
- Leuchtturmwärter,
- Schäfer,
- Nachtwächter,
aber auch als Einsiedler in einer kirchlichen Gemeinde oder sämtliche Jobs im Home Office sind geeignet für Menschen, die keinen Kundenkontakt wünschen oder insgesamt lieber für sich sind. Wer jedoch Einsamkeit im Job nicht sucht, sondern empfindet, fühlt Unzufriedenheit mit den bestehenden sozialen Kontakten, empfindet einen Mangel.
Woher dieser Mangel kommt, gilt es zu ergründen. Teilweise ist unsere moderne Arbeitswelt und die ständige Forderung nach Flexibilität schuld daran.
Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber immer wieder kommt es zu Einbrüchen im sozialen Gefüge – sei es, dass gewachsene Stadtviertel abgerissen werden, sei es, dass ein Arbeitnehmer mangels Perspektive häufiger den Wohnort wechseln muss – alles das geht einher mit der Notwendigkeit, neue soziale Kontakte knüpfen zu müssen.
Häufig ist es so, dass uns das mit zunehmenden Alter schwerer fällt, zumal bei einem Umzug in eine neue Stadt tatsächlich auch „neue Regeln“ die Eingewöhnung schwierig machen können: Wer beispielsweise von der Großstadt aufs Land zieht, wird feststellen, dass die Uhren anders ticken – Anschluss wird hier über Vereine geregelt und erwartet. Hier muss man sich in die Dorfgemeinschaft einbringen.
Wer gleich das Bundesland wechselt, sieht sich womöglich mit kulturell bedingten Unterschieden konfrontiert, auch kann ein anderer Dialekt einen direkt als Hinzugezogenen kennzeichnen, so dass die Eingewöhnung schwerer ist.
Neben äußeren Faktoren gibt es aber natürlich auch Gründe, die in der Persönlichkeit des Arbeitnehmers selbst liegen.
Tipps gegen Einsamkeit am Arbeitsplatz
Introvertierte Arbeitnehmer sind für Einsamkeit im Job zwar anfällig, das liegt jedoch nur teilweise an ihrer zurückhaltenden und meist ruhigen Art.
Oft sind es auch weit verbreitete Mythen, die Introvertierten das Leben schwer machen. Dazu gehören auch Missverständnisse. So wird eine ruhige Art oft als Schüchternheit missverstanden.
Neben einem Hang zur Introversion können jedoch auch mangelndes Vertrauen, fehlende Themen, persönliche Antipathie, Neid auf gute Leistungen oder schlicht fehlendes Interesse der Kollegen untereinander zum Gefühl der Einsamkeit fühlen. Das Problem: Fühlen sich Mitarbeiter im Job einsam, beeinflusst das auch ihre Wahrnehmung. Sie deuten dann auch im Grunde harmlose Verhaltensweisen als Zeichen der Ablehnung.
Haben Arbeitnehmer im ersten Schritt jedoch die Ursachen und Gründe für ihre Einsamkeit identifiziert, ist Handeln angesagt. Einige bewährte Gegenmaßnahmen – einige klingen einfach, sind jedoch nicht leicht umzusetzen – finden Sie im Folgenden:
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Kollegen ansprechen
In vielen Büros und Teams gehen Kollegen in Gruppen zum Mittagessen. Außenseiter – und Mitarbeiter die sich einsam fühlen – nehmen an dieser sozialen Aktivität selten bis nie teil. Kommt Ihnen diese Beschreibung bekannt vor, sollten Sie über Ihren Schatten springen und Ihre Kollegen ansprechen. Sie werden erstaunt sein, wie problemlos Sie Teil der Mittagsrunde werden können.
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Aktiv einbringen
Fehlender Kontakt zu Kollegen kann auch auf geringen Input Ihrerseits zurückzuführen sein. Das ist kein Grund für Selbstvorwürfe, jedoch ein Ansatz, um Ihr Verhalten zu verändern. Bringen Sie sich bei der nächsten Diskussion thematisch passend ein und nehmen Sie aktiv am Gespräch teil. Wiederholen Sie das regelmäßig, wird sich der Kontakt zu Ihren Kollegen schnell verbessern.
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Selbstwert erkennen
Diese Strategie ist in der Umsetzung nicht ganz einfach. Manche Arbeitnehmer fühlen sich nicht nur ausgegrenzt, sie schotten sich häufig unbewusst selbst von ihren Kollegen ab. Der Grund liegt oft in einem mangelndem Selbstwertgefühl und fehlendem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Machen Sie sich in diesem Fall Ihre Stärken und Erfolge – am besten schriftlich und regelmäßig – bewusst und testen Sie Ihre Fähigkeiten.
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Dankbarkeit zeigen
Es klingt kontraintuitiv, doch Einsamkeit lässt sich auch durch Dankbarkeit und Wertschätzung überwinden. Die Wertschätzung sollte dabei nicht nur den eigenen Fähigkeiten, sondern im Job auch Ihren Kollegen, Ihrem Chef und dem Team gelten. Zu Beginn ist es vermutlich schwierig, Ihre Kollegen – die Sie in Ihrer Wahrnehmung ausgrenzen – Dankbarkeit entgegenzubringen. Doch wenn Sie sich bewusst mit Ihrem Job und Ihrer Situation befassen werden Sie auch die positiven Seiten und Aspekte erkennen. Fokussieren Sie sich auf diese und zeigen Sie dafür Dankbarkeit. Dadurch wird Ihr Verhalten automatisch offener und Sie suchen von sich aus Kontakte.
Bei allen Strategien ist eine Eigenschaft wichtig: Geduld. Sowohl Einstellungs- als auch Verhaltensänderungen nehmen Zeit in Anspruch und neue Verhaltensweisen wirken sich erst nach und nach auf Ihre Kollegen aus.
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Einsamkeit im Job: Vorboten des Jobwechsels?
Viele Ursachen für Einsamkeit im Job lassen sich durch Einstellungs- und Verhaltensänderungen – sowohl der Kollegen als auch der direkt betroffenen Mitarbeiter – bewältigen und ändern. Doch in manchen Fällen kommt Einsamkeit auch deshalb zustande, weil der Job und/oder das Team absolut nicht zur Person passen.
Finden Sie sich nach der Analyse der Ursachen in einer solchen Situation wieder, haben Sie drei Handlungsoptionen. Sie können…
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Sie arrangieren sich.
Manchmal gibt es Gründe, unangenehme Dinge auf sich zu nehmen – vielleicht muss ein Kredit abgezahlt werden, vielleicht fehlt Ihnen auch momentan einfach die Kraft, sich nach einem neuen Job umzusehen. Allerdings führen Sie sich die Gründe vor Augen und finden sich mit dem unpassenden Job oder einem unangenehmen Team ab. Sie treffen an diesem Punkt bewusst die Entscheidung, die Situation zu akzeptieren.
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Sie verändern etwas.
Die Tätigkeit liegt Ihnen, aber beispielsweise infolge von Fluktuation hat sich die Zusammensetzung des Kollegiums verändert oder es gab einen Wechsel bei den Führungskräften und irgendwie werden Sie mit den neuen Kollegen/Vorgesetzten nicht warm. Hier sollten Sie kurz innehalten und genau gucken, wie viel Ihr Anteil daran ist und was womöglich im Verhalten der anderen begründet ist. Sie können beispielsweise anhand der oben genannten Tipps versuchen, Anschluss an die Kollegen zu bekommen.
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Sie verlassen die Arbeitsstelle.
Vielleicht haben Sie aber auch erkannt, dass dieser Job so gar nicht zu Ihnen passt, die Kollegen Sie eher behindern, als Sie weiterbringen. Dafür kann es viele Ursachen geben. Neid und Konkurrenz sind wesentliche Faktoren. Womöglich haben Sie sich im Laufe der Zeit verändert, andere sind stehen geblieben. Manchmal kann eine Versetzung bereits Abhilfe schaffen, wenn man in ein neues Team kommt – die Gruppendynamik ist eine andere. Wenn Sie jedoch bereits spüren, dass Sie das nicht weiterbringt, dann sollten Sie sich nach einer neuen Stelle umschauen und kündigen.
Welche der drei Optionen Sie wählen, ist Ihre Entscheidung. Sollten Sie sich jedoch für einen Jobwechsel oder eine Versetzung entscheiden, raten wir zur dritten Option. Einige Tage oder Wochen machen in den meisten Fällen keinen großen Unterschied und lassen sich erträglich gestalten.
Dafür können Sie die Zeit nutzen, um Ihre Alternativen genau zu prüfen und sich dann für die bestmögliche entscheiden.
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