Arbeitslosigkeit für Führungskräfte: Wie konnte das passieren?
Arbeitslose haben einen höheren Stresspegel als Führungskräfte.
Grund: Mit steigendem beruflichen Status sinkt der Stresspegel. Führungskräfte haben Spielraum, können sich ihren Tag mehr oder weniger frei einteilen – ein Stress-Killer. Das ergab 2014 eine Untersuchung des IGES-Forschungsinstituts im Auftrag der DAK-Krankenkasse.
Arbeitslose haben diesen Handlungsspielraum nur vordergründig. Sie haben zwar Zeit, sind in Wahrheit aber sozialen und finanziellen Zwängen unterworfen.
Und mentalen. Laut DAK-Untersuchung machen sie sich sehr viel mehr Sorgen als andere, haben ständig das Gefühl, ihre Leistung nicht bringen zu können.
Was aber, wenn Arbeitslosigkeit auf Führungskraft trifft? Die Vermutung, dass speziell Manager nach ihrer Kündigung noch gestresster und sorgenvoller sind als andere, drängt sich auf. Gerade noch der Big Boss, jetzt den Versager-Stempel auf der Stirn.
Immerhin haben gefeuerte Führungskräfte einen großen Vorteil: Sie fallen finanziell meist weich – entweder weil sie eine hohe Abfindung kassieren oder zur Genüge vorgesorgt haben. Sie können es sich leisten, so wie Carlo Ancelotti nach seinem Rausschmiss beim FC Bayern München, erst einmal gar nichts zu tun.
Die schlechte Nachricht: In vielen Managern steigen nach dem Rauswurf ungekannte Ängste auf. Wer sich möglicherweise nie hat bewerben müssen, sondern immer nur abgeworben wurde, ist umso entsetzter, wenn er plötzlich nicht mehr gefragt ist.
Und: Für Manager und Führungskräfte ist es mitunter deutlich schwieriger als für andere, einen neuen, adäquaten Job zu finden. Unter anderem aus diesen Gründen:
Arbeitslose Führungskräfte: Darum ist ihre Jobsuche so schwierig
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Spezialisierung
Sie kann ein Segen, aber auch ein Fluch sein. Wer jahrelang – oder gar jahrzehntelang – in ein und derselben Branche unterwegs war, kann nicht einfach so aufs andere Pferd umsteigen.
Beispiel: Ein Manager, der arbeitslos wird, weil seine ganze Branche zusammenbricht – zum Beispiel die deutsche Solarindustrie. Er hat nicht nur seine Stelle, sondern sein ganzes Umfeld verloren. Branchenexpertise – nicht mehr gefragt.
Das macht die Suche nach einer Ersatzbeschäftigung – die ja möglichst auf dem gleichen Niveau sein soll – nicht leichter. -
Hierarchien
Dass die Berufswelt ihre Hierarchien verliert, lässt sich pauschal ganz sicher nicht behaupten. Doch der Trend zeigt – teilweise zumindest – durchaus in diese Richtung.
Flache Hierarchien zum Beispiel in Startups, agile Teams, mehr Eigenverantwortung durch Outsourcing – etwa durch vermehrten Einsatz von Freelancern – dampfen Hierarchien ansatzweise ein.
Resultat: Führungskompetenz allein ist keine Eigenschaft, mit der man überall punktet. -
Überqualifzierung
„Sie sind für die Stelle leider überqualifiziert.“ Schon mal gehört?
Der abgewählte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Torsten Albig, sorgt deshalb vor. Er plane gerade eine berufliche Zukunft, sagte er in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, „zum Beispiel, in dem ich als Jurist, Verwaltungsprofi und Generalist die Verantwortung für die Kommunikation oder andere Prozesse eines großen Unternehmens übernehme“. Und dass er außerdem nicht „die Nummer eins sein muss.“
Was für Ministerpräsidenten gilt, gilt für viele Führungskräfte. Oben ist die Luft dünn, dünner, am dünnsten.
Je weiter oben man auf der Karriereleiter stand, desto schwieriger ist es, wieder eine vergleichbare Position zu finden. -
Alter
Torsten Albig ist übrigens 54 Jahre alt. Kein Alter, in dem einem die Jobofferten so zahlreich zufliegen wie Bienen im Garten.
Davon sind viele Führungskräfte betroffen, die im mittleren oder fortgeschrittenen Lebensalter vor die Tür gesetzt werden – mit Mitte 40, Anfang 50 oder 60.
Das belegen auch Zahlen des Statistischen Bundesamts. So arbeiten 53,4 Prozent aller Führungskräfte schon mindestens zehn Jahre in ihrem Unternehmen. 2011 waren es erst 50 Prozent. Sie sind damit die Dauerläufer unter den Berufstätigen – und deshalb oft auch keine Jungspunde mehr, wenn sie fliegen.
Zum Vergleich: Nur 32 Prozent der Hilfsarbeiter, 40,2 Prozent der Akademiker ingesamt, 49 Prozent der Handwerker, 50,3 Prozent der Bürokräfte und 51,7 Prozent der Techniker arbeiten schon zehn Jahre in ihrem aktuellen Betrieb.
Wie also mit der neuen Situation umgehen? Karrierebibel hat Vorschläge…
Arbeitslose Führungskräfte: Das können sie tun
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Netzwerken
Vitamin B ist noch immer der wertvollste Nährstoff für Arbeitslose. Laut IAB-Studie werden 40 Prozent aller offenen Stellen über Kontakte vergeben.
Je besser gepflegt das Netzwerk, desto wertvoller ist es in einer Notsituation. Networking könnte man daher als Präventionsmaßnahme verstehen.
Für Manager gilt das noch mehr als für einfache Angestellte, da ihre Möglichkeiten oft stark eingegrenzt sind. Und weil sie ihr Risiko, arbeitslos zu werden, bisweilen unterschätzen – genauso wie den Wert eines starken Netzwerks im Allgemeinen. -
Expertentum
Was geschasste Führungskräfte häufig tun: Sie positionieren sich als freiberufliche Consultants. Das schönt den Lebenslauf – und ist eine beliebte Option, um Arbeitslosigkeit zu kaschieren. So gibt man sich keine Blöße, muss nicht arbeitsuchend ins Xing-Profil schreiben.
Aber vielleicht lässt sich auf dieser Basis wirklich etwas aufbauen: Indem man sich als Experte zu einem bestimmten Thema oder Fachbereich in Stellung bringt, ein Blog betreibt, als Redner auf Vorträgen auftritt, Gastbeiträge veröffentlicht usw.
Eine Reputation als Fachmann erwirbt man leider erst nach langer, harter Arbeit. Aber es kann der Start in eine neue Karriere sein – als echter Consultant. -
Headhunter
Headhunter und Outplacement-Berater sind beliebte Ansprechpartner für arbeitsuchende Führungskräfte. Positiv: Gute Headhunter arbeiten diskret, verhindern also, dass Ihre Lage – die Ihnen vielleicht peinlich ist – publik wird.
Strecken Sie also ruhig die Fühler aus, ergänzen Sie Ihr Netzwerk mit Headhuntern, suchen Sie Hilfe und Beratung. Wunderdinge sollte man sich von den Vermittlern aber nicht versprechen. Zu schwierig die Aufgabe, zu rar die Top-Positionen. -
Selbstständigkeit
Aus der Not heraus gründen – ein bekanntes Phänomen. Für Ex-Manager aber bietet sich die Selbstständigkeit oft tatsächlich an. Sie verfügen über finanzielle Reserven, Expertise, Verhandlungsstärke und Kontakte.
Optionen: Eine eigene Geschäftsidee verfolgen, die schon lange im Hinterkopf herumschwirrte. Ein Geschäft übernehmen. Firmenanteile erwerben. Franchise-Nehmer werden. Wohl durchdacht sollte Gründung oder Geschäftseintritt aber in jedem Fall sein. -
Downsizing
Niemand entwickelt sich gerne zurück – auch beim Gehalt nicht.
Die Wahrheit aber ist: Je höher Sie auf der Karriereleiter waren, desto unwahrscheinlicher, dass Sie wieder eine adäquate Stelle bekommen – und damit ein ähnlich dickes Gehalt.
Manager, die Gehaltsabstriche einkalkulieren, gehen realistischer auf Jobsuche. Realismus hilft.
Und: Wer als Manager (weitgehende) finanzielle Unabhängigkeit erlangt hat, könnte auch ganz andere Wege gehen. Downsizen kann dann auch bedeuten, sich einer ehrenamtlichen Tätigkeit zu verschreiben oder ein Café zu eröffnen. Weniger Rendite, mehr Identifikation. -
Selbstreflexion
Manch ein Manager ist es gewohnt, tagsüber von Ja-Sagern umgeben zu sein. „Ja, Chef. Klar, Chef. Super Idee, Chef!“. Das kann zu Selbstüberhöhung und Selbstüberschätzung führen.
Damit ist jetzt Schluss. Brutal gesagt: Als Arbeitsloser stehen Sie wieder ganz hinten an den Futtertrögen. Niemand mehr da, der Ihnen Freundlichkeiten ins Ohr säuselt. Zeit, um sich das klar zu machen.
Dazu gehört auch, realistisch einschätzen zu können, was geht und was nicht. Alternativen, die man dabei berücksichtigen kann: ein Branchenwechsel. Der Wechsel ins Ausland. Oder auch die Verfolgung eines Lebenstraums – die Promotion zum Beispiel.
Arbeitslose Führungskräfte: Hier melden!
Eine eigene Anlaufstelle für Führungskräfte hat die Bundesagentur für Arbeit – die ZAV-Managementvermittlung in Bonn.
Sie richtet sich an ehemalige Vorstände, Geschäftsführer, Abteilungs- und Betriebsleiter – und soll ihnen den Weg zurück ins Berufsleben ebnen. Wie das konkret aussehen kann, beschreibt die BA hier.