Definition: Was ist emotionale Führung?
Emotionale Führung ist ein Führungsstil, in dem Führungskräfte auf die eigenen Emotionen und die Gefühle der Mitarbeiter achten. Vorgesetzte gehen bewusst auf die emotionalen Bedürfnisse ein und sind in der Lage, je nach Arbeitnehmer und Situation angemessen zu reagieren.
Grundvoraussetzungen sind emotionale Intelligenz, Empathie und Selbstreflexion. Richtig umgesetzt stärkt emotionale Führung das Vertrauen und die Motivation.
Ursprung der emotionalen Führung
Der Begriff „emotionale Führung“ stammt (wie auch die emotionale Intelligenz) vom amerikanischen Psychologen Daniel Goleman.
In mehreren Büchern („Emotionale Führung: Durch emotionale Intelligenz erfolgreich in Führungspositionen sein“, „Leadership: The Power of Emotional Intelligence“) beschreiben er und seine Kollegen Richard Boyatzis und Annie McKee die Bedeutung sowie verschiedene Stile emotionaler Führung.
6 Stile emotionaler Führung nach Goleman
Goleman, Boyatzis und McKee sehen emotionale Führung als übergeordnete Verhaltensweise und Rahmenbedingung der Mitarbeiterführung. Es gibt deshalb auch nicht eine konkrete Vorgabe für die bestmögliche Vorgehensweise – die Wissenschaftler unterscheiden insgesamt sechs Führungsstile innerhalb der emotionalen Führung.
Dabei gilt: Keiner dieser emotionalen Führungsstile ist grundsätzlich besser oder schlechter als andere. Jeder hat eigene Vorteile und passt zu verschiedenen Situationen. Hier eine Übersicht zu den Arten emotionaler Führung:
- Führungskräfte geben eine gemeinsame Vision und eine Richtung vor.
- Wenig Einmischung bei der genauen Umsetzung (kein Mikromanagement).
- Besonders nützlich bei anstehenden Veränderungen und Neuausrichtungen.
- Führungskräfte erkennen und fördern Stärken von Mitarbeitern.
- Viele Gespräche und großes Einfühlungsvermögen
- Besonders nützlich zur individuellen Förderung und zur Personalentwicklung.
- Führungskräfte achten auf emotionale Bedürfnisse und Harmonie.
- Kein alleiniger Führungsstil, sondern in Kombination mit anderen Formen.
- Besonders nützlich zum Aufbau von Loyalität
- Führungskräfte beziehen Mitarbeiter in Prozesse und Entscheidungen ein.
- Fördert Motivation, Verantwortungsbewusstsein und selbstständiges Denken sowie Handeln.
- Besonders nützlich bei großen Entscheidungen und erfahrenen Teams.
- Führungskräfte erwarten viel und fordern gute Leistungen
- Hohe Ansprüche, aber weiterhin Freiheit bei der Umsetzung
- Besonders nützlich bei kurzfristiger Leistungssteigerung (Abschluss eines Projekts).
- Führungskräfte machen klare Ansagen und erlauben keine Diskussion.
- Detaillierte Vorgaben und Kontrolle (Mikromanagement)
- Besonders nützlich in kurzfristigen Krisen, wo schnelles Handeln und klare Regeln wichtig sind.
1. Visionäre Führung (Visionary)
Visionäre Führungskräfte versetzen sich mit viel Empathie gut in ihre Mitarbeiter und schwören das Team auf ein gemeinsames Ziel ein. Diese geteilte Vision schweißt zusammen, stärkt den Zusammenhalt und das Wir-Gefühl.
Aber: Es ist schwierig, ein solches Ziel zu finden und richtig zu kommunizieren. Alle Mitarbeiter müssen an einem Strang ziehen.
Beispiel: „In 5 Jahren sind wir Marktführer auf diesem Bereich – lasst uns gemeinsam dorthin kommen.“
2. Coachende Führung (Coaching)
Der coachende Führungsstil geht auf die individuellen Stärken und Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters ein. Diese werden gezielt gefördert. Es entstehen Vertrauen und eine persönliche Bindung.
Aber: Diese Art der Mitarbeiterführung ist sehr zeitintensiv. Es braucht persönlichen Austausch, Feedback und Mitarbeitergespräche.
Beispiel: „Was brauchst du, um deine Ziele zu erreichen?“
3. Gefühlsorientierte Führung (Affiliative)
Bei gefühlsorientierter Führung legen Vorgesetzte Wert auf Harmonie, Zufriedenheit und die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeiter. Es geht nicht nur um professionelle Zusammenarbeit, Führungskräfte sind auch Ansprechpartner bei Konflikten am Arbeitsplatz oder für persönliche Probleme. Dies ist im Kern das, was allgemein als emotionale Führung beschrieben wird.
Aber: Der Stil stellt hohe Anforderungen an Führungskräfte. Zudem ist er je nach Situation und Team schwieriger umzusetzen. Manche Mitarbeiter bevorzugen fachliche Anleitung statt emotionaler Begleitung.
Beispiel: „Wie geht es dir und wie kann ich dir helfen?“
4. Demokratische Führung (Democratic)
Demokratische Führung setzt auf große Teilhabe von Mitarbeitern an Entscheidungsprozessen. Chefs entscheiden nicht im hierarchischen Top-down-System, sondern in offener Absprache und Abstimmung mit dem Team. Das zeigt Wertschätzung und gibt echte Verantwortung ab.
Aber: Es sind Kompromisse notwendig und es drohen endlose Gruppendiskussionen – nicht geeignet bei kurzfristigen Entscheidungen.
Beispiel: „Was denkt ihr – wie sollten wir hier am besten vorgehen?“
5. Fordernde Führung (Pacesetting)
Im fordernden Führungsstil stehen der Leistungsgedanke und hohe Erwartungen im Vordergrund. Mitarbeiter sollen höhere Ziele erreichen und beste Ergebnisse liefern. So werden ehrgeizige, leistungswillige und kompetente Mitarbeiter für eine Zeit besonders angespornt.
Aber: Dauerhafter Druck kann zu Überforderung und schlimmstenfalls Burnout führen. Dieser Führungsstil sollte daher immer mit der visionären oder emotionalen Führung kombiniert werden.
Beispiel: „Ich erwarte, dass wir das Projekt bis zum Ende der Woche abgeschlossen haben.“
6. Befehlende Führung (Commanding)
Befehlende Führung braucht Vorgaben, klare Regeln und Kontrolle. Mitarbeiter sollen Befehle und Anweisungen ohne Wenn und Aber befolgen (siehe: autoritärer Führungsstil). In Ausnahmesituationen kann das sinnvoll und notwendig sein – bei Krisen, Notfällen oder um Fehler auszubügeln.
Aber: Langfristig leiden die Motivation und die Zufriedenheit. Zudem braucht es viel Know-how und Menschenkenntnis, damit Befehle akzeptiert und nicht hinterfragt werden. Dieser Stil ist auch für Führungskräfte belastend, weil sie viele zusätzliche Aufgaben übernehmen und alles kontrollieren.
Beispiel: „Mach es genau so, wie ich es dir gesagt habe.“
Emotionale Führung in Kombination mit Führungsstilen
Emotionale Führung macht Vorgesetzte oft erfolgreicher. Die Forscher argumentieren, dass der Führungsstil ein Arbeitsklima etabliert, in dem Mitarbeiter ernst genommen werden und sich wohl fühlen. Sie werden geschätzt, auf Augenhöhe behandelt und menschlich respektiert. Emotionale Führung berücksichtigt individuelle Aspekte und geht auf jeden einzelnen ein – niemand fühlt sich als austauschbarer Befehlsempfänger.
Goleman macht aber auch deutlich: Die Vorteile basieren auf dem Wissen, in welcher Situation welcher Führungsstil geeignet ist. Chefs müssen die Charakteristika und Unterschiede der verschiedenen Stile sowie deren Auswirkungen kennen. Erst die Kombination und Anpassung an die Umstände macht den Erfolg aus.
Resonante und dissonante Führungsstile
Führungsstile gibt es viele (mehr dazu auch weiter unten). Warum ist gerade die emotionale Führung erfolgreich und beliebt? Goleman erklärt dies mit der Unterscheidung zwischen resonanten und dissonanten Führungsstilen.
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Dissonante Führung
Dissonante Führungsstile (z.B. fordernd und befehlend) erzeugen auf Dauer negative Stimmung. Es gibt wenig Vertrauen und kaum intrinsische Motivation Solche Führungsarbeit ist nur kurzfristig möglich – sonst ist es Zeichen von toxischer Führung.
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Resonante Führung
Resonante Führung (visionär, coachend, gefühlsorientiert, demokratisch) verbessern das Betriebsklima, sorgen für Spaß an der Arbeit und hohe Mitarbeitermotivation.
Führungsstile nach Weber und Lewin
Neben emotionaler Führung gibt es zahlreiche weitere Führungsstile. Bekannt sind vor allem die Stile von Kurt Lewin und Max Weber. Zum Vergleich und für eine mögliche Kombination verschiedener Stile stellen wir die Arten in der Übersicht vor.
Da es Überschneidungen zwischen den Ansätzen gibt, haben wir die Erklärungen der Führungsstile teilweise zusammengefasst:
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Autokratisch
Bei autokratischer (Weber) beziehungsweise autoritärer oder hierarchischer Führung (Lewin) gibt es einen Befehlshaber und einen Befehlsempfänger. Der Chef ist über jede Kritik erhaben, Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter sind uninteressant. Die klaren Vorgaben diese Art der Mitarbeiterführung bedeuten Sicherheit für die Angestellten. Gleichzeitig wird jede Kreativität erstickt.
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Charismatisch
Charismatische Führungskräfte motivieren und begeistern Mitarbeiter mühelos. Sie überzeugen durch ihr Auftreten und positive Ausstrahlung. So entwickeln Mitarbeiter großes Engagement und lassen sich mitreißen. Hier gibt es Überschneidungen zum visionären Führungsstil nach Goleman.
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Bürokratisch
Die bürokratische Führung zeichnet sich durch wechselnde Führungspersonen aus, die für begrenzte Zeit ihre Machtbefugnis ausüben. Klare Richtlinien und Dienstanweisungen regeln den Arbeitsablauf. Dafür mangelt es an Flexibilität. Auch ermöglichen die Vorgaben wenig Selbständigkeit, die Eigeninitiative der Mitarbeiter ist gering.
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Laissez-faire
Laissez-faire Führung bedeutet maximale Freiheit für Mitarbeiter. Sie handeln selbstständig und nahezu komplett eigenverantwortlich. Vorgesetzte machen keine (oder nur minimale) Vorgaben und mischen sich nicht ein. Das fördert kreative Prozesse und eigenständige Problemlösung, fehlende Vorgaben erzeugen aber auch Druck und führen zu unklaren Verantwortungen (siehe: Holokratie).
Ist ein emotionaler Führungsstil umsetzbar?
Häufige Kritik an der emotionalen Führung: Im Job geht es vor allem sachlich, professionell und eher nüchtern zu. Führung mit Fokus auf Emotionen scheint nicht in die Arbeitswelt zu passen. Das stimmt jedoch nicht. Hinter der vorschnellen Beurteilung steht eine falsche Auffassung von emotionaler Führung:
- Der Chef lässt seinen Gefühlen ständig freien Lauf.
- Rationale Argumente werden ignoriert.
- Vorgesetzte sind überschwänglich nett.
Emotionale Führung ist keine unprofessionelle Gefühlsduselei. Es gibt trotzdem Konflikte im Team, Chefs sind unzufrieden und kritisieren Mitarbeiter. Auch negative Themen werden angesprochen.
Es gibt aber einen Unterschied zwischen konstruktiver Kritik, bei der Rücksicht auf die Emotionen und Bedürfnisse des Mitarbeiters genommen wird und einem cholerischen Anfall mit lauten Schuldzuweisungen. Leider achten zu wenige Vorgesetzte darauf, welche Rolle Gefühle im Umgang mit anderen Menschen spielen.
Viele Mitarbeiter unzufrieden mit dem Führungsstil
Gallup-Studien zeigen: Bis zu 97 Prozent der Vorgesetzten schätzen sich selbst als gut ein – 79 Prozent der Arbeitnehmer sprechen ihren Chefs hingegen gute Führungsqualitäten ab. Sie fühlen sich nicht genügend motiviert, um hervorragende Arbeit zu leisten und auch die Bindung an das Unternehmen ist gering.
Wichtige Ursache ist dabei auch der Führungsstil – gerade autoritäres Auftreten gilt als nicht mehr zeitgemäß und steigert die Fluktuationsrate. Emotionale Führung ist eine moderne Alternative und verdeutlicht den Unterschied zwischen Vorgesetzten und echtem Leadership.
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