Angehörige pflegen: Freistellung & Hilfe für Berufstätige

Wenn Sie Angehörige pflegen, müssen Sie im Beruf oftmals zurückstecken. Doch welche Möglichkeiten haben Berufstätige – in Form von Sonderurlaub, Freistellungen oder auch finanzieller Unterstützung? Hier finden Sie die wichtigsten Informationen, wenn Sie Angehörige pflegen…

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Angehörige pflegen: Eine vielseitige Herausforderung

Egal, ob die Eltern im Alter gebrechlich und hilfsbedürftig werden, der Partner durch eine schwere Krankheit auf Sie angewiesen ist oder Sie ein pflegebedürftiges Kind haben: Das eigene Leben ändert sich von heute auf morgen, wenn Sie Angehörige pflegen müssen.

Sie stehen vor großen Veränderungen und zahlreichen Fragen. Wie können Sie die Pflege leisten? Wie wirkt sich die Situation auf Ihre Finanzen aus? Die Herausforderungen betreffen gleich mehrere Ebenen.

  • Mentale Ebene
    Angehörige pflegen ist ein enormer Druck und eine große psychische Belastung. Andere Menschen sind (noch mehr als vorher) auf Sie angewiesen. Gleichzeitig müssen Sie erkennen und akzeptieren, dass sich Ihr Leben ändert und Pläne oder Ziele nicht mehr wie geplant realisierbar sind.
  • Logistische Ebene
    Pflege und andere Lebensbereiche müssen koordiniert werden: Was erledigen Sie selbst? Wann ist Ihre Arbeitszeit? Wann kommen möglicherweise Betreuungsdienste? Je nach Situation müssen Sie auch eine Rund-um-die-Uhr-Pflege organisieren und gewährleisten. Oder es müssen bauliche Maßnahmen zur Barrierefreiheit geplant und durchgeführt werden.
  • Emotionale Ebene
    Es ist emotional ungemein belastend, geliebte Menschen zu pflegen. Sie opfern sich selbst auf, haben gleichzeitig das Gefühl, nicht genug zu tun oder nicht ausreichend helfen zu können. Schon die Erkenntnis, dass Eltern oder Partner auf Hilfe angewiesen sind und sich nicht alleine versorgen können, ist schwierig zu verarbeiten.
  • Fürsorgliche Ebene
    Wollen Sie Angehörige pflegen, müssen Sie sich häufig neue Fertigkeiten und Kenntnisse aneignen. Sie brauchen das nötige Wissen zu medizinischen oder versorgungstechnischen Abläufen und Methoden, um eine angemessene Pflege zu ermöglichen.
  • Berufliche Ebene
    Viele Berufstätige müssen im Job kürzertreten, um die Pflege von Angehörigen zu ermöglichen. Sie brauchen genügend Zeit für die Pflege, also müssen Sie Arbeitszeiten reduzieren oder sich komplett freistellen lassen. Das bedeutet auch, dass Karrierepläne verschoben oder gestrichen werden müssen – zusätzlich zur doppelten Belastung von Job und häuslicher Pflege.
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Sonderurlaub und Freistellung bei der Pflege von Angehörigen

Für die Pflege von Angehörigen brauchen Sie Zeit – um sich selbst kümmern zu können und auch die Pflege durch andere zu organisieren. Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) enthalten deshalb Regelungen, um kürzeren Sonderurlaub oder längere Freistellungen zu ermöglichen. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Möglichkeiten vor:

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

Sie können für bis zu 10 Tage am Stück von der Arbeit fernbleiben, wenn Sie in einer akuten Pflegesituation einen nahen Angehörigen selbst pflegen oder in dieser Zeit eine bedarfsgerechte Pflege organisieren. Dies müssen Sie Ihrem Arbeitgeber vorher mitteilen – inklusive der voraussichtlichen Dauer Ihrer Arbeitsverhinderung. Falls vom Unternehmen verlangt, müssen Sie dazu eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit vorlegen. Geregelt ist dies in § 2 PflegeZG.

Pflegezeit

Durch die reguläre Pflegezeit können Sie sich für bis zu 6 Monate entweder ganz oder teilweise für die Pflege eines Angehörigen von der Arbeit freistellen lassen. Dies ist möglich, wenn Sie die Pflege selbst in häuslicher Umgebung übernehmen. Wird der Angehörige also zum Beispiel in einer Pflegeeinrichtung betreut, entfällt die Möglichkeit.

Eine weitere Ausnahme: Anspruch auf Pflegezeit gibt es nur bei Arbeitgebern mit 15 oder mehr Beschäftigten. Mitarbeiter in kleinen Unternehmen können sich nicht darauf berufen. Mindestens 10 Tage vor Beginn der Pflegezeit müssen Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich über Dauer und Umfang der Freistellung informieren. Die gesetzlichen Regelungen finden Sie in den Paragraphe 3 und 4 des Pflegezeitgesetzes.

Familienpflegezeit

Die Familienpflegezeit baut auf der regulären Pflegezeit auf. Mit dieser Regelung können Sie sich in besonderen Fällen für bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen, wenn Sie Angehörige pflegen. Ihren Beruf können Sie auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden drosseln, um neben dem Job besser und ausreichend für Ihre Angehörigen da zu sein.

Wer kann Pflegezeiten in Anspruch nehmen?

Das Gesetz regelt einen Anspruch auf Freistellungen für die „Pflege naher Angehöriger“. Das kann verschiedene Familienangehörige umfassen. Der Kreis möglicherweise anspruchsberechtigter Personen ist erweitert worden. Als nahe Angehörigen gelten demnach:

  • Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Partner in einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft
  • Kinder, Adoptivkinder, Pflegekinder des Ehegatten beziehungsweise Lebenspartners
  • Geschwister
  • Enkel- und Schwiegerkinder
  • Verschwägerte Personen
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Finanzielle Unterstützung im Pflegefall

Sie pflegen Angehörige und lassen sich dazu beruflich freistellen. Dabei verzichten Sie ganz oder teilweise auf Ihr Gehalt. Um die finanziellen Einbußen teilweise auszugleichen, gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Pflegegeld

    Das Pflegegeld wird von der Pflegeversicherung an Betroffene gezahlt – auch dann, wenn Angehörige die Pflege übernehmen. Liegt mindestens Pflegegrad 2 vor und die Pflege findet in häuslicher Umgebung statt, wird das Pflegegeld von der Pflegekasse überwiesen und kann vom Pflegebedürftigen frei genutzt werden. Oft als Verdienstausgleich für die Angehörigen, die sich kümmern.

  • Pflegeunterstützungsgeld

    Pflegeunterstützungsgeld ist eine Lohnersatzleistung, die den kurzfristigen Verdienstausfall durch eine akute Pflegesituation ausgleichen soll. Für die oben genannte Freistellung von bis zu 10 Tagen kann die Pflegekasse die Lohnersatzleistung zahlen. Der Anspruch gilt für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Größe des Unternehmens – Ausnahmen gibt es, wenn Sie bereits in Pflegezeit beziehungsweise Familienpflegezeit sind oder der Arbeitgeber freiwillig das Gehalt weiterzahlt.

  • Zinsloses Darlehen

    Beschäftigte können beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen beantragen, um die Zeit der beruflichen Freistellung zur Pflege von Angehörigen zu finanzieren. Das Darlehen wird als monatliche Rate ausgezahlt und muss ebenso monatlich nach Wiedereinstieg in den Beruf monatlich zurückgezahlt werden.

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Angehörige pflegen: Was gilt für die eigene Rente?

Etwa fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland – Tendenz seit Jahren steigend. Studien zufolge werden bis zu 80 Prozent zuhause versorgt und gepflegt, größtenteils von eigenen Angehörigen. Für viele ist es selbstverständlich, sich beispielsweise um die eigenen Eltern zu kümmern. Gleichzeitig hat es große Auswirkungen: Wer die eigene Arbeitszeit verkürzt, hat nicht nur weniger Einkommen. Auch die Höhe von Arbeitslosengeld und der späteren Rente können sinken.

Um diesen Nachteil auszugleichen, springen Renten- und Pflegeversicherung ein. Die Pflegezeiten werden für die Rente als Beitragszeiten gezählt und es wird die Wartezeit angerechnet. Von der Pflegekasse kommen zusätzlich Beiträge für Ihre Rente – abhängig vom zeitlichen Umfang und dem Pflegegrad Ihres Angehörigen. Für diese Leistungen müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Dem Pflegebedürftigen stehen Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung zu.
  • Sie üben die Pflege nicht im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit aus.
  • Pro Woche nimmt die Pflege an mindestens 2 Tagen 10 Stunden in Anspruch und geht über mehr als 2 Monate im Jahr.
  • Sie wohnen in Deutschland, im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz.

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