Definition: Was sind Micro-Degrees?
Micro-Degrees bezeichnen Miniabschlüsse (synonym: Mikroabschlüsse, Mikronachweise, Micro-Credentials), die meistens online in Form einer Weiterbildung oder während des Studiums erworben werden. Dabei handelt es sich um kleinste Studieninhalte, die Studierende separat erlernen.
Viele Micro-Degrees sind Teil allgemeiner Weiterbildungsangebote oder Webinare und können teils kostenlos erworben werden – vor allem im Rahmen sogenannter MOOCs. Das Kürzel MOOCs steht für „Massive Open Online Courses“ (deutsch: riesige offene Onlinekurse). Diese haben die Hochschul- und Erwachsenenbildung revolutioniert, indem sie ohne Zugangsbeschränkungen Wissen für alle bereitstellen. Hier tauchten erstmals Micro-Degrees auf, mit denen sich Kursteilnehmer ihre neu erworbenen Kompetenzen bescheinigen lassen konnten.
Micro-Degrees in der Hochschullehre
Viele Hochschulen arbeiten heute daran, Studieninhalte nicht nur in Micro-Degrees aufzuteilen, sondern damit auch wieder zusammensetzen zu lassen. So werden daraus Bausteine für einen regulären, akademischen Studienabschluss, der nicht nur Studierende sondern auch Berufstätige anspricht. Damit bieten die Micro-Degrees nicht nur einen einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten, sondern ermöglichen zugleich das lebenslange Lernen.
Unterschiede zwischen Badges und Micro-Degrees
Neben Micro-Degrees gibt es noch Nano-Degrees – noch kleinere Abschlüsse – und Badges (deutsch: Abzeichen). In der digitalen Bildung stehen Badges ebenfalls für den Nachweis von erworbenes Wissen oder Kompetenzen. Micro-Degree und Badges werden häufig synonym verwendet. Der Unterschied ist: Micro-Degrees werden im Rahmen formaler Fortbildungen an Bildungseinrichtungen erworben – Badges sind Nachweise nicht formal erworbener Kompetenzen. Sie dienen eher der Aufwertung des eigenen Portfolios oder CV.
Vorteile von Micro-Degrees und Nano-Degrees
Ob Micro-Credentials oder Nano-Zertifikate: Die Mini-Zertifikate stillen den Bedarf nach Belegen für den Kompetenzerwerb, sind aber nicht so zeitintensiv und aufwendig wie ein ordentliches Studium. Allein für einen Bachelor-Abschluss benötigt Studierende im Schnitt 3 Jahre. Für ein berufsbegleitendes Studium haben aber nicht alle Zeit.
Oft braucht es auch kein Studium. Um im Job weiterzukommen oder um sich fehlendes Know-how schnell anzueignen, reichen oft schon Micro-Degrees aus Seminaren, Workshops oder Webinaren. Diese haben durchaus Vorteile:
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Signalwirkung
Von Micro-Degrees geht Signalwirkung aus: Wer sich neben der Arbeit weiterbildet, zeigt Eigeninitiative und Lernbereitschaft. Gleichzeitig lassen sich Online-Kurse besser in den Arbeitsalltag integrieren.
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Passgenauigkeit
Bewerber können mit den Mini-Abschlüssen ihren Lebenslauf aufwerten und mittels Nano-Zertifikaten ihre Bewerbung noch genauer auf das jeweilige Unternehmen und den Job zuschneiden.
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Niedrigschwelligkeit
Wer eine klassische Weiterbildung oder Studium absolviert, bindet sich für längere Zeit. Micro-Degrees sind schnell erworben. Das senkt gleichzeitig die Hemmschwelle, sich neues Wissen anzueignen.
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Wachstumspotenzial
Es gibt inzwischen zahlreiche Micro-Degrees. Diese ermöglichen persönliches Wachstum sowie den gezielten Einsatz für Job und Karriere. Wer beruflich vorankommen und sein Einkommen verbessern will, liegt damit absolut richtig.
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Anwendernutzen
Hochschulen stehen teilweise in der Kritik, zu abstrakt und theoretisch am Arbeitsmarkt vorbei Wissen zu vermitteln. Bei unternehmenseigenen Micro-Degrees orientiert sich der Abschluss stets an gefragten Inhalten aus dem Job.
Wann sollte ich Micro-Degrees in der Bewerbung erwähnen?
Die Bedeutung von Micro-Degrees wächst. Bei einer Handelsblatt-Umfrage unter Personalern sagten diese, dass sie es positiv bewerten, wenn Arbeitnehmer sich eigenständig weiterbilden und dies nachweisen. Besonders digitale Zertifikate würden Digitalkompetenz signalisieren, die in Zukunft immer wichtiger wird.
Micro-Degrees in der Bewerbung angeben oder nicht? Grundsätzlich müssen Bewerber auswählen: Im Bewerbungsschreiben oder tabellarischem Lebenslauf werden nur solche Zusatzqualifikationen genannt, die für die angestrebte Stelle relevant sind.
Wer zum Beispiel seine Englischkenntnisse im Rahmen eines MOOcs auf das nächste Level bringt, sollte das nur angeben, wenn die Fremdsprache im Berufsalltag eine wichtige Rolle spielt. Bei Englisch trifft das häufig zu – bei einem Micro-Degree in KI (= Künstliche Intelligenz) ist das für deutlich weniger Berufe relevant (siehe: Lebenslauf-Angaben und Kenntnisse im Lebenslauf).
Welche Micro-Degrees gibt es?
Zahlreiche Online-Angebote bieten heute Micro-Degrees. Dazu gehören staatliche wie private Hochschulen oder Volkshochschulen mit ihren VHS-Kursen sowie diverse Online-Akademien. Bekannte E-Learning-Anbieter sind zum Beispiel Udemy, Udacity, Coursera, edX oder FutureLearn.
Auch Unternehmen wie SAP oder Google bieten mit OpenHPI (Platform des Hasso-Plattner-Instituts) oder Google Zukunftswerkstatt eigene Micro-Kurse. Inhaltlich reicht die Spannbreite von Lernmethoden über berufsrelevante Zusatzinhalte bis hin zu Soft Skills. Insgesamt gibt es drei große Bereiche:
1. Studium
Wissenschaftliche Micro-Degrees orientieren sich inhaltlich an Studienabschlüssen. Sie versuchen Kompetenzen zu vermitteln, die Studierende unmittelbar nutzen können. Dazu zählen wissenschaftliches Arbeiten oder Schlüsselqualifikationen mit wissenschaftlichem Praxisbezug.
2. Berufsleben
Vor allem private Anbieter wie auch das OpenHPI bieten Zertifizierungsprogamme mit klarem Berufsbezug – etwa für Design Thinking Coaches oder Kurse zur künstlichen Intelligenz. Ebenso gibt es MOOCs zu Krisenmanagement, Mathematik oder Programmiersprachen.
3. Persönlichkeitsentwicklung
Neben klassischen Hard Skills können Sie in Online-Kursen ebenso soziale Kompetenzen trainieren. Daneben gibt es Kurse in Arbeitspsychologie, Projekt- oder Zeitmanagement für Berufstätige sowie Kurse zum Sprachtraining für Migranten.
Kritik an Micro-Credentials
Für Micro-Degrees und Micro-Credentials gab es während der Corona-Pandemie einen enormen Boom. Das Online-Studium und Fernstudium wurde attraktiv – eine andere Möglichkeit zum Lernen gab es auch nicht.
Allerdings – auch das eine Erkenntnis aus der Corona-Zeit – fehlt beim digitalen Lernen oft der Austausch mit Gleichgesinnten und Mitlernenden. Gerade der Diskurs fördert Erkenntnisse und bildet oft den „sozialen Kitt einer Hochschule“, sagt zum Beispiel Ulrike Tippe, Präsidentin der Technischen Hochschule Wildau.
Reputation bleibt oft unklar
Hinzu kommt, dass die Qualität der Mini-Kurse für Außenstehende schwer überprüfbar ist. Aufgrund der heutigen Fülle an Micro-Degrees verschwimmt deren Aussagekraft zusehends. Nicht jedes Zertifikat besitzt eine anerkannte Reputation im Markt und bei potenziellen Arbeitgebern. Viele Anbieter versprechen das Blaue vom Himmel – doch kennt die Micro-Credentials niemand.
Im Worst Case haben Sie einen Nachweis erworben, der zwar zum Job passt, der dort aber keinen Wert hat, weil die Bildungseinrichtung nicht be- oder anerkannt ist. Ganz umsonst ist der Einsatz aber nie: Erstens lernt man nie aus; zweitens kann das Wissen auch weiterhelfen, wenn der Abschluss nicht mal zu einem Micro-Degree mit Zertifikat führt.
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