Hyperhidrose Definition: Schwitzen bis der Arzt kommt
Wissenschaftlich definiert wird Hyperhidrose nicht nur als übermäßiges Schwitzen. Man spricht davon erst, wenn beispielsweise in einer Achselhöhle innerhalb von fünf Minuten 100 mg Schweiß und mehr abgesondert werden. Man unterscheidet wird noch einmal zwischen primärer und sekundärer Hyperhidrose unterschieden:
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Primäre Hyperhidrose
Gemeint ist hiermit das lokal begrenzte übermäßige Schwitzen. Also etwa nur in den Handflächen (rund 60 Prozent sind davon betroffen) oder an den Fußsohlen. Oft steckt dahinter eine Fehlfunktion des „Nervus auriculotemporalis“, also des Ohr-Schläfen-Nervs. Die genaue Ursache sollte aber ein Hautarzt (Dermatologe), ein Internist oder ein Facharzt für Nervenerkrankungen (Neurologe) diagnostizieren.
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Sekundäre Hyperhidrose
Hierbei handelt es sich um eine generell gesteigerte Schweißproduktion. Sie tritt also überall auf, nicht nur an einer Stelle des Körpers. Die sekundäre Hyperhidrose kann verschiedene Ursachen haben. Dahinter können stecken: Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, eine Schilddrüsenüberfunktion, Infektionen oder gar ein psychische Erkrankung wie zum Beispiel eine Angststörung.
Was die Hyperhidrose für die Betroffenen noch schlimmer macht, ist die damit verbundene Ohnmacht: Das Problem tritt plötzlich auf, unter Stress etwa – und dann meist auch gleich heftig. Die Angst, das Schwitzen nicht kontrollieren zu können, verstärkt den Effekt zusätzlich.
Viele suchen daraufhin vergeblich nach einer Möglichkeit der Behandlung oder gar einer OP. Eine wirkungsvolle Therapie, die zu einhundert Prozent funktioniert, ist jedoch noch nicht bekannt. Dies liegt insbesondere daran, dass die Ursachen so vielfältig sind.
Diagnose: Woher kommt das Schwitzen?
Schätzungen gehen davon aus, dass von der Hyperhidrose rund eine Million Deutsche betroffen sind. Dabei gibt es vor allem drei Ursachen, warum wir schwitzen: Temperatur, Emotionen und körperliche Aktivität. Rein biochemisch betrachtet, sind am Schwitzen zunächst aber nur zwei Dinge interessant:
- Die Menge
- Die Zusammensetzung
Rund einen Liter Schweiß sondert der Körper an normalen Tagen ab. Dazu muss es weder heiß sein, noch muss man sich dafür groß anstrengen. Wer sich aber anstrengt, viel und regelmäßig schwitzt, wie Leistungssportler etwa, schafft natürlich mehr. Fußballprofis schwitzen bei einem Spiel auch schon mal bis zu fünf Liter aus.
Schwitzen ist eine natürliche Körperfunktion, die in erster Linie der Kühlung dient. Schweiß ist also erst einmal nichts Schlechtes und erfordert keine Behandlung. Das meiste davon ist sowieso Wasser. Beim durchschnittlichen Schweiß machen die darin enthaltenen Mineralstoffe, Milch-, Harn- und Fettsäuren allenfalls ein Prozent aus – und selbst diese Zusammensetzung ist abhängig davon, wie viel und was man vorher trinkt und isst. Wann und in welchem Ausmaß die Schweißdrüsen aktiv werden, regelt das vegetative Nervensystem relativ autark.
Zwischen zwei und fünf Millionen Schweißdrüsen verteilen sich über den gesamten menschlichen Körper, ausgenommen Lippen und Gehörgang. Die meisten davon sitzen an Handflächen und Fußsohlen.
Wobei sich die Drüsen unter den Achseln, um den Bauchnabel und im Genitalbereich von den anderen unterscheiden: Sie sondern spezielle Duftsekrete, sogenannte Pheromone oder Sexualhormone ab, die darüber entscheiden, ob wir einen Menschen sprichwörtlich gut riechen können beziehungsweise, ob zwischen beiden die Chemie stimmt. Das läuft jedoch meist unbewusst ab.
Wesentlich auffälliger – und für die Betroffenen problematischer – ist das das übermäßige Transpirieren: Ein feuchter Händedruck, tellergroße Schwitzmonde unter den Achseln, durchgeschwitzte, klatschnasse Hemden oder Blusen, Schweißfüße – all das wird von den meisten Kollegen und Geschäftspartnern als unangenehm und peinlich empfunden. Derlei Starkschwitzer stehen sofort unter dem Generalverdacht, unsicher, unbelastbar und obendrein ungepflegt zu sein.
Hyperhidrose ist mehr als feuchte Hände
Feuchte Hände vor einer Prüfung oder einem Vorstellungsgespräch – das haben viele. Normaler Stress. Vielleicht sogar den kurzen Anflug einer Panikattacke, aber selbst das kann normal sein.
Dasselbe gilt, wenn man eine Stegreifrede halten soll oder vor Wut tobt. Heftige Gefühle sind schweißtreibend. Nicht zufällig spricht man auch vom Angstschweiß. In solchen Situationen schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus. Folge: Die Nerven, die die Schweißproduktion steuern, werden überaktiv.
Solche unkontrollierbaren, übermäßigen Schweißausbrüche sind daher keinesfalls ein Indiz für eine labile Persönlichkeit. Eher für die sprichwörtlich schwachen Nerven – oder aber eben eine Fehlfunktion derselben.
Nur wird eben das kaum thematisiert. Die Betroffenen sprechen in der Regel schon gar nicht darüber.
Ihr Leidensweg beginnt häufig schon in der Pubertät und verstärkt sich über die Jahre: Stress ist dabei der häufigste Auslöser. Wobei die Sorge, jemandem eine feuchte Hand geben zu müssen, freilich noch mehr Stress auslöst, sodass sich der Effekt immer weiter verstärkt.
Im Extrem reicht das Handschwitzen dann bis zu konstanter Tropfenbildung auf den Handflächen. Und das ist beim Händeschütteln natürlich beiden Seiten mehr als unangenehm.
Akute Behandlung und Therapie von Hyperhidrose
Verlässliche Mittel gegen Hyperhidrose gibt es bisher nur wenige. Das Thema ist einfach zu wenig erforscht. Aber es gibt die eine oder andere Behandlung und Anwendungen, die immer wieder genannt werden:
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Kleidung
Nicht wenige Menschen, die vermehrt am ganzen Körper transpirieren, wechseln einfach mehrfach am Tag ihre Kleidung oder kaufen ihre Klamotten doppelt, damit keiner das heimliche Umziehen im Büro bemerkt. Dabei sollten Sie insbesondere auf das Material achten: Produkte aus Kunstfasern oder Baumwolle fördern das Schwitzen noch zusätzlich. Luftige Kleidung aus Hanf, Seide oder Leinen, die luftig und nich zu eng am Körper anliegt, wird in diesem Zusammenhang eher empfohlen.
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Leitungswasser-Iontophorese
Wer dagegen unter Hyperhidrose an Händen oder Füßen leidet, kann entweder die sogenannten Leitungswasser-Iontophorese anwenden. Dabei werden Hände und Füße täglich 10 bis 15 Minuten lang in ein Wasserbad getaucht und schwachem Gleichströmen ausgesetzt. Eine Besserung ist allerdings erst nach rund zehn Anwendungen bemerkbar und das Verfahren ist verhältnismäßig aufwendig sowie teuer: Die Geräte kosten rund 350 Euro. Immerhin: Die Kosten für eine Stromtherapie werden zum Teil von den Krankenkassen übernommen.
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Aluminiumchlorid
Andere schwören indes auf eine Behandlung mit einer Aluminiumchlorid-Lösung. Die Aluminiumsalze, die inzwischen auch in beinahe jedem Deo stecken, dringen dabei in die Schweißkanäle ein und verstopfen die Drüsengänge, beziehungsweise sollen sie dauerhaft zurückbilden. Die reinen Lösungen bekommt man in der Apotheke und je nach Anwendungsgebiet gibt es Rezepturen mit unterschiedlichen Aluminiumchlorid-Konzentrationen. Meist aber wird eine 20-prozentige Lösung verabreicht, die dann vor dem Schlafen auf die entsprechenden Körperstellen aufgetragen wird. Allerdings kommt es hierbei manchmal zu Nebenwirkungen wie Juckreiz und Hautirritationen. Dafür liegt die Erfolgsquote dieser Therapie angeblich bei 95 Prozent.
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Botox
Wieder andere lassen sich Botulinumtoxin (auch Botox genannt) unter die Haut spritzen. Das wirkt zwar von Mensch zu Mensch verschieden bis zu einem halben Jahr, weil es die Schweißdrüsen tatsächlich lähmt. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass Botox eines der stärksten bekannten Gifte ist, die man sich da alle halbe Jahr injiziert. Außerdem ist es teuer: 400 Euro pro Behandlung sind keine Seltenheit.
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ETS
Noch brachialer und endgültiger ist nur noch die sogenannte endoskopische transthorakale Sympathektomie (ETS). Hierbei werden in einer OP unter Vollnarkose gezielt die für das Schwitzen verantwortlichen Nerven mittels Hochfrequenzstrom zerstört, durchtrennt oder abgeklemmt (Clipping). Die Risiken sind hoch: In einigen Fällen kommt es zum kompensatorischen Schwitzen (die Betroffen schwitzen dann zwar nicht mehr an den Händen, dafür aber vermehrt an Rücken oder Po), es kann zu taktilen Gefühlsstörungen oder gar zu Impotenz kommen und verschiedene Studien berichten von einer Rückfallquote von 60 bis 90 Prozent.
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Meditation
Was weniger hilft, sind laut Betroffenen Entspannungstechniken, wie Meditation. Dennoch kann die regelmäßige Anwendung die psychische Einstellung zum Schwitzen verändern und den Druck und den Stress abbauen. Entspannungstechniken sind darum zwar keine direkte Therapie gegen das Schwitzen, tragen aber dennoch dazu bei, den Umgang damit zu verändern.
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Verzicht
Der Verzicht auf Kaffee oder Nikotin kann zusätzliche Schweißproduktion hemmen. Insbesondere Koffein erhöht den Blutdruck und somit die Schweißbildung. Stattdessen werden Tees oder Produkte aus Salbei häufig als schweisshemmend gepriesen. Spezielle Medikamente und Tabletten hingegen, die zwar das Schwitzen minimieren können, jedoch meist auch zu Schläfrigkeit und Mundtrockenheit führen, werden nur von wenigen Betroffenen als geeignet empfunden.
So oder so: Für die Betroffenen bleibt die Hyperhidrose ein prägendes Problem – vor allem im Beruf.
Wer darunter leidet, sollte zunächst versuchen, seinen Lebensstil anzupassen:
- Übergewicht, übermäßiger Konsum von Kaffee oder Alkohol können die Hyperhidrose eher verstärken.
- Zudem sollten die Starkschwitzer mehr trinken, um den möglichen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
- Eine ausgewogene Ernährung hält den Stoffwechsel und den Energiehaushalt zudem im Gleichgewicht.
- Und wer sich regelmäßig körperlich bewegt, etwas Sport treibt, tut nicht nur seiner Fitness etwas Gutes: Auch das vegetative Nervensystem wird so trainiert die Schweißabsonderung anzupassen.
Das Wichtigste ist aber, das eigene Selbstbewusstsein zu erhalten und sich sozial auf keinen Fall zu isolieren. Auch wenn man jemandem eine feuchte Hand geben muss: Besser es ist ein feuchter und fester Händedruck als das unsichere Hineinlegen eines kalten, glitschigen Fisches…
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