Stammelsilben: Darum sagen wie so oft Äh
Nicht, dass wir uns darüber lustig machen wollten, wenn jemand nach Worten ringt. Das kommt vor, ist menschlich, alltäglich. Aber schöner oder gar erträglicher wird es dadurch nicht. Jeder Rhetoriktrainer wird derlei Pausenfüller als „Unart“, „Störfaktor“ oder „Verlegenheitslaut“ geißeln und uns die hässlichen Stammelsilben unter Aufbringung all seiner Kunstfertigkeiten abtrainieren. Ein guter Redner stottert nun mal nicht!
Ohne auf die Frage einzugehen, was für Zuhörer schlimmer ist – ein „Äh“ oder ein „(Ä)hm“ – stellen wir uns die Frage: Warum machen wir das überhaupt? Warum füllen wir Stille mit stimmhaftem Gedankenleerlauf? Sprachwissenschaftler, die Äh’s schon mal „Diskurspartikel“ nennen, erklären das so: Das „Äh“ hat die Funktion, dem Publikum mitzuteilen, dass es gleich weitergeht – nur wisse der Redner selbst noch nicht, wie er das formulieren soll.
Oder anders formuliert: Wer „Äh“ sagt, will auch „B“ sagen, weiß aber noch nicht wie. Man kennt das von Partys und wenn man angesprochen wird…
Äh sagen um Rederecht nicht zu verlieren
Das Ähm ist eine Art Formulierungsbrücke. Teilweise sogar notwendig. Beispiel Debatten: Üblicherweise signalisiert Schweigen oder Stille den anderen Mitrednern: „Ich bin fertig, jetzt kannst du etwas dazu sagen!“ Das Äh aber kündet an: „Moment, ich bin noch nicht soweit, da kommt noch was…“
Die stumme Denkpause reicht allerdings nicht, will man nicht das Rederecht verlieren. Auch wenn sich Denken angenehmer anhört als ein „Äääääähm“… Im Dialog (besonders am Telefon) kann es deshalb nützlich sein, stimmhafte „Ähms“ einzustreuen, damit einem der oder die andere nicht ins Wort fällt. Bei Vorträgen jedoch, in denen der Redner allenfalls ein zeitlich limitiertes Rederecht besitzt, ist das Füllwort überflüssig und wird zu Recht als redundant, störend und als Unsicherheitssignal empfunden.
Kunstpause erhöht Verständnis
Wirklich zu Recht? Nein, sagt Jennifer Arnold von der Universität von North Carolina in Chapel Hill. Sie hat herausgefunden, dass das wiederholtes Äh-Sagen das Textverständnis der Zuhörer sogar verbessern kann. Und zwar immer dann, wenn es sich anschließend um ein besonders schwieriges Wort handelt wie etwa… Äh… Acetylsalicylsäure.
Dabei wirkt das stimmhafte Füllsel wie eine Kunstpause, die besonders aufmerksam mache. Das passt auch zu den Forschungsergebnissen von Martin Corley von der Universität von Edinburgh. Der stellte seinerzeit fest, dass man sich Wörter leichter merken kann, wenn ihnen ein Äh voraushallt. Dazu ein schneller Test: Wie war doch gleich das Wort für den Aspirin-Wirkstoff? Nun äh … tja…
Wie kann ich mir das Äh-Sagen abgewöhnen?
Falls Sie sich gerade fragen, wie man sich das Äh-Sagen abgewöhnen kann: Da gibt es keinen Kniff, nur Training. Beobachten Sie sich beim Sprechen (etwa per Video), hören Sie sich selbst aufmerksam zu – und versuchen Sie bewusst Ähms durch rhetorische Pausen oder besser: durch kurze (Haupt)Sätze zu ersetzen.
Was unser Gehirn macht, wenn wir denken, es macht nichts
Versuchen Sie mal an Nichts zu denken! Klar, wenn wir Sie so auffordern, geht das natürlich nicht. Aber gelegentlich soll es vorkommen, dass sich unser Kopf völlig leer anfühlt und das Gehirn, als wäre es im Standby-Modus. Was aber macht unser Gehirn wirklich, wenn wir denken, es macht nichts?
Neurowissenschaftler um Matthew Lieberman der Universität von Kalifornien in Los Angeles sind der Frage nachgegangen, Ergebnis: Es bereitet sich darauf vor, die Welt aus der Sicht anderer, deren Gedanken und Emotionen zu betrachten. Oder anders formuliert: Wenn wir an nichts denken, werden wir ein bisschen sozialer und netzwerken – zumindest unbewusst.
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