Definition: Was ist digitale Erschöpfung?
Aktuellen Zahlen zufolge besitzen 57 Millionen Deutsche ein Smartphone – das sind drei Millionen Nutzer mehr als noch im Jahr zuvor und Tendenz ohnehin steigend. In der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen liegt die Abdeckung bei nahezu 100 Prozent. Bedenkt man nun, dass viele Arbeitnehmer zusätzlich noch über ein Diensthandy und/oder Tablet verfügen, ist klar, dass diese Menschen – zumindest theoretisch – jederzeit erreichbar sind.
Und wir reden dabei noch nicht mal über Arbeitnehmer, die tatsächlich Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft haben. Schüler sind ja genauso davon betroffen.
Erschöpfung beschreibt ein Gefühl der Ermüdung, hervorgerufen durch übermäßige Anstrengung. Digitale Erschöpfung ist demnach die Abgeschlagenheit und das Gefühl des Gehetztseins, das zunehmend mehr Arbeitnehmer infolge digitaler Mittel empfinden.
Was sind die Ursachen digitaler Erschöpfung?
Eigentlich sind viele technische Errungenschaften dazu gedacht, das Leben der Menschen zu vereinfachen. Und es stimmt in gewisser Hinsicht auch: Statt mühsam schweres Gerät selbst bedienen zu müssen, erleichtern vielfach Maschinen und Roboter die Arbeit, sind Prozesse automatisiert und übernehmen Programme komplexe Analysen.
Statt aufstehen und umständlich im Fach nach einer bestimmten CD oder gar Schallplatte suchen zu müssen, rufen Sie einfach „Alexa/Google, spiel XY“ in den Raum und eine kleine Box versorgt Sie mit Ihrer Lieblingsmusik. Auch autonomes Fahren durch selbstfahrende Kraftfahrzeuge klingt gar nicht mehr so utopisch wie noch vor 20 Jahren.
Tatsächlich hat die Digitalisierung allerdings dazu geführt, dass viele Angebote bestehende Vorgehensweisen nicht abgelöst, sondern bestenfalls ergänzt haben. Und das ist ein Grund dafür, warum die digitale Erschöpfung immer häufiger zu beobachten ist – so zumindest die These von Markus Albers, Autor, Berater und Unternehmer und seines Zeichens selbst lange Verfechter von New Work.
Ursprungsgedanke von New Work war eine effizientere Arbeitsweise. Statt der weit verbreiteten Präsenzpflicht in Unternehmen sollte Arbeitnehmern das Arbeiten von zuhause aus ermöglicht werden. Diese Flexibilität sollte Arbeitnehmern beispielsweise eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
Tatsächlich führt es aber eher zu Work-Life-Integration – da, wo vorher keine Arbeitsinhalte waren, kommen nun welche hinzu. Diese Vermischung wäre nicht weiter tragisch, wären sie nicht zusätzlich: Es werden also nicht nur auf der Arbeit, sondern eben auch nach Feierabend zuhause noch Mails beantwortet, Anrufe entgegen genommen – weil die moderne Technik es eben möglich macht.
Bessere Vernetzung bedeutet nicht bessere Arbeit
Seit jeher gibt es in Unternehmen solche Mitarbeiter, die ihr Wissen teilen und solche, die es lieber für sich behalten. Teilweise steckt dahinter simples Misstrauen, in anderen Fällen versprechen sich diese Mitarbeiter durch ihr Insiderwissen besseres Vorankommen.
Konkurrenzdenken ist an sich nichts Neues, nur leider schadet es im Endeffekt dem Unternehmen. Ein Einzelner kommt vielleicht voran. Aber das Team als solches bleibt auf der Strecke. Welche Möglichkeiten gäbe es, wenn alle auf demselben Wissensstand wären. Stattdessen „verrotten“ wichtige Informationen auf dem Rechner solcher Mitarbeiter oder in irgendwelchen Akten.
Immer mehr Unternehmen gehen daher dazu über, Wissensmanagement zu betreiben: Statt einen unersetzlichen Experten im Team zu haben, der eifersüchtig über sein Wissen wacht, geht es darum, es für andere zugänglich zu machen, beispielsweise durch Wikis und Expertendatenbanken.
Damit Kollegen stärker, besser, häufiger und offener zusammenarbeiten können, sollen sie mehr miteinander kommunizieren. Und das – so zumindest der Gedanke von vielen Unternehmen – lässt sich durch stärkere Vernetzung erreichen. Typische Tools sind Projektmanagement-Software wie Projectplace oder Wrike und Messengerdienste wie Slack.
Diese Vernetzung ermöglicht oftmals erst das Arbeiten im Homeoffice. Allerdings bedeutet das nicht nur selbstbestimmtes Arbeiten. Studien zufolge empfinden viele Arbeitnehmer damit auch eher negative Nebeneffekte wie Leistungsdruck und soziale Kälte. Auch liegt nicht jedem die Selbstorganisation, Schlafmangel und Einbußen in der Freizeit sind die Folge.
Moderne Bürostrukturen behindern die Konzentration
Das andere Extrem, dass sich gerade bei jungen Start-ups vielfach beobachten lässt, ist der Trend zu offenen Bürostrukturen. Statt einsam zuhause zu versauern, sind Arbeitnehmer nunmehr den ganzen (Arbeits-)Tag um einander herum, selbst in den Pausen – firmeneigene Fitnessstudios und Lounge-Areas statt spießiger Büroküchen machen es möglich.
Das fördert zwar einerseits den spontanen Wissensaustausch, der die Innovationskraft erhöht, Problemlösungen beschleunigt und möglicherweise doppelte Arbeit rechtzeitig verhindert, weil jeder bestens informiert ist.
Es erfordert allerdings ein viel höheres Maß an Konzentration und führt geradewegs ins vermeintliche Multitasking: Statt eines eigenen Büros sitzt man nun mit zehn, zwanzig anderen Menschen in einer offenen Bürolandschaft – irgendwo klingelt immer ein Telefon, laufen Menschen vorbei. Lärmdämpfende Kopfhörer sind eine Sache – aber aus dem Augenwinkel nehmen wir dennoch Bewegungen wahr.
Und dass Multitasking nicht funktioniert, ist längst bekannt – man kann nun mal nicht fünf Aufgaben gleichzeitig 100 Prozent Aufmerksamkeit schenken. Die digitalen Errungenschaften führen dazu, dass wir jederzeit mitbekommen, ob eine neue Mail eingeht, eine Whatsapp-Nachricht geschickt wurde oder ein Kollege einen neuen Kommentar zum Projekt hinzugefügt hat.
Irgendwann wird all das zu viel. Gefördert wird die digitale Erschöpfung noch durch verändertes Freizeitverhalten, denn auch im Privaten greifen viele Menschen sofort zum Smartphone, checken Nachrichten, sind in diversen Social Media Kanälen vernetzt, so dass regelrechtes Suchtverhalten entstehen kann.
Tipps: So lässt sich digitale Erschöpfung verhindern
Digitale Errungenschaften können Fluch und Segen gleichermaßen sein. Da es ständig neue Entwicklungen gibt und die Erfahrungen und Auswirkungen erst langsam bekannt werden, ist es sinnvoll sich mit vorbeugenden Maßnahmen gegen digitale Erschöpfung zu beschäftigen. Folgende Tipps können dabei helfen:
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Bewusstsein entwickeln
Ein erster Anfang ist gemacht, wenn Sie Ihr eigenes Verhalten reflektieren. Wie viele Handys oder Smartphones besitzen Sie? Falls Sie ein Diensthandy besitzen: Ist das auch nach Dienstschluss noch in Benutzung? Schauen Sie auch in Gesellschaft anderer aufs Handy? Wer sich dabei ertappt, dass er sich zum Lesen von Nachrichten bereits im Bad oder auf der Firmentoilette einschließt, legt bereits Suchtverhalten an den Tag.
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Digital Detox praktizieren
Ständiges Checken von Nachrichten, Surfen in diversen Social-Media-Kanälen und auch nach Feierabend noch Mails beantworten, Arbeitsinhalte recherchieren – so steuern Sie geradewegs in die digitale Erschöpfung. Praktizieren Sie stattdessen digital Detox, schalten Sie bewusst das Handy nach Feierabend oder am Wochenende aus. Auch für zwei Wochen im Urlaub können Sie digital Detox betreiben – einfach mal nichts hören oder lesen. Wenn es wirklich wichtig ist, gibt es immer noch andere Kontaktmöglichkeiten.
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Achtsamkeit entwickeln
Mal nicht ständig abgelenkt zu werden, sondern sich für längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren – genau das fällt Menschen schwer, die an digitaler Erschöpfung und Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Steigern Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder, indem Sie Achtsamkeitsübungen machen. Achtsamkeit fördert die Wahrnehmung der Sinne – und zwar nicht nur der auditiven und visuellen, sondern auch der haptischen, olfaktorischen und gustatorischen, mit anderen Worten: Nehmen Sie bewusst wieder Essen wahr, fühlen Sie Waldboden unter den Füßen, Wind auf der Haut, schnuppern Sie Meeresbrisen und Düfte.
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