Edwards-Gesetz: Wann macht es sich bemerkbar?
Tatsächlich offenbart sich Edwards-Gesetz beziehungsweise der Zusammenhang zwischen Zeit und Aufwand tagtäglich in zahlreichen Bereichen: Vor Klausuren, bei der Vorbereitung von Referaten und Studienarbeiten, bei Projekten und Präsentationen, sogar bei der Jobsuche…
Wo sich auch immer eine Deadline komfortabel erst in weiter Ferne ankündigt, wirkt sie auf uns zuerst wie eine Einladung zum Schlendrian. Je näher sie aber rückt, desto unglaubliche Energien und Kreativkräfte können wir auf einmal mobilisieren – wie in dieser Grafik:
Da fragt man sich unweigerlich: Warum nicht gleich so? Warum braucht es erst die Panik, um in den produktiven Flow zu kommen?
Jetzt aber kommt die eigentliche Frage: Wieso geht dieses Spiel trotzdem fast immer gut aus? Oder anders gefragt: Warum reicht die knappe Zeit am Ende meist doch noch aus?
Das wiederum hängt mit einem anderen, verwandten Gesetz zusammen…
Das Parkinson’sche-Gesetz
Eng mit Edwards-Gesetz verknüpft ist das Parkinsonsche-Gesetz, das auf den britischen Soziologen Cyril Northcote Parkinson zurückgeht. Dieser arbeitete Mitte des 20. Jahrhunderts im Bereich der Verwaltungs- und Wirtschaftslehre und formulierte dabei sein bekannte Gesetz: Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.
Anders ausgedrückt: Sie werden so lange für eine Aufgabe brauchen, wie Ihnen Zeit für deren Erledigung zur Verfügung steht.
Edwards-Gesetz: Das sollten Sie beachten
Natürlich ist die bloße Erkenntnis und Kenntnis von Edwards-Gesetz noch wenig hilfreich. Das reine Wissen über derlei Zusammenhänge ist so nützlich wie die Legende, dass Edwards-Gesetz nach Edward A. Murphy benannt wurde. Dessen Nachnamen kennen Sie eher durch das damit verbundene Gesetz: Murphys-Law – Alles, was schief gehen kann, wird auch schiefgehen.
Viel entscheidender als das Wissen über den Effekt ist der Umgang damit – also, was Sie daraus für den Alltag mitnehmen können. Und da gibt es so einiges, um den Effekt zumindest zu mildern.
Hierzu haben wir drei Anregungen für Sie, die Sie sich in Erinnerung rufen können, wenn Sie das nächste Mal mit Edwards-Gesetz wieder in Kontakt kommen:
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Trainieren Sie mehr Selbstdisziplin.
Wenn Sie darum wissen, bei Projekten regelmäßig erst zum Ende hin produktiv zu werden, ist das ein veritables Indiz für mangelnde Planung und inkonsequente Umsetzung – kurz: zu wenig Selbstdisziplin. Begegnen lässt sich dem Problem am besten durch strafferes Selbstmanagement und striktes Zeitmanagement. So verteilen Sie die Arbeit gleichmäßiger und kommen zum Schluss weniger unter Druck.
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Weniger Zeit einplanen bringt nichts.
Wer besonders clever sein möchte, kommt vielleicht auf die Idee, die zur Verfügung stehende Zeit eines Projekts von Anfang an zu verkürzen und so die Trödelei am Anfang zu umgehen. Prinzipiell eine pfiffige Idee, aber wirkungslos. Edwards-Gesetz lässt sich durch derlei Selbstbetrug leider überhaupt nicht aushebeln. Vielmehr führt dieses Vorgehen nur zu noch mehr Stress, da in kürzerer Zeit mehr geleistet werden muss als tatsächlich nötig. Außerdem trödeln viele anfangs trotzdem noch, was den Stresslevel nur noch mehr steigert. Viel entscheidender ist, dass Sie sich überhaupt zeitliche Limits setzen.
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Definieren Sie Meilensteine
Wenn es so ist, dass wir uns zum Ende hin mehr anstrengen, lässt sich das eher anders nutzen: Zerlegen Sie große Projekte in kleine und definieren Sie sich für diese Meilensteine kürzere Intervalle und Mini-Deadlines. So erzeugen Sie vor jedem Abschluss eines Teilabschnitts einen eigenen Produktivitätsschub – und Edwards Gesetz wird so zu Ihrem Verbündeten.
Der Goal-Gradient-Effect
Es ist wie beim Sex: Je näher man dem Ziel kommt, desto mehr strengt man sich an. Freiwillig. Egal, wie sehr man sich vorher schon verausgabt hat; egal, wie viel Energiereserven schon verbraucht sind – auf dem letzten Meter macht keiner mehr schlapp. Aufgeben? Niemals! Da gibt jeder noch mal alles. Bis zum Finale.
Was Sexualwissenschaftler an dieser Stelle relativ gelangweilt als klassischen Klimax abtun würden, kennen Psychologen eher unter dem etwas sperrigen Anglizismus des Goal-Gradient-Effect. Entdeckt hat den der Verhaltensforscher Clark Hull – und das bereits 1932. Dabei handelt es sich um eines dieser typischen Alltagsphänomene, die uns ständig begegnen, ohne dass wir es ahnen, geschweige denn den Namen kennen. Ob bewusst oder nicht, die Wirkungsweise machen sich trotzdem zahlreiche unserer Mitmenschen zunutze: Fitness-Trainer etwa, die uns anfeuern: Komm, eine Runde geht noch! Oder raffinierte Verkäufer, die uns nach einer zähen Verhandlung mit dem Preis plötzlich entgegen kommen, weil sie merken, dass wir längst an ihrem Haken zappeln.
Es kommt sogar noch besser. Vor kurzem entlarvte ein Forscherteam um Ran Kivetz von der amerikanischen Columbia Universität eine noch viel perfidere Masche, wonach wir uns sogar künstlich in diesen Zustand der Endzeit-Euphorie versetzen lassen, selbst wenn es sich dabei um eine Illusion handelt.
Bei einem dieser Experimente verteilten die Wissenschaftler sogenannte Bonus- oder Treuekarten an ihre Probanden, wie man sie heute von Sandwich-Ketten oder anderen Schnellrestaurants kennt. In diesem Fall stammten sie von einem Coffeeshop in der Nachbarschaft. Das Angebot wie immer: „Kaufe zehn, und bekomme einen Kaffee umsonst.“
Nur war der Trick diesmal, dass einige Teilnehmer besagte Karte erhielten, für die zehn Treuepunkte nötig waren. Die andere Hälfte musste zwölf Kaffees kaufen, um an das Treuegeschenk zu gelangen – dafür klebten jedoch schon zwei Bonuspunkte auf der Karte.
Wie erwartet, bemühten sich die Probanden in beiden Fällen mit jedem weiteren Kaffee zügiger um den Bonus, was den eingangs erwähnten Effekt bestätigte. Nun aber offenbarte sich die ganze psychologische Wucht der Zwölferkarte: Ihre Besitzer griffen noch gieriger zu, um möglichst schnell an den versprochenen Gratisbecher zu gelangen. Obwohl die Differenz bei beiden Karten exakt zehn Punkte ausmachte, wirkten die beiden vorhandenen Treuepunkte wie ein Verkaufsturbo.