Aufgaben aufschieben: Was tun gegen Prokrastination?

Wir alle tun das gerne mal: wichtige Aufgaben aufschieben. Lernen, Fensterputzen oder die Steuererklärung… Wird dieses Verhalten jedoch chronisch und geht es über lästige Aufgaben hinaus, könnte eine pathologische Störung dahinter stecken – die sogenannte Prokrastination (auch „Aufschieberitis“ genannt). Das Phänomen ist gefährlicher als viele ahnen und kann sogar krank machen…

Aufschieben Aufschieberitis Aufgaben Grafik Procrastination (1)

Aufgaben aufschieben: Warum machen wir das?

Die meisten von uns nehmen es sich Tag für Tag etwas vor. Der Wille ist da. Trotzdem werden die Aufgaben – bewusst oder unbewusst – vertagt. Zugegeben, eine Aufgabe zu verschieben, kann Vorteile haben. Manchmal erledigt sich das Problem von selbst – Geduld und Abwarten können sind schließlich Tugenden. Und gegen das bewusste Aufschieben nichts einzuwenden.

Das Aufschieben wird aber gefährlich, wenn es unbewusst und chronisch abläuft. Wissenschaftler unterscheiden bei der sogenannten Prokrastination (das Gegenteil heißt übrigens: Präkrastination) zwischen zwei Aufschieber-Typen:

  1. Den Erregungsaufschieber
    Er reagiert erst auf den letzten Drücker und genießt den Motivationskick, den der Hochdruck zum Schluss erzeugt. Meist behauptet er, erst dadurch kreativ zu werden.
  2. Den Vermeidungsaufschieber
    Er leidet unter der Angst zu versagen. Deshalb meidet er den Leistungsdruck, den die Aufgabe erzeugt. Dafür ist er ein Meister der Ausreden.

Ursache sind oft fehlende Prioritäten

Das Kernproblem vieler Aufschieber ist: Sie haben Schwierigkeiten damit, Prioritäten zu setzen. Das wiederum hat nicht selten die Ursache darin, dass Betroffene den Erfolg mit ihrem Selbstwert gleichsetzen. Dazu brauchen sie häufige und kurzfristige Erfolgserlebnisse.

Sind die Aufgaben aber scheinbar zu groß, liegen diese Erfolgserlebnisse subjektiv zu weit entfernt. Mitunter entsteht sogar die Angst vor falschen Entscheidungen oder Angst vor Ablehnung. Also ziehen sie kleinere Aufgaben vor (Aufräumen, Abwaschen, E-Mails lesen, …), weil diese eine schnelle Belohnung versprechen. Und wer über viel Arbeit klagt, erntet häufig sogar noch Mitgefühl. Nicht selten steckt hinter dem Aufschieben auch eine geringe Frustrationstoleranz: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach…“

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Die Psychologie des Aufschiebens: 5 Eskalationsstufen

Das Aufschieben von Aufgaben mag kurzfristig Erleichterung bringen, bleibt aber nicht ohne psychologische Folgen. Wissenschaftler unterscheiden hierbei fünf Eskalationsstufen:

Eskalationsstufen 5 Aufschieben Grafik

  1. Unlust

    In der ersten Phase erfassen Sie alle Aufgaben, die demnächst anstehen. Einige davon sind unangenehm, andere haben noch etwas Zeit. Also beschließen Sie, diese zu verschieben.

  2. Erleichterung

    Die unmittelbare Folge des Aufschiebens ist ein Gefühl der Erleichterung. Die unangenehme Aufgabe ist erstmal weg, das Leben ist wieder einfach und bequem. Aber eben nur kurzfristig.

  3. Druck

    Die Aufgabe verschwindet nicht von alleine. Und je näher die Deadline rückt, desto stärker wird der Stress und Druck. Das anfängliche Gefühl der Erleichterung verkehrt sich ins Gegenteil.

  4. Schlechtes Gewissen

    Hinzu kommt schließlich noch ein schlechtes Gewissen, weil klar wird: Hätten Sie rechtzeitig mit der Aufgabe begonnen, bliebe jetzt noch genügend Zeit für eine bessere Qualität.

  5. Aktion

    Gerade noch rechtzeitig, aber eben auf den letzten Drücker und weil es sich auch nicht mehr vermeiden lässt, wird die Aufgabe erledigt. Im Turbogang und teils nur noch oberflächlich, weil die Zeit fehlt.

Warum wir selbst schöne Aufgaben aufschieben

Manche Menschen vertagen selbst Aufgaben, die ihnen eigentlich Spaß machen. Das haben zum Beispiel die Verhaltensökonominnen Suzanne Shu von der Anderson School of Management und Ayelet Gneezy von der Rady School of Management untersucht. Dahinter steckt oft das sogenannte Parkinson’sche Gesetz, das auf den britischen Publizisten Cyril Northcote Parkinson zurückgeht. Danach dehnt sich Arbeit in genau dem Maß aus, wie Zeit dafür zur Verfügung steht – und nicht etwa wie viel Zeit man tatsächlich dafür bräuchte. Ran Kivetz von der Columbia Graduate School of Business nennt diese Haltung auch „hyperopisch“: Betroffene bewerten eine künftige Belohnung oder den Freizeitspaß so hoch, dass sie diesen aktuell gar nicht genießen können.


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Test: Welcher Aufschieber-Typ sind Sie?

Haben Sie sich in den Beschreibungen erkannt? Dann neigen auch Sie womöglich zur Aufschieberitis. Immerhin: Sie sind damit nicht alleine! Studien zufolge ist davon jeder Fünfte in Deutschland betroffen. Darunter gibt es ganz unterschiedliche Typen und Aufschieber. Finden Sie mithilfe der folgenden Typologien heraus, ob Sie dazu gehören:

1. Der Saubermann

Aufschieben Prokrastination TestAuf seinem Schreibtisch stapeln sich Zeitschriften, leere Kaffeetassen, Akten und Projektunterlagen. Er findet das Chaos gemütlich. Kommt allerdings eine dringende Aufgabe auf den Tisch, packt ihn die Ordnungswut: Zuerst müssen Büro (oder Wohnung) blitzblank sein, bevor er damit anfangen kann.

  • Standardausrede

    „Ich muss erst noch aufräumen, aber dann fange ich auch wirklich an!“

  • Warum?

    Angesichts der vorliegenden Aufgabe fühlt sich der Saubermann überfordert und hat das Bedürfnis Ordnung zu schaffen, denn er weiß nicht, wo er anfangen soll.

  • Was tun?

    Zerlegen Sie große Aufgaben in kleine. Es ist wie mit dem physikalischen Gesetz der Trägheit: Ist ein schwerer Körper erst in Bewegung, wird es leichter, ihn in Fahrt zu halten. „Auch die längste Reise beginnt mit einem einzelnen Schritt“, lautet ein chinesisches Sprichwort. Also beginnen Sie mit kleinen Schritten.

2. Der Panikmacher

Aufschieben Prokrastination TestZu Beginn ist der Typ noch ganz gelassen. Die Deadline liegt in weiter Ferne, genug Zeit für Angenehmeres. Erst kurz vor knapp fällt ihm der offene Job wieder ein – es folgen hastige Torschlusspanik und Aktionismus. Mit entsprechend oberflächlichem Ergebnis.

  • Standardausrede

    „Das hat noch Zeit!“

  • Warum?

    Der Panikmacher hat ein schlechtes Zeitmanagement und schafft es nicht, sich seine Arbeitszeit sinnvoll einzuteilen. Oft unterschätzt er den Arbeitsaufwand einer Aufgabe.

  • Was tun?

    Setzen Sie von Beginn an klare Prioritäten! Entscheiden Sie zuerst, was wichtig und dringend ist und was tatsächlich noch Zeit hat oder delegiert werden kann. Die Eisenhower-Methode eignet sich dafür besonders gut.

3. Die Listenmacherin

Aufschieben Prokrastination TestBevor sie sich an die Arbeit macht, erstellt sie erstmal eine To-Do-Liste. Das ist nicht verkehrt – aber ich auch eine gut getarnte Strategie, um Aufgaben aufzuschieben. Am Ende hat die Listenmacherin zwar eine schöne Übersicht, aber trotzdem noch nichts davon erledigt.

  • Standardausrede

    „Ich muss mir erstmal einen Überblick verschaffen!“

  • Warum?

    Diese Type liebt das Abhaken. Das gibt ihr das wohlige Gefühl, produktiv zu sein und etwas geschafft zu haben. Leider hakt sie aber oftmals nur den Kleinkram ab und verzettelt sich in Nebensächlichkeiten.

  • Was tun?

    Packen Sie den Stier bei den Hörnern! In der Regel wird es die unangenehmste Aufgabe sein, die Sie all die Zeit vor sich herschieben. Warum nicht sofort morgens hinter sich bringen, wenn man noch frisch ist? Der Rest des Tages wird Ihnen umso leichter von den Hand gehen.

4. Der Multitasker

Aufschieben Prokrastination TestDieser Typ arbeitet am liebsten an mehreren Aufgaben gleichzeitig. Er fängt eine Sache an, hat dann einen Einfall und widmet sich der neuen Aufgabe… Irgendwann stapeln sich lauter begonnene ToDos auf dem Schreibtisch und nichts davon wird fertig.

  • Standardausrede

    „Da fällt mir gerade ein: Ich wollte auch noch…“

  • Warum?

    Der Multitasker ist schnell gelangweilt und kann sich schlecht konzentrieren (siehe auch: Scanner-Persönlichkeit). Kommt er an einem Punkt nicht weiter, wendet er sich einer neuen Aufgabe zu.

  • Was tun?

    Stecken Sie in einer Sackgasse, lassen Sie sich von Kollegen inspirieren. Vielleicht habe die einen guten Rat. Ansonsten konzentrieren Sie sich bitte weiter auf das, was ansteht. Unterbrechungsforscher haben festgestellt, dass sich manche Menschen genauso oft selbst ablenken, wie sie unterbrochen werden. Zwingen Sie sich also dazu, die aktuelle Aufgabe erst zu beenden. Außerdem verursacht Multitasking nur unnötigen Stress und funktioniert nicht.

5. Der Internet-Junkie

Aufschieben Prokrastination TestDer letzte Typ ist ständig online – wenn nicht am Rechner, dann mit dem Smartphone. Alle paar Minuten checkt er oder sie E-Mails, Messenger, Instagram, Tiktok & Co. – ohne zu merken, wie er damit kostbare Zeit vertrödelt.

  • Standardausrede

    „Hast du dieses witzige Video schon gesehen?!“

  • Warum?

    Oft steckt hinter diesem Verhalten die sogenannte Fear Of Missing Out – kurz: FOMO. Die Angst, etwas zu verpassen.

  • Was tun?

    Stecken Sie sich Limits und begrenzen Sie Ihre Zeit in den sozialen Medien. Achten Sie darauf, wieviel Zeit Sie dort verbringen. Gerade bei wichtigen Aufgaben, die viel Konzentration erfordern, sollten Sie buchstäblich abschalten und offline gehen. So erliegen Sie erst gar nicht der Versuchung, sich mit lustigen Bildern abzulenken.

Der Depletion-Effekt: Paradoxon der Prokrastination

Nicht wenige Menschen versuchen, es sich durch das Aufschieben leichter zu machen. Die ungeliebte Aufgabe zu erledigen, kostet hier und jetzt zu viel emotionale Energie und Überwindung. Doch das Gegenteil passiert – auch bekannt als Paradoxon der Prokrastination oder Depletion-Effekt: Bei dem Versuch, es uns leichter zu machen, machen wir es uns tatsächlich schwerer. Das Aufschieben zehrt trotzdem an unseren Ressourcen und am Gewissen, weil wir später umso härter nachholen müssen, was wir vorher aufgeschoben haben.


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Aufschieben Folgen: Hinauszögern macht krank

Das Phänomen Aufschieben ist vor allem bei jungen Menschen weit verbreitet. Das ist das Ergebnis von Studien um Manfred Beutel von der Universitätsmedizin Mainz. Allerdings hatte dies einige negative Folgen: Menschen, die wichtige Aufgaben immer wieder aufschoben, waren signifikant häufiger Single, vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen und verfügten über ein geringeres Einkommen als der Durchschnitt.

Überdies litten sie öfter unter Angst, Einsamkeit, Erschöpfung und Depressionen. Betroffen waren vor allem junge Männer. Schüler und Studierende prokrastinierten häufiger als ihre berufstätigen oder in einer Ausbildung befindlichen Altersgenossen.

Aufschieben ist ein erlerntes Verhalten

Aufschieben ist allerdings ein erlerntes Verhalten, das sogar noch durch das Vermeiden unangenehmer Aufgaben verstärkt wird. Warum bestimmte Tätigkeiten bei ihnen negative Gefühle hervorrufen, wird von den Betroffenen jedoch zu wenig hinterfragt. Dabei ist genau das ein erster und wichtiger Schritt dazu, das Aufschieben zu überwinden.

Falls auch Sie es leid sind, unangenehme Dinge immer wieder aufzuschieben, haben wir für Sie 29 bewährte Strategien und Tipps gegen das Aufschieben gesammelt, die Sie sich hier gleich kostenlos als PDF herunterladen können…

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