Was ist das False Memory Syndrom?
Das False Memory Syndrom ist ein Phänomen der falschen Erinnerungen, bei denen Betroffene überzeugt sind, dass diese tatsächlich wahr sind und genau so in der Vergangenheit passiert sind. Tatsächlich sind diese Pseudoerinnerungen aber entweder komplett falsch oder zumindest in weiten Teilen nicht so abgelaufen, wie es das Gedächtnis vorspielt.
Solche Falscherinnerungen können sich auf Alltägliches beziehen, treten aber ebenso bei negativen bis traumatischen Ereignissen auf. Das False Memory Syndrom ist eine Gedächtnistäuschung, bei denen man sicher ist, etwas erlebt zu haben, obwohl es nie (oder nicht auf diese Weise) passiert ist.
Ursachen: Wie kommt es zu Pseudoerinnerungen?
Wir glauben, dass unsere Erinnerung eine exakte Wiedergabe der Vergangenheit ist. Denken wir an bestimmte Ereignisse zurück, erinnern wir uns an Abläufe, Details und Eindrücke. Allerdings gibt es keine Garantie, dass Ihr Gedächtnis stimmt. Es kann viele Ursachen für das False Memory Syndrom geben. Eine falsche Erinnerung entsteht meist aus einem dieser Gründe:
- Schnelle Verarbeitung von Situationen
Je weniger Zeit Sie haben, um eine Information wahrzunehmen und zu verarbeiten, desto leichter kommt es zu Pseudoerinnerungen. Das zeigt sich beispielsweise bei Zeugenaussagen, wo fälschlicherweise Unschuldige identifiziert werden, nur weil sie dem Täter ein wenig ähnlich sehen. Auch bei einem Unfall erinnern sich Betroffene oft nicht korrekt, weil die Situation sehr plötzlich auftritt und wieder vorbei ist. - Vorurteile
Auch Vorurteile können zum False Memory Syndrom führen. Bei einer Täterbeschreibung wird die Angabe unbewusst vom eigenen Bild eines Verbrechers beeinflusst. - Wiederholung
Wenn Sie eine Geschichte oft genug erzählen, glauben Sie irgendwann selbst, dass diese wahr ist. Das passiert beispielsweise, wenn Sie eine Erzählung erweitern, um sie spannender oder beeindruckender zu machen. Anfangs haben Sie selbst die Zusätze erfunden, nach genügend Wiederholungen sind Sie überzeugt, dass diese wirklich passiert sind. - Emotionale Bedeutung
Erinnerungen und Emotionen sind eng verbunden. Je größer die emotionale Bedeutung einer Situation, desto besser und genauer werden Sie sich in Zukunft daran erinnern. Diese Erinnerungen werden besonders gut ins Langzeitgedächtnis übertragen, weil sie mit starken Emotionen verbunden sind. Falsche Erinnerungen treten somit häufiger auf, wenn die emotionale Bindung fehlt. - Vermischung
Das Gehirn kann oft nicht zwischen echter Erinnerung und späteren Informationen unterscheiden. Gerade Fotos führen dazu, dass sich die Abbildungen mit den eigenen Erinnerungen vermischen und diese sogar verdrängen. Filme können denselben Effekt haben. Betroffene sehen eine Szene und meinen, etwas Ähnliches selbst erlebt zu haben – obwohl dies objektiv niemals passiert ist. - Suggestion
Eine große Gefahr beim False Memory Syndrom: Die Pseudoerinnerungen können durch Suggestion von außen erzeugt und Betroffenen regelrecht eingepflanzt werden. Forscher konnten durch verschiedene Suggestiv-Techniken falsche Erinnerungen erzeugen, von denen Teile der Probanden später felsenfest behauptete, es seien ihre eigenen.
False Memory Effekt als Verdrängung
Bei traumatische Erlebnissen tritt der False Memory Effekt oft als Selbstschutz auf. In der Erinnerung werden einige besonders schlimme und negative Erlebnisse verändert, weggelassen oder ausgetauscht. Das macht die Verarbeitung der Geschehnisse für Betroffene leichter, führt aber zu Pseudoerinnerungen.
Beispiele für das False Memory Syndrom
Vielleicht haben Sie selbst auch schon einmal gedacht: „Das ist mir genau so passiert!“ – Doch eigentlich war es ganz anders… Wir haben einige Beispiele für das False Memory Syndrom zusammengestellt:
Kindheitserinnerungen
Je länger die Kindheit zurückliegt, desto leichter kommt es dabei zu Pseudoerinnerungen. Betroffene meinen sich an Situationen in Ihrer Jugend zu erinnern, die sich so nie zugetragen haben. Entweder waren die Betroffenen gar nicht dabei, sondern kennen die Ereignisse selbst nur aus Erzählungen – oder es werden Dinge erinnert, die es nie gegeben hat. Da die eigenen Erinnerungen zur Kindheit oft nur bruchstückhaft sind, kann hier leicht manipuliert werden.
In einer Studie von Ira E. Hyman, Try H. Husband und F. James Billings wurde den Teilnehmern vorgemacht, sie seien als Kind mitten in der Nacht aufgrund von Fieber ins Krankenhaus eingeliefert worden. Jeder fünfte Proband war anschließend davon überzeugt und übernahm die Pseudoerinnerung als eigene Kindheitserinnerung.
Falsche Erinnerungen: Der Bugs-Bunny-Effekt
Zu dem Phänomen gehört ebenso der Bugs-Bunny-Effekt der amerikanischen Psychologin Elizabeth Loftus. In ihrem Experiment suggerierte sie Studenten, dass diese als Kind einen Walt-Disney-Park besuchten und dabei die bekannte Hasenfigur Bugs Bunny trafen – sogar ein Foto hätten die Probanden mit der Figur gemacht. Bis zu 35 Prozent der Teilnehmer konnten sich anschließend lebhaft daran erinnern und erzählten davon, wie sie Bugs Bunny die Hand geschüttelt haben.
Ein schönes Beispiel für eine Pseudoerinnerung: Die Probanden hätten Bugs Bunny nie im Disney-Park treffen können – der Hase gehört Disney-Konkurrenten Warner Brothers.
Urlaubserinnerungen
Sie erzählen von Ihrem schönsten Urlauben, doch muss nicht alles davon wirklich passiert sein. In der Erinnerung können die Erlebnisse beschönigt oder auch dramatisiert werden. Vielleicht erinnern Sie sich an dauerhaften Regen – in Wahrheit hat es aber nur zwei Tage geregnet. Das kann schon ausreichen, um rückblickend Ihren Gesamteindruck zu trüben. Alles andere wird überschattet und Sie haben nur noch das Negative im Kopf.
Joberinnerungen
Ähnlich wie beim Urlaub zeigt sich das False Memory Syndrom oft beim Job. Wenn Sie ein paar Jahre nach einem Jobwechsel zurückblicken, spielt das Gehirn dabei gerne einen Streich. Sie haben viele neue berufliche Eindrücke gesammelt, die ältere Erinnerungen verdrängt haben. Betroffene sehen zum Beispiel die gesamte Zusammenarbeit als Phase der Unzufriedenheit, wenn in Wahrheit nur die letzten Wochen vor der Kündigung ein Problem waren.
False Memory Effekt und Mandela-Effekt
Wie falsch Erinnerungen sein können, zeigt der Mandela-Effekt – das Phänomen der kollektiven Falscherinnerung. Beim Mandela-Effekt können sich gleich mehrere Menschen an etwas erinnern, das nie stattgefunden hat. Benannt ist der Mandela-Effekt nach dem südafrikanischen Freiheitskämpfer Nelson Mandela, von dem viele glauben, er sei bereits in den 1980er Jahren im Gefängnis gestorben. Nachweislich falsch! Mandela starb erst 2013 an einer Lungenentzündung. Zuvor war er sogar Präsident Südafrikas.
Weitere Beispiele für diese Pseudoerinnerungen: Der bekannte Monopoly-Mann trägt zwar Zylinder und Anzug, aber kein Monokel vor dem Auge! In Umfragen dazu ist ein großer Teil der Befragten aber genau davon überzeugt.
Ebenso erinnern sich unzählige Fans von Star Wars an den berühmten Satz „Luke, ich bin dein Vater!“ Das vermeintliche Zitat kommt so jedoch gar nicht im Film vor. Es heißt korrekt: „Nein, ich bin dein Vater!“
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