Einfach erklärt: Was ist Oversharing?
Oversharing stammt aus dem Englischen (to overshare) und bedeutet auf Deutsch so viel wie „zu viel teilen“. Dabei geht es um das Preisgeben intimer Informationen und Details über die eigene Person. Das Phänomen ist weit verbreitet: Zahlreiche Menschen offenbaren sich, wo sie besser schweigen sollten.
Der Begriff Oversharing ist daher durchweg negativ besetzt. Die meisten Zuhörer empfinden die Offenbarungen als zu viel des Guten. Die Folge: Fremdschämen. Allerdings ist das Empfinden von subjektiven Faktoren abhängig: Beispielsweise davon, wie offen das Gegenüber ist oder ob das Gesagte und Gezeigte in der Öffentlichkeit stattfindet.
Oversharing Synonyme sind: übertriebene Mitteilsamkeit, Gesprächigkeit, Redseligkeit oder kurz: Mitteilungsbedürfnis.
Woher stammt der Begriff?
Vor allem das Internet verführt zum Oversharing. Viele Menschen posten auf Facebook, Instagram oder TikTok Bilder aus dem Privatleben, teils halbnackt. Sie informieren über ihren Beziehungsstatus (interessiert, geschieden, verlobt…), zeigen ihre Wohnungen oder plaudern über ihr Sexualleben. Social Media ermöglicht es, alles im Leben mit allen zu teilen. Dort etablierte sich der Begriff des Oversharings schon vor rund 10 Jahren.
Die scheinbare Anonymität trägt dazu bei, dass manche Nutzer sämtliche Hemmschwellen verlieren und mehr von sich preisgeben, als ihnen guttut. Die Reaktion darauf wurde ebenfalls im Internet geprägt: „cringe“ – das innerliche Zusammenkrümmen angesichts extrem peinlicher Situationen.
Beispiele für Oversharing
Die Oversharing-Formen sind inzwischen zahlreich. Die übertriebene Mitteilsamkeit gibt es im Internet, im Job und in Beziehungen – also auch unter Freunden oder in der Familie. Hier einige Oversharing Beispiele:
- Rant
Freie, extreme Wuteskapaden im Internet. - Rosenkrieg
Enthüllungen über intime Beziehungsdetails, meist über den/die Ex. - Seelenstriptease
Freier, öffentlicher Gedankenlauf (auch: Brainfarts). - Foodporn
Regelmäßiges fotografieren und teilen der täglichen Nahrung. - Overtagging
Exzessives vertaggen von Bekannten und Personen in Postings für mehr Aufmerksamkeit. - Kinder-Inszenierung
Bilder der eigenen Kinder und Selfies werden unüberlegt hochgeladen – ohne Blick auf mögliche Folgen.
Was sind die Oversharing Gefahren?
„Too much information!“ – Mit dem Ausruf warnen Betroffene und Zuhörer schon mal ihr Gegenüber vor einer übertriebenen Preisgabe. Eigentlich nett: Sie signalisieren so, dass Sie gerade dabei sind, zu viele Informationen über sich zu erzählen. Manches will man auch gar nicht hören. Zumal einige Menschen so sensibel, dass sie schon aus gesundem Selbstschutz auf die Bremse treten.
Meist aber setzen Menschen im Gespräch eine Grenze, weil sie Sie vor größerem Schaden in Zukunft schützen wollen. Die Gefahr des Oversharing besteht schließlich nicht nur in der potenziellen Peinlichkeit. Auch Kriminelle könnten die öffentlichen Informationen nutzen, Rückschlüsse auf Wohnort, Vermögensverhältnisse oder Reisepläne ziehen. Wer etwas Urlaubsbilder postet, signalisiert Einbrechern, dass die Wohnung gerade leer steht. Noch nachhaltiger wirkt Oversharing im Job:
Beispiel Bewerbung: Viele Personaler und Arbeitgeber googeln heute vielversprechende Kandidaten oder Mitarbeiter. Was sie dann im Internet finden, kann kompromittierend sein und Lügen im Lebenslauf entlarven oder auch manchen Kollegen, der gerade blaumacht.
Oversharing Psychologie: Was sind die Ursachen?
Wenn Menschen zu Oversharing neigen, dann kann es mehrere Gründe dafür geben. Einer ist Studien zufolge sogar das Alter – vor allem Ältere geben mehr von sich preis als jüngere Menschen. Zu dem Ergebnis kommen die University of Edinburgh und die Northwestern University in Illinois. Daneben sind folgende Ursachen denkbar:
1. Gefühl von Intimität
Körperliche Nähe suggeriert häufig eine Form von Vertrautheit, selbst wenn das Gefühl täuscht. So beispielsweise, wenn Sie beim Friseur sind – eine eigentlich fremde Person berührt Sie, schon kommt man ins Plaudern. Und manchmal gibt ein Wort das andere.
2. Hang zum Narzissmus
Manche Menschen haben einen ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung, fast schon Narzissmus. Mit kräftiger Stimme und ausladenden Gesten machen sie auf sich aufmerksam. Der Wunsch, gesehen zu werden ist so stark, dass ihnen jedes Mittel recht ist.
3. Wunsch nach Entlastung
In endlosen Warteschlangen, in Zügen oder auf dem Flug entspinnen sich teilweise die besten Gespräche. Die unterschiedlichsten Charaktere, die sich so im Leben nie begegnen würden, befinden sich am selben Ort. Das schweißt Fremde auf eine Art zusammen und begünstigt offene Gespräche. Das Beste dabei: Wer versehentlich zu private oder pikante Geschichten erzählt, muss keine Bange haben – die Wahrscheinlichkeit ist gering, sich jemals wieder zu begegnen. So kann der Oversharer auch bewusst negative Gefühle loswerden.
4. Oversharing als Kompensation
Ein anderer Grund für Oversharing kann sein, dass jemand Spannungen in Gegenwart einer anderen Person überbrücken möchte. Private Details sind eigentlich ein Zeichen dafür, dass jemand einem nahesteht. So soll eine – sonst eher unpersönliche – Beziehung zu jemanden aufgewertet werden. Oversharing ist dann eher ein Vertrauensvorschuss in der Hoffnung, dass die andere Person ihn erwidert.
5. Probleme mit Grenzen
Was noch in Ordnung und was bereits zu viel des Guten ist, ist oftmals Definitionssache. Hier kommt in einigen Fällen interkulturelle Kompetenz ins Spiel. Beispielsweise reden die sonst so wenig direkten Briten offenherzig über Sex und auch Gespräche übers Gehalt sind kein Problem. Aus deutscher Sicht hingegen sind solche Themen eher Vertrauten vorbehalten. Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Persönlichkeit: Wer schlecht nein sagen kann, kann auch schwer abschätzen, wann andere nein sagen würden.
6. Ausdruck von Einsamkeit
Wer nur wenige Freunde und soziale Kontakte hat, sucht sich anderweitig Gesprächspartner. Deshalb ist Oversharing auch häufiger bei älteren Menschen zu beobachten. Lebt die eigene Familie weit weg, ist der Partner verstorben, dann übernehmen Ärzte, Nachbarn und sogar Wildfremde diese Funktion.
7. Wunsch nach Erwiderung
In anderen Fällen ist Oversharing eine Reaktion auf zuvor erfolgtes Oversharing, quasi ein quid pro quo: Sagst Du mir etwas Vertrauliches, teile ich Dir ebenfalls etwas Vertrauliches mit. So will die erwidernde Person vermeiden, dass der Oversharer sich unwohl fühlt.
8. Unkenntnis der Funktionen
Vor allem im Netz gibt es Fälle, in denen sich die Oversharer nicht der Möglichkeiten bewusst sind. Beispielsweise wollen sie ein Bild oder eine Information mit Freunden teilen, haben aber leider eine Einstellung gewählt, welche öffentlich für jeden ist. Wer sich mit Plattformen beziehungsweise den Funktionen nicht genau auskennt, sollte im Zweifelsfall Bekannte um Hilfe bitten. Mit sensiblen Daten und Fotos sollten Sie ohnehin vorsichtig sein, besonders wenn Fremde darauf zu sehen sind.
Risiken: Wie Oversharing vermeiden?
Was, wenn Sie selbst bei sich Oversharing beobachten? Wie reagieren, wenn mein Gegenüber zu viel von sich erzählt? Wie oben ausgeführt, gibt es meist einige Gründe, warum es dazu kommt. Allerdings ist Oversharing nicht immer so harmlos, wie es scheint. Zwar müssen Sie mit keiner Strafe rechnen. Im Internet kann es jedoch sein, dass Sie durch so ein Verhalten Leute auf sich aufmerksam machen, auf deren Bekanntschaft Sie lieber verzichten würden.
So kann beispielsweise ein zu offenes Profil auf Social Media Kanälen Grooming (missbräuchliche Anbahnung Erwachsener an Minderjährige) oder Sexting (übergriffige, oft ungewollte Nachrichten mit sexuellen Inhalten) begünstigen. Dazu fünf Tipps, wie Sie Oversharing vermeiden:
1. Themen überlegen
Ob im Zug, beim Friseur, auf der Party oder in der Kantine: Wenn Sie sich gerne unterhalten, unangebrachte Details aber vermeiden wollen, sollten Sie sich passende Themen überlegen. Was sich fast immer zum Smalltalk eignet: Klassische Hobbys, Urlaube, Wetter, Essen, Sport oder Kultur. Weniger geeignet sind gesellschaftliche Reizthemen wie Religion oder Politik.
2. Selbstwertgefühl stärken
Menschen mit geringem Selbstwertgefühl finden sich selbst zu unbedeutend und interpretieren in alles etwas hinein. Ist der Kollege schweigsam, beziehen sie es auf sich. Dabei könnte es zig Gründe geben. Wer eher aus Unsicherheit anderen gegenüber viel plappert, sollte sich seiner Qualitäten stärker bewusst werden. Schauen Sie auf Ihre Erfolge, erinnern Sie sich an positive Erlebnisse und suchen Sie die Gesellschaft optimistisch eingestellter Menschen.
3. Kontakte knüpfen
Ertappen Sie sich hin und wieder dabei, Wildfremden unangemessen private Informationen zu geben, spricht das für wenig persönliche Kontakte. Im beruflichen Rahmen können Sie über Fortbildungen und thematische Events neue Leute kennenlernen. Auf privater Ebene bringen Hobbys, Sport oder ehrenamtliches Engagement Sie mit neuen Menschen zusammen. So entstehen automatisch gemeinsame Themen.
4. Stille aushalten
In einer reizüberfluteten Gesellschaft sind es viele Menschen nicht mehr gewohnt, Stille auszuhalten. Sobald keiner etwas sagt, empfinden sie es als unangenehm. Das Resultat: Wer die Stille nicht mit Worten füllt und zum Oversharer wird, verschanzt sich hinter einem Buch (seltener) oder seinem Smartphone (häufiger). Eine andere Maßnahme im Sinne der Achtsamkeit wäre, bewusst nichts zu tun und stattdessen die Situation auf sich wirken zu lassen.
5. Was tun, wenn Ihr Gegenüber ein Oversharer ist?
Ist der Gesprächspartner zu offenherzig, sollten Sie eine Grenze setzen. Sie können beispielsweise scherzhaft „Too much information!“ (Deutsch: Zu viele Informationen) ausrufen. Um zu vermeiden, dass die andere Person das als Gesichtsverlust empfindet, können Sie auch einfach das Thema wechseln.
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