Definition: Was ist das Wertequadrat?
Das Wertequadrat ist ein Modell, das ursprünglich vom Philosophen Nicolai Hartmann entwickelt und von Friedemann Schulz von Thun für die zwischenmenschliche Kommunikation erweitert wurde. Es zeigt, dass jede menschliche Qualität oder Tugend (= persönlicher Wert) durch eine ergänzende Gegenqualität (= Schwestertugend) ausgeglichen werden muss, um konstruktiv zu wirken.
Das Modell besteht aus einer Matrix mit vier Feldern, in denen jeweils positive Werte und Tugenden gegenüber entwerteten Übertreibungen oder negativen Extremen stehen. Die Balance zwischen den beiden positiven Schwestertugenden sorgt für eine dynamische Spannung, die eine gesunde Persönlichkeit und effektive Kommunikation fördert.
Übertreibungen einer Tugend führen dagegen zu negativen Verhaltensweisen, denen Sie mit der Entwicklung der Schwestertugend entgegenwirken können.
Wo wird das Wertequadrat eingesetzt?
Das Wertequadrat wird oft zur Selbstreflexion, in der Persönlichkeitsentwicklung und Personalentwicklung sowie in der Kommunikation eingesetzt, zum Beispiel bei Feedback- oder Beurteilungsgesprächen.
Wertequadrat Beispiele: So funktioniert das Instrument
Wie sich das Wertequadrat im Berufsleben oder Alltag einsetzen lässt, zeigen die folgenden Beispiele:
1. Wertequadrat Beispiel: Sparsamkeit
Die Schwesterntugend zur Sparsamkeit ist die Großzügigkeit. Beide Charaktereigenschaften ergänzen sich positiv und sind komplementäre Gegensätze. Prinzipiell ist ein sparsamer Umgang mit Geld nicht verkehrt.
Damit sich eine Person aber nicht zum Geizkragen entwickelt, sollte sie sich hier und da großzügig zeigen. Das absolute Extrem der Großzügigkeit – und damit eine Gegentugend – wäre die Verschwendung. Sinnloses Geldverprassen ist genauso schädlich wie auf seinem Geld zu hocken. Gleiches lässt sich für andere menschliche Werte zeigen…
2. Wertequadrat Beispiel: Toleranz
Toleranz ist zum Beispiel eine Tugend, die durch ihre Schwestertugend Engagement zu ihrer vollen Entfaltung kommt. Wer sich nicht engagiert, nicht in Diskussionen einbringt und keine Meinung hat, zeigt Gleichgültigkeit.
Umgekehrt zeugt es von Fanatismus, wenn jemand zwar bestimmt in seiner Ansicht ist, aber gegenüber anderen Weltsichten verschlossen oder gar feindselig bleibt.
3. Wertequadrat Beispiel: Ehrlichkeit
Auch Ehrlichkeit gehört zu den wünschenswerten menschlichen Eigenschaften. Aber die Tugend stößt an Grenzen: In manchen Fällen sind Notlügen besser oder Sie benötigen Diplomatie und Taktgefühl, um die richtigen Dinge zu sagen.
Das Gegenteil oder sogar eine Untugend zur Ehrlichkeit, ist die Offenheit. Wer unnötig brutal seinem Gegenüber die Meinung oder Wahrheit sagt, kann enorm verletzen. Ähnliches gilt für zu viel Offenheit im Job: Wer völlig distanzlos intime Details aus seinem Privatleben erzählt, verliert an Respekt. Umgekehrt darf Diplomatie nicht dazu führen, dass jemand seine eigene Meinung völlig verschweigt. In dem Fall entwickelt sich die Persönlichkeit zur Fassade…
4. Wertequadrat Beispiel: Empathie
Besonders in sozialen Berufen wie Erzieherin oder Pflegefachkraft legen Arbeitgeber großen Wert auf Empathie. Diese Eigenschaft ermöglicht eine angemessene Interaktion mit anderen Menschen.
Die Tugend ist die perfekte Ergänzung zur Selbstliebe, die dabei nicht zu kurz kommen darf. Gerät sie aus dem Blick, neigen Betroffene dazu, eigene Bedürfnisse auszublenden oder gar zur Selbstaufgabe. Fehlt hingegen die Empathie und wird die Selbstliebe auf die Spitze getrieben, wird daraus Egozentrik, Egoismus oder sogar Narzissmus.
5. Wertequadrat Beispiel: Perfektionismus
Perfektionismus ist eine Eigenschaft, die lange als Tugend galt. Gerne nannten Bewerber sie in Vorstellungsgesprächen, um damit ihre herausragenden Leistungen zu betonen.
Was viele übersehen: Perfektionismus ist oft das Extrem zur Genauigkeit und Sorgfalt. Er hindert viele Menschen daran, in angemessener Zeit gute Leistungen zu erbringen, weil sie immer weiter an Details feilen. Somit fällt Perfektionismus heute eher in den Bereich der Untugenden, weil er eine Übertreibung darstellt.
Erstrebenswert wäre daher eine Entwicklung hin zu einer lockereren Einstellung, jedoch ohne schlampig zu werden!
Welche Vorteile hat das Werte- und Entwicklungsquadrats?
Ganz allgemein hilft das Werte- und Entwicklungsquadrat dabei, persönliche Eigenschaften in unterschiedlichem Licht zu betrachten: Das Wertequadrat deckt die verschiedenen Facetten einer Tugend auf. Mehr noch: Mit einem Blick erkennen die Nutzer, wann etwas ursprünglich Positives ins Negative kippt und zur Untugend wird. Diese Erkenntnis lässt sich in zahlreichen Bereichen nutzen:
Selbstanalyse
Als Bewerberin oder Bewerber können Sie zum Beispiel mithilfe des Wertequadrats ihre Werte auf den Prüfstand stellen. Mittels ehrlicher Selbstanalyse erkennen Sie, ob Sie wirklich – um bei den genannten Beispielen zu bleiben – so gewissenhaft, tolerant oder sparsam sind, wie Sie es gerne wären. Falls nicht, gibt Ihnen das Modell die Gelegenheit, an den Defiziten zu arbeiten.
Neben persönlichem Wachstum können Sie mithilfe des Wertequadrats die eigenen Stärken und Schwächen für die Vorstellungsgespräch Vorbereitung analysieren oder durch gezieltes Coaching verbessern.
Human Ressources
Vor allem im Personalmanagement und bei der Entwicklung von Führungskräften wird das Modell gerne genutzt. Personaler nehmen mit dem Instrument deren Eigenschaften genauer unter die Lupe und geben anschließend Feedback, wo noch Potenziale bestehen. Ohne Quadrat fielen Betroffenen vielleicht nur die Untugenden auf. So aber stehen diesen auch positive Eigenschaften gegenüber.
Liste: Was sind Ihre Werte?
Wollen auch Sie das Wertquadrat nutzen und anwenden? Dann finden Sie hier eine umfangreiche Liste mit Persönlichkeitsmerkmalen und Eigenschaften zur Anregung. Welche davon besitzen Sie – und mit welchen Schwestertugenden können Sie negative Charakterzüge ausgleichen?
Achtsamkeit Akzeptanz Anteilnahme Aufgeschlossenheit Aufrichtigkeit Ausgeglichenheit Authentizität Barmherzigkeit Beliebtheit Bescheidenheit Bodenständigkeit Dankbarkeit Demut Disziplin Effizienz Ehrgeiz Ehrlichkeit Eigenständigkeit Eigenverantwortung Empathie Engagement Entschlossenheit Entwicklung Erfolg Fairness Fleiß Flexibilität Freiheit Freude Freundlichkeit |
Geduld Gelassenheit Gemeinschaft Genauigkeit Gerechtigkeit Gesundheit Glaube Glaubwürdigkeit Gleichheit Gnade Großzügigkeit Harmonie Herzlichkeit Hilfsbereitschaft Integrität Intelligenz Intuition Kommunikation Konsequenz Kreativität Kritikfähigkeit Leichtigkeit Leidenschaft Liebe Loyalität Macht Mitgefühl Mut Nachhaltigkeit Neugier |
Offenheit Optimismus Ordnung Perfektion Persönlichkeitsentwicklung Pünktlichkeit Rationalität Realismus Respekt Selbstbestimmung Selbstverantwortung Selbstvertrauen Selbstverwirklichung Sensibilität Sicherheit Solidarität Sorgfalt Sparsamkeit Spiritualität Spontanität Toleranz Tradition Transparenz Treue Verantwortung Verlässlichkeit Vertrauen Wohlstand Zugehörigkeit Zuverlässigkeit |
Was andere dazu gelesen haben