Nett sein? Warum es gut ist, mal nicht nett zu sein

Wer nett sein will, tut das meist aus Kalkül, Motto: „Wie du mir, so ich dir“ (siehe: reziproker Altruismus). Doch wer sich Respekt verschaffen will, darf nicht immer nur nett sein…

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Nett sein hat seinen Preis

Nett sein, ist eine eine erstrebenswerte Eigenschaft, ja. Wer nett zu anderen ist, der ist angenehm, sympathisch, freundlich, gewinnend, liebenswürdig, zuvorkommend, toll…

So lauten die häufigsten Synonyme für Menschen, die nirgends anecken. Es ist ja auch einer unserer Urtriebe, von möglichst vielen Menschen gemocht zu werden.

Übersehen wird dabei aber oft, dass andere zu uns so gar nicht nett sind. Völlig Fremde überziehen uns (in Social Media) mit Hass, Häme, Hohn und Spott, ventilieren ihren eigenen Lebensfrust zu Zwecken der Selbsttherapie oder knallen uns haltlose Beleidigungen an den Kopf.

Das kann – wer will – stillschweigend hinnehmen, aussitzen und aushalten und gilt dafür dann auch als umgänglich und nett. Aber zu welchem Preis?

Lasse ich mir zu viel gefallen?

Sich alles gefallen zu lassen, kann eine dumme Angewohnheit sein. Keine gute Tat, bleibt ungestraft und Frechheit siegt ebenfalls.

Das soll kein Plädoyer fürs Gemeinsein werden. Wohl aber eines für eine gesunde Ellbogenfreiheit und dafür, im Alltag auch mal so gar nicht nett zu sein und zum Beispiel öfter „Nein“ zu sagen oder Grenzen zu setzen.

Nein sagen lernen Spruch, nicht nett sein

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5 gute Gründe, mal nicht nett zu sein

Tatsächlich gibt es gleich mehrere gute Gründe für gelegentliche Manieren-Missachtung und Ignoranz der eigenen Kinderstube…

1. Selbstschutz üben

Es gibt Menschen, die verwechseln Nettigkeit mit Naivität – und nutzen das schamlos aus. Aus einem einmaligen Gefallen leiten sie eine dauerhafte Anspruchshaltung ab und verlangen immer mehr, mehr, mehr. Zuweilen auch nur, um herauszufinden, wo unsere Schmerzgrenze liegt. Wer dann auf einmal gar nicht mehr nett ist und NEIN sagt, gilt sofort als Spielverderber und wird als „grob“ oder „unhöflich“ geschmäht. Das ist aber bloß moralinsaure Rhetorik. Fakt ist: Sie lassen sich nicht länger ausnutzen. Das ist vielleicht (in den Augen der Ausbeuter) nicht nett, aber nützlich.

Lesetipp: Ausbeutung stoppen

2. Grenzen setzen

Der Punkt ist mit dem ersten verwandt. Gemeint ist hier aber spiegelbildliches Verhalten. Man muss sich zwar nicht jeden Schuh anziehen, den einem jemand hinstellt und manche Attacke lässt sich auch souverän übersehen und überhören. Aber irgendwo ist Schluss. Manche Zeitgenossen haben einen Ton und eine Art am Leib, die man keinesfalls tolerieren muss und sie daher in die Schranken weisen sollte. Es braucht manchmal nur eine(n) Mutige(n), der die Wahrheit ausspricht und (sorry) dem Arschloch sagt, dass er ein Arschloch ist. Nicht nett, aber nötig.

Lesetipp: INGA-Prinzip: In 4 einfachen Schritten Grenzen setzen

3. Bedürfnisse betonen

Selbstbewusst zu sein, bedeutet auch, seine Bedürfnisse zu benennen und einzufordern – selbst dann, wenn das andere als nicht nett empfinden. Natürlich geht es nicht darum, immer alles zu bekommen, was man will. Das Leben besteht aus Kompromissen und Ungleichgewichten. Manchmal gibt man eben mehr als man bekommt. Nur heißt das nicht, ausschließlich zurückzustecken. Auch Sie haben ein Recht darauf, glücklich zu sein. Ihre Bedürfnisse sind nicht weniger wert als die der anderen. Dies zu betonen, empfinden manche ebenfalls als „nicht nett“ – ist es aber: Ihnen selbst gegenüber.

4. Rückgrat bewahren

Wer für seine Ideale, seine Meinungen und Überzeugungen einsteht, wird zwangsläufig anecken, polarisieren, Widerspruch provozieren. Nicht alle Menschen teilen diese Werte, andere wollen auch nichts davon hören, geschweige denn sich und ihre eigene Meinung dadurch herausfordern lassen. Also gilt so jemand schnell als nerviger Querulant – gar nicht nett eben. Bullshit! Mag sein, dass einige in geistiger Unabhängigkeit einen permanenten Affront sehen – eine Art Blasphemie wider den Mainstream. Na und?! Die Wahrheit ist: Am Ende des Tages bewundern wir Menschen mit Rückgrat und gerader Persönlichkeit mehr als den Anpasser und Wendehals. Wir reiben uns zwar stärker an ihnen, aber Ihre Werte sind das wert.

5. Konflikte aushalten

Bei aller Liebe zur Harmonie: Manche Konflikte sind unausweichlich und auch notwendig (teils schon aus obigen Gründen). Ihr Kollege erzählt Blödsinn, streut sogar Gerüchte über Sie – dann muss man das ausdiskutieren. Allerdings sind nicht alle (Kollegen) vernünftigen Argumenten aufgeschlossen gegenüber. Sie wollen einfach nur Recht haben oder es anders sehen. Dann können Sie „nett“ sein und nachgeben. Oder Sie ignorieren das Mantra des Immer-nett-sein-müssens und halten den Konflikt einfach mal aus. Schließlich haben Sie ja gute Argumente. Zudem bleibt immer noch die Einsicht, darin einig zu sein, nicht einig zu sein.

Ausnahme Führungskräfte: Nette Rendite

Führungskräfte, die fair und nett sind, haben laut einer Studie (PDF) die Nase vorn. Angestellte sind sogar produktiver, wenn sie einen netten Chef haben. Demnach ist das Engagement der Mitarbeiter, die sich fair behandelt und respektiert fühlen, um 26 Prozent höher als das ihrer weniger respektierten Kollegen.

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Quiz: Wie nett sind Sie wirklich?

Das Credo der Freundlichkeit ist überall zu hören. Eine freundliche und zuvorkommende Art kann in vielen Lebenssituationen ja auch zum Türöffner werden. Mit einem Lächeln können Sie Mitmenschen für sich einnehmen und Kunden gewinnen, sogar Konflikte entschärfen. Werden diese Eigenschaften aber überdosiert, können sie zum Problem werden. Dann werden Nettsein und Netiquette als Unterwürfigkeit ausgelegt.

Finden Sie heraus, wie nett Sie wirklich sind. Das folgende Quiz besteht aus 11 Fragen. Was davon auf Sie zutrifft, können Sie gleich hier online im Browser anhaken. Am Ende zählen Sie bitte die Punkte dafür (in Klammern) zusammen. Ganz unten finden Sie die persönliche Auswertung.

    Sie stehen an der Salatbar in der Kantine Schlange, da drängelt sich ein Kollege vor. Wie reagieren Sie?

  • „So eine Dreistigkeit“, ärgere ich mich und fordere den Kollegen auf, sich gefälligst hinten anzustellen. (1P)
  • Ich sage nichts, denn ich habe es nicht eilig. (3P)
  • Ich spreche den Kollegen zwar darauf an, dass er sich vorgedrängelt hat, lasse ihm aber den Vortritt. (2P)
  • Würden Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln einem älteren Menschen Ihren Sitzplatz anbieten?

  • Wenn ich unterwegs bin, bin ich meistens so in mein Buch oder meine Gedanken versunken, dass ich gar nicht darauf achte, wer mit mir unterwegs ist. (2P)
  • Nein, es gibt genügend andere Fahrgäste. Soll das doch jemand anderes machen. (1P)
  • Ich frage nach, ob die betreffende Person sich setzen möchte und mache gegebenenfalls Platz. (3P)
  • Ihr Chef hat in der gemeinsamen Projektpräsentation einen Fehler entdeckt und stellt Sie zur Rede, obwohl es nicht Ihr Fehler war. Wie reagieren Sie?

  • Ich nehme den Fehler auf meine Kappe und lasse den Chef in dem Glauben, dass ich den Fehler gemacht habe. (3P)
  • Ich will auf keinen Fall für die Fehler von anderen gerade stehen und weise meinen Chef darauf hin, dass meine Kollegin den Fehler gemacht hat. (1P)
  • Ich weise den Chef darauf hin, dass ich den Fehler nicht gemacht habe, sage aber aber auch nicht, wer es war. Stattdessen versichere ich ihm, dass wir im Team stärker auf den angesprochenen Aspekt achten werden. (2P)
  • Sie hatten einen anstrengenden Arbeitstag. Ihre Freundin hat gerade ein Problem, braucht Ihren Rat und bittet Sie vorbeizukommen. Wie reagieren Sie?

  • Ich sage Ihr, dass ich zu kaputt bin, um zu Ihr zu fahren und schlage vor, mir die Situation telefonisch zu schildern. (2P)
  • Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich vertröste Sie auf einen anderen Tag. (1P)
  • Ich packe meine Sachen und fahre los. Alles andere kann warten. (3P)
  • Ihr Partner hat einen freien Tag und hat zugesagt, Wäsche zu waschen und einzukaufen. Abends kommen Sie nach Hause und stellen fest, dass nichts erledigt ist. Wie reagieren Sie?

  • Es ärgert mich zwar, und das sage ich auch. Doch es ist sein freier Tag und ich verstehe das. (2P)
  • Ich bin verärgert. Meine Wut lasse ich ihn auch spüren und verlange, dass er die versäumte Arbeit nachholt. (1P)
  • Ich sage nichts, fahre selbst noch einmal einkaufen und wasche die Wäsche. (3P)
  • Ein Kollege verlässt das Unternehmen. Eine kleine Abschiedsfeier wird geplant. Für Ihre Kollegen ist klar, dass Sie sich um ein Abschiedsgeschenk kümmern. Wie reagieren Sie?

  • Ich lasse mich wieder breitschlagen, wie bei den Geburtstagen anderer Kollegen auch. (3P)
  • Ich biete an, Vorschläge zu machen. Aber ich kann das diesmal nicht übernehmen, weil ich stark eingespannt bin. (2P)
  • Ich lehne mit der Begründung ab, dass es nicht meine Aufgabe ist, sich um alles zu kümmern. Die anderen sollten auch mal etwas tun. (1P)
  • Die Kollegin hat ein unvorteilhaftes Outfit für einen Kundentermin gewählt. Sprechen Sie sie darauf an?

  • Ja, ich sage Ihr unverblümt, dass Sie sich in der Kleiderwahl vergriffen hat und einfach nur peinlich aussieht. So kann Sie nicht die Firma repräsentieren! (1P)
  • Nein, ich ignoriere das Kleid und widme mich dem Tagesgeschäft. Die Kollegin muss selbst schauen, wie Sie damit fertig wird. (2P)
  • Ja, ich weise die Kollegin dezent auf die Kleidung hin und biete ihr meinen Blazer an. (3P)
  • Ihnen fällt auf, dass der Neue im Büro kurz vor der Mittagspause alleine an einem Tisch in der Kantine sitzt. Was tun Sie?

  • Ich frage mich, warum er sich selbst ins Abseits stellt und sich nicht zu jemand anderem setzt. (2P)
  • Ich setze mich an den Tisch meiner Kollegen und diskutiere mit ihnen darüber, dass der Neue es mit so einer Einstellung nicht weit bringen wird. (1P)
  • Ich gehe rüber zu dem Neuen und lade ihn dazu ein, sich an unseren Tisch zu setzen. (3P)
  • Sie arbeiten in einem Großraumbüro und zwei Kollegen in Ihrer Nähe lachen und unterhalten sich lautstark über das Wochenende. Wie reagieren Sie?

  • Ich packe meine Sachen und setze mich in den Konferenzraum, in der Hoffnung dort besser arbeiten zu können. (3P)
  • Ich weise Sie lautstark zurecht, dass andere versuchen zu arbeiten. (1P)
  • Ich bitte die beiden darum, die Lautstärke zu drosseln und begründe meine Bitte damit, dass ich gleich ein Kundentelefonat führen muss. (2P)
  • Sie sind in der Mittagspause mit Kollegen essen. Die Bedienung im Restaurant schmeißt die Bestellungen durcheinander und vergisst am Ende sogar, dass Sie einen Sonderwunsch hatten. Geben Sie trotzdem Trinkgeld?

  • Na klar, das Restaurant ist voll und die Bedienung hat wahrscheinlich einen stressigen Tag. Ich gebe ihr ein großzügiges Trinkgeld. (3P)
  • Nein, wer so schusselig ist, hat kein Trinkgeld verdient. (2P)
  • Nein, ich beschwere mich sogar über den schlechten Service. (1P)
  • Sie stehen im Aufzug und sehen, wie jemand ins Gebäude stürmt und versucht den Aufzug zu erwischen. Was tun Sie?

  • Nichts. Das Gebäude hat mehr als einen Aufzug, und ich habe es eilig. (1P)
  • Ich drücke den Halteknopf und halte die Türen des Aufzugs auf, bis die Person noch reinkommt. (3P)
  • Ich schaue mitleidig zu, wie sich die Aufzugtüren schließen und bin froh selbst drin zu stehen. (2P)

Auswertung des Selbsttests



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