Rhetorische Pause: Erst denken, dann reden
Das Kernproblem der Kommunikation ist: Die meisten denken dabei nur ans Reden, Reden, Reden. An das Zuhören können denkt dabei kaum einer. Dabei ist uns kein Beispiel bekannt, dass sich jemals jemand um Kopf und Kragen zugehört hätte. Was das Reden anbelangt, dagegen schon. Und daraus ergibt sich zugleich eine Fundamentalregel der Kommunikation: Erst denken, dann reden! Das, was wir anschließend sagen, kann dem Gespräch die entscheidende Richtung geben. Ein falscher Zungenschlag, ein blödes Missverständnis – und die Unterhaltung kippt ins Negative.
Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, sofort etwas zu erwidern. Insbesondere dann, wenn sie mit dem Gesagten nicht einverstanden sind. Fehler! Der Gesprächsverlauf erhält so nur eine – meist unheilige – Dynamik und Beschleunigung. Und sie berauben sich so der Chance, das Ganze sacken zu lassen, zu bewerten (auch ob sich die Widerrede lohnt) und besonnener zu re-agieren.
Das gilt für jedes Gespräch. Mit einer kurzen rhetorischen Pause können Sie ungleich mehr Wirkung erzielen und sich obendrein mehr Respekt und Popularität erwirken. Rehtorische Pausen sind daher immer auch (eigene) Denkpausen – mit enormer Wirkung.
Pausenarten: Von Kunstpausen und Redepausen
Es gibt in der Rhetorik gleich mehrere Pausenarten. Vier davon stellen wir hier vor:
- Kunstpause
Ein Synonym für die rhetorische Pause. Sie kann ein gedachtes Ausrufungszeichen ebenso beinhalten wie ein Fragezeichen, einen Gedankenstrich oder Doppelpunkt – zum Beispiel um einen Höhepunkt einzuleiten. Die Betonung am Ende macht den Unterschied. - Startpause
Eine gute Rede beginnt meist mit einer Pause. Statt um Ruhe im Publikum zu bitten, wartet der Redner ab, erzeugt durch sein Schweigen Spannung und Neugier – und gewinnt durch sein anfängliches Schweigen die volle Aufmerksamkeit. - Nachsatz-Pause
Sie gibt den eigenen Worten einen Nachhall. Dabei muss man nicht nach jedem Satz eine Pause machen, sondern eher nach jedem gedanklichen Absatz. So verlängert sich dessen Aussage, gibt ihm Bedeutungsschwere und lässt Raum zum Nachdenken im Wortsinn. Solche Pausen geben dem Gesagten zugleich eine hörbare Gliederung. - Sokratische Pause
Ziel des Sokratischen Gesprächs ist, dass die Beteiligten Einsichten gewinnen und bei ihrem Bemühen um Wahrheit Raum zum Denken haben. Die Pause gibt hierzu die Dynamik. Bei einem Vortrag ist sie mit Fragen ins Publikum vergleichbar.
Rhetorische Pause: Eine Sekunde reicht
Probieren Sie es aus: Gewöhnen Sie sich an, vor jeder Antwort mindestens eine volle Sekunde zu schweigen und diese rhetorische Pause für sich zu nutzen. Schon aus diesen Gründen…
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Sie unterbrechen andere seltener
Mal ehrlich: Es fühlt sich nicht gut an, von anderen unterbrochen zu werden. Höflich ist es sowieso nicht, denn es offenbart mangelnden Respekt gegenüber dem Gesprächspartner. Indem Sie sich aber angewöhnen, immer eine rhetorische Pause zu machen, fallen Sie anderen nicht mehr so oft ins Wort. Idealerweise gar nicht mehr. Das macht Sie nicht nur zu einem angenehmeren Gegenüber, sondern bringt Ihnen selbst mehr Respekt ein. Obendrein geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance, das (von Ihnen) Gesagte und Gehörte zu verarbeiten.
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Die Pause lässt Sie souveräner aussehen
Jede bewusste Pause nimmt Tempo aus der Konversation, kühlt die womöglich aufgeheizte Stimmung ab und gibt Ihnen obendrein Zeit, zu fokussieren: auf das, was Sie dazu sagen sollten – und was besser nicht. Schweigen kann ja manchmal die bessere Antwort sein. Noch wichtiger aber: Indem Sie die Stärke beweisen, eben selbst das Tempo zu bestimmen und nicht reagieren zu müssen (auch wenn der andere Sie vielleicht genau dazu provozieren möchte), beweisen Sie Ihre Souveränität. Eine enorme Machtdemonstration, die Ihnen viel Respekt und beim Publikum (falls vorhanden) auch Sympathien einbringen wird.
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Sie wirken sofort intelligenter
Wer schnell und dabei noch eloquent reden kann, wirkt auf andere besonders smart. Das Talent haben aber nur wenige. Bei den meisten funktioniert die Zunge schneller als der Verstand. Prompt reden sie sich um Respekt und Reputation. So jemanden nimmt niemand wirklich ernst. Die rhetorische Pause dagegen (die Sie natürlich auch im weiteren Gespräch immer wieder einsetzen können) gibt Ihnen die Chance, potenziellen Dummfug und Versprecher zu vermeiden. Mehr noch: Sie vermitteln dem anderen den Eindruck, dass Sie wirklich über das, was Sie gleich sagen werden, nachgedacht haben (was Sie natürlich sowieso tun sollten). Effekt: Das Gesagte bekommt nicht nur mehr Gewicht – Sie selbst wirken dabei sofort smarter.
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Ihre Worte werden gewählter
Nicht gerade wenige Menschen können Schweigen einfach nicht ertragen. Entsprechend versuchen sie, akustische Lücken durch stimmhaftes Denken oder Füllsel zu schließen: „Also…äh…das ist ja…Sie wissen ja…grundsätzlich ist es ja so, dass…“ Wie wirkt eine solche Anmoderation auf Sie? Eben. Die kurze Schweigepause hilft Ihnen dabei, die nächsten Worte weiser zu wählen, besser zu formulieren und Ihre Gedanken noch einmal zu sortieren und zu priorisieren. Unser Gehirn braucht dafür in der Regel tatsächlich nur eine oder zwei, drei Sekunden. Der Effekt ist auch hier derselbe: Sie selbst kommunizieren klarer, wirken insgesamt klüger und souveräner.
Es ist – wie gesagt – nur eine kleine Verhaltensänderung, ein rhetorischer Kunsttrick und eine Pause von einer oder etwas mehr Sekunden. Aber mit enormer Wirkung, die nicht nur Gespräche sondern auch Beziehung nachhaltig verbessern kann.
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