Verzeihen: Darum ist es so wichtig + Lernen in 4 Schritten

Vergeben und verzeihen fällt vielen schwer. Wer um Verzeihung bittet, appelliert meist an die Milde und Güte desjenigen, den er oder sie gekränkt hat. Umgekehrt hat der- oder diejenige die Wahl, zu verzeihen – oder auch nicht. Häufig stecken tiefe Verletzungen dahinter, wenn jemand nicht verzeihen will. Damit aber schaden wir uns selbst. Warum Vergebung so wichtig ist und wie man verzeihen lernen kann…

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Definition: Was bedeutet verzeihen?

Verzeihen können, bedeutet, eine Verletzung oder Kränkung nicht länger als Belastung zu empfinden und emotional loszulassen. Im Kern geht es darum, die negative Emotion, die mit dem Geschehenen verbunden ist, zu überwinden und eine neue, versöhnliche Haltung einzunehmen.

Vergebnung ist ein mentaler Prozess, der sowohl die innere Einstellung als auch das Verhalten betrifft. Das braucht jedoch Zeit und Übung. Konkret bedeutet Verzeihen:

  1. Groll und Wut loslassen

    Zuerst muss man bereit sein, an den negativen Gefühle, die mit einer Verletzung verbunden sind, nicht länger festzuhalten.

  2. Das Geschehene akzeptieren

    Was passiert ist, ist passiert. Das lässt sich nicht zurückdrehen. Aber wir können mit der Vergangenheit bewusst abschließen.

  3. Die Opferrolle verlassen

    Es ist wichtig, die Opferrolle zu verlassen und durch die Vergebung wieder die Handlungskontrolle zurückzugewinnen. Erst so wird Verzeihen zur Befreiung!

  4. Den Neuanfang wagen

    Verzeihen schließt aber und gibt eine zweite Chance. Es kann der Weg für einen Neuanfang sein – in der Beziehungen oder im Umgang mit sich selbst.

Gibt es Grenzen des Verzeihens?

Grundsätzlich sollten wir immer bereit sein, anderen zu vergeben und zu verzeihen. Schließlich würden wir das umgekehrt genauso wollen. Es gibt aber Situationen, die Vergebung extrem schwierig machen. Verzeihen bedeutet natürlich keine generelle Straffreiheit und Amnestie. Die innere Haltung dabei ist jedoch wesentlich wichtiger, um sich davon zu befreien. In manchen Fällen kann es daher sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe zu suchen, um die Verletzung zu überwinden.

Vergeben oder Verzeihen – Unterschied?

Die Begriffe vergeben und verzeihen werden häufig synonym verwendet. Es gibt jedoch einen Unterschied:

  • Verzeihen
    Verzeihen ist ein bewusster Verzicht auf Rache, Strafe oder weitere Wiedergutmachung. Es kann auch dann erfolgen, wenn der Täter keine Reue zeigt oder nicht um Entschuldigung bittet.
  • Vergeben
    Vergeben geht tiefer als Verzeihen und ist mehr Gnade und Geschenk, das das Gegenüber von seiner Schuld befreit und nicht nachtragend ist. Im religiösen Kontext spielt Vergebung eine zentrale Rolle, etwa im Christentum („Vergib uns unsere Schuld…“).

Eine ausführliche Definition zum Unterschied haben wir in diesem PDF zusammengefasst.

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Warum ist Verzeihen so wichtig?

Verzeihen ist gleich aus mehreren Gründen wichtig – nicht nur für die Schuldiger, sondern vielmehr für einen selbst! Es vor allem dem eigenen seelischen und körperlichen Wohlbefinden: Wer nicht verzeiht, bleibt emotional an Verletzungen gebunden und trägt dauerhaft eine psychische Last mit sich herum. Das kann zu innerer Unruhe und sogar zu körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen, Bluthochdruck oder einem geschwächten Immunsystem führen…

Verzeihen können, bedeutet, sich selbst zu befreien. Es ist ein Akt der inneren, mentalen Stärke, bei dem man sich aus der Opferrolle löst und wieder Kontrolle über die eigenen Gefühle und das eigene Leben gewinnt.

Die Vorteile der Vergebung

  • Psychische Gesundheit

    Studien der Michigan State Universität zeigen, dass Verzeihen emotionalen Stress reduziert und Psychohygiene verbessert. Laut Studien der Duke Universität in North Carolina senkt Vergebung sogar die Gefahr von Depressionen.

  • Körperliche Gesundheit

    Vergeben und Verzeihen wirkt sich ebenfalls positiv auf den Körper aus: Es stärkt das Immunsystem, senkt den Blutdruck. Umgekehrt kann das Nicht-Verzeihen-können zu Gewichtszunahme führen.

  • Innerer Frieden

    Durch das Loslassen von Groll und Rachegedanken entsteht innerer Frieden, und man kann sich wieder auf die Gegenwart und Zukunft konzentrieren, statt in der Vergangenheit gefangen zu bleiben.

  • Stärkung von Beziehungen

    Nicht zuletzt trägt Verzeihen dazu bei, Beziehungen zu reparieren oder zu vertiefen. Es bildet die Grundlage für eine generell versöhnliche Kommunikation und Fehlerkultur.

  • Selbstakzeptanz fördern

    Auch sich selbst zu verzeihen ist wichtig, um mit den eigenen Fehlern und Schwächen besser leben zu können.

Es schadet nichts, wenn einem Unrecht geschieht. Man muß es nur vergessen können. (Konfuzius)

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Ursachen: Warum kann ich nicht verzeihen?

Warum können manche nicht verzeihen? Das hängt mit dem Auslöser und der eigenen Persönlichkeit zusammen. Klar, manche Lappalien kann man schnell verzeihen und vergessen, anderes wiegt schwerer.

Wenn man jedoch selbst anderen nur schwer verzeihen kann, sollte man genauer hinsehen und folgende Ursachen untersuchen:

  • Biographie

    Kränkungen sind höchst individuell und hängen mit der eigenen Geschichte zusammen. Meist treffen die Täter einen wunden Punkt, den man bis heute nicht verarbeitet hat.

  • Stolz

    Auch falscher Stolz kann dafür sorgen, eine Entschuldigung nicht anzunehmen – womöglich auch aus der irrigen Annahme heraus, Vergebung sei ein Zeichen von Schwäche.

  • Wiederholung

    Wer immer wieder verzeiht, kann andere ermutigen, einfach weiterzumachen und denselben Fehler zu wiederholen – weil es keine Konsequenzen hat. In dem Fall lässt sich dennoch vergeben – und die toxische Beziehung beenden.

  • Bestrafung

    Schließlich wollen manche andere auch einfach nur bestrafen und möglichst große Schuldgefühle erzeugen, indem sie (lange) nicht verzeihen. Ziel ist, sich selbst dadurch besser zu fühlen. Das funktioniert aber allenfalls kurzfristig, weil man gefangen bleibt.

Verzeihen können nur die Starken

Die Unfähigkeit zu vergeben und zu verzeihen, ist letztlich ein Zeichen eigener Schwäche und mangelhafter Überwindungsstrategien für Konflikte aller Art. Ohne Versöhnung schaden wir uns jedoch nur selbst.

Als der Psychologe Kevin Carlsmith von der Colgate Universität in Hamilton das genauer untersuchte, stellte er fest: Wer nur auf Rache und Sühne sann, wurde mit der Zeit selbst bitter, traurig und krank. Verzeihen wiederum ist eine sogenannte Coping-Strategie, bei der wir unsere Resilienz stärken.

Gott hat mir schon vergeben. Wer bin ich, dass ich es nicht tue?! (Unbekannt)

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Verzeihen lernen – 4 einfache Schritte

Auch wenn es schwerfällt: Verzeihen ist erlernbar und lohnt sich. Sie schließen mit der Verletzung ab, Wunden können in Ruhe heilen, und Sie gewinnen Frieden und Freiheit zurück.

Dabei ist das Verzeihen lernen im Grunde gar nicht so schwer. Echte Vergebung braucht nur vier einfache Schritte…

Vergebung Verzeihen Lernen 4 Schritte

  1. Perspektive wechseln

    Getroffene sind meist nur mit ihren eigenen Gefühlen beschäftigt. Das Selbstmitleid hält Sie jedoch gefangen. Betrachten Sie das Ganze jedoch aus einer übergeordneten Perspektive: Ist die Schuld wirklich so schwer, dass Sie das nicht vergeben können? Was macht das mit Ihnen? Lohnt es sich, daran festzuhalten?

  2. Entscheidung treffen

    Reflektieren Sie ruhig nochmal die Kränkung und warum Ihnen diese so wehtut. Es ist okay, die Gefühle zuzulassen, zu akzeptieren und auszudrücken. Danach aber müssen Sie eine bewusste Entscheidung treffen: „Ich will verzeihen, loslassen und den Prozess aktiv gestalten!“ Es kann hilfreich sein, sich dafür vorzustellen, wie es sich anfühlt, nicht mehr verletzt zu sein und die Situation loszulassen.

  3. Verständnis gewinnen

    Der Schritt ist mitunter der schwerste: Versuchen Sie den anderen zu verstehen: Warum hat er oder sie das gemacht? Das soll nichts beschönigen. Aber nicht immer stecken böser Wille oder Vorsatz dahinter! Ebenso sollten Sie prüfen, ob auch eigene Versäumnisse dazu geführt haben – schon um sie in Zukunft zu vermeiden.

  4. Loslassen lernen

    Und schließlich: Verzeihen Sie – und lassen Sie los. Endgültig! Das bedeutet nicht, etwas ungeschehen zu machen oder im Nachhinein zu billigen. Aber Sie schließen jetzt bewusst damit ab – teilweise inklusive Versöhnung und Neuanfang.

Sollte dieser Prozess partout nicht gelingen, gerade bei tiefergehenden Verletzungen, kann es sinnvoll sein, professionelle Hilfe durch einen Arzt bzw. Therapeuten in Anspruch zu nehmen. Bitte keine falsche Scham: Es geht um Ihre psychische Gesundheit und eine Befreiung von Traumata und der Vergangenheit!

2 Tipps zum Loslassen

Sie wollen einer Person verzeihen, aber es fällt Ihnen schwer? Diese bewährten Tipps helfen beim Loslassen:

  • Schreiben

    Aufschreiben ist ein guter Verarbeitungsprozess. Dabei können Sie Ihre Gedanken und Gefühle sortieren und verarbeiten – zum Beispiel mit einem Brief an den Täter, den Sie jedoch niemals abschicken.

  • Aussprechen

    Greifen Sie zu einem Gegenstand oder Bild, das Sie mit der Person verbinden und sprechen Sie laut: „Ich verzeihe (Name der Person) dir die Schuld für (Sache)!“ Das hilft vor allem Menschen, die auditiv veranlagt sind: Sie müssen das ein paarmal sagen und hören, um es auch innerlich zu realisieren.

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Ist Verzeihen ohne Entschuldigung möglich?

Was aber, wenn Sie nie eine Entschuldigung erhalten? Was, wenn Sie jemand verletzt oder kränkt – ohne schlechtes Gewissen oder Reue? Tatsächlich brauchen viele Menschen solche Anzeichen, um verzeihen zu können.

Verzeihen ist jedoch auch ohne Entschuldigung möglich. Mehr noch: Es ist kann manchmal sogar notwendig sein, weil wir vielleicht gar nicht mehr die Möglichkeit zu einem Gespräch haben – etwa wenn der Verursacher verstorben, weggezogen oder verschwunden ist. Schon aus den oben genannten Gründen ist es wichtig, dass Sie auch dann vergeben und verzeihen, wenn nie eine Entschuldigung kommt. Es ist eine reine Entscheidungssache, Willensfrage und langfristig purer Selbstschutz.

Verzeihen ist keine Narrheit, nur ein Narr kann nicht verzeihen. (Chinesisches Sprichwort)

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Mist gebaut: Wie um Verzeihung bitten?

Eine Pflicht zur Vergebung gibt es nicht. Wer dabei Druck macht – Motto: „Du musst mir das verzeihen!“ –, der verkehrt das Täter-Opfer-Schema ins Gegenteil: Aus dem Opfer wird ein Täter, der sich schuldig macht, wenn er oder sie nicht verzeiht. Das ist nicht nur hochgradig manipulativ, sondern auch doppelt unfair! Ebenso falsch sind Entschuldigungen, die nicht von Herzen kommen und verharmlosend daherkommen, wie: „Sorry!“ oder „Tschulljung!“

Zu der Bitte um Verzeihung gehört echte Reue und eine wahrhaft zerknirschte Bitte. Gleichzeitig sollte man versuchen – falls möglich – Wiedergutmachung zu leisten. Vor allem aber wirkt die Bitte um Verzeihung glaubwürdig, wenn Sie Betroffene zwei Dinge kostet: Überwindung und Stolz.


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