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Konfabulation: Warum wir uns oft selbst etwas vormachen

Mal etwas flunkern, Geschichten etwas ausschmücken, damit es spannender wirkt – das machen viele Menschen. Auch Notlügen kommen immer wieder mal vor, weil die Wahrheit dann doch zu brutal wäre und das Verhältnis zwischen Sprecher und Adressat nachhaltig stören würde. In diesen Fällen wird die Wahrheit jedoch bewusst zugunsten des Sprechers zurechtgebogen. Bei Konfabulation liegt der Sachverhalt anders. Der Sprecher ist von der Wahrheit überzeugt, obwohl sein Gegenüber es besser weiß. Warum fast jeder konfabuliert und wir uns oft selbst etwas vormachen…



Konfabulation: Warum wir uns oft selbst etwas vormachen

Konfabulation Definition: Das Erfinden von Begebenheiten

Konfabulation – in diesem Begriff stecken bereits andere Begriffe wie Fabel, fabulieren. Demnach ist es verwandt mit Geschichte beziehungsweise mit viel Fantasie eine Geschichte erzählen.

Konfabulation stammt aus dem Lateinischen von confabulatio = Erzählung, das Verb confabulari bedeutet so viel wie plaudern. Die Vorsilbe con- zeigt, dass vor allem etwas „dazu“ erzählt wird. Der Duden bezeichnet Konfabulation als „das Füllen von Gedächtnislücken durch frei erfundene Begebenheiten“.

Gemeint ist damit, dass Gedächtnislücken mit Angaben ausgefüllt werden, die objektiv falsch sind. Im Unterschied zu Lügen ist derjenige, der konfabuliert, fest davon überzeugt, dass seine Angaben wahr (oder zumindest sehr wahrscheinlich) sind. Auch bei kritischen Nachfragen beharrt der Konfabulierende auf seiner Version der Dinge.

Ebenfalls nicht verwechselt werden sollte Konfabulation mit pathologischem Lügen (Pseudologica phantastica). Dahinter stecken eher Geltungssucht und/oder ein geringes Selbstwertgefühl.

Konfabulation: Psychologie uneins über die Ursachen

Konfabulation ist ein Thema, das selten im Alltag oder in den Medien auftaucht und wenn, dann häufig unter negativen Vorzeichen. In ihrer krankhaften Ausprägung ist die Konfabulation ein Bereich, für den vor allem Nervenärzte, Psychiater, Neurologen, Gerontopsychiater und Suchtmediziner zuständig sind.

Obwohl – oder weil – so viele Disziplinen sich mit diesem Phänomen beschäftigen, gibt es keine abschließenden Erkenntnisse über die Entstehungsweise von Konfabulationen. Es gibt zwar einerseits etliche Studien, die beispielsweise über bestimmte Schädigungen im Bereich des Gehirns berichten, aber der Schwerpunkt des Bereichs ist von Studie zu Studie unterschiedlich.

Klar ist lediglich, dass es unterschiedliche Formen von Konfabulation gibt, die jeweils verschiedene Ursachen haben. So beruhen manche Konfabulationen auf einer falschen Wahrnehmung, andere sind auf einer Fehlfunktion des Gedächtnisses zurückzuführen.

Die häufigsten Ursachen dafür sind:

  • Konfabulation bei Alkoholismus

    Das sogenannte Wernicke-Korsakow-Syndrom beschreibt eine Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die durch Alkoholmissbrauch bedingt ist. Infolgedessen kommt es zu einem Thiaminmangel. Thiamin wiederum ist notwendig für den Energiestoffwechsel. Ist dieser gestört, führt das letztlich zur Schädigung der Hirnzellen.

  • Konfabulation bei Psychose

    Typisch für Patienten mit psychischen Erkrankungen wie einer Psychose sind Wahnvorstellungen und Halluzianationen. Auch diese können durch äußere Faktoren wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch ausgelöst werden. Ebenfalls können traumatische Erlebnisse oder in der Person begründete Faktoren eine Psychose oder Schizophrenie auslösen. Diese Patienten neigen ebenfalls zur Konfabulation.

Weiterhin durchgesetzt hat sich mittlerweile folgende Unterscheidung:

  • Spontane Konfabulation

    Dies ist die seltenere Form, die häufig phantastische Inhalte enthält, die völlig irreal sind. Diese Form ist immer auf eine Hirnschädigung zurückzuführen.

  • Provozierte Konfabulation

    Wesentlich häufiger ist diese Form, bei der Personen Inhalte wiedergeben, die zumeist plausibel und klar verständlich sind. Hervorgerufen werden solche Konfabulationen beispielsweise durch suggestive Fragen anderer. Sie werden ebenfalls durch ein schlechtes Gedächtnis begünstigt.

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Konfabulation bei Gesunden

Hier soll es um diese Form der Konfabulation gehen, die bei gesunden Menschen vorkommt. Nicht immer kommen wir an sämtliche Inhalte unseres Gedächtnisses heran.

Da ist es wissenschaftlich betrachtet völlig normal, dass es zu Fehlkombinationen alter Erinnerungen kommt oder dass aus der Verlegenheit heraus Gedächtnislücken mit Konfabulation aufgefüllt werden. Das heißt, es existieren durchaus reale Erinnerungen, die aber zeitlich oder räumlich falsch eingeordnet werden.

Als Außenstehender können Sie – sofern Sie die Biographie der Person nicht wirklich gut kennen beziehungsweise selbst Teil der Geschichten sind – häufig nur schlecht beurteilen, ob eine Person gerade konfabuliert oder reale, wahre Begebnisse wiedergibt.

Experiment fördert kreative Begründungen

Es müssen auch gar keine Ereignisse von großer Tragweite sein, die sich jemand zusammenreimt. Das jeder Mensch dann und wann zu Konfabulation neigt, hat seinerzeit ein bahnbrechendes Experiment (PDF) bewiesen.

Die beiden amerikanischen Psychologen Richard E. Nisbett und Timothy Wilson von der University of Michigan legten diverse Bekleidungsartikel wie Nachthemden oder Nylonstrümpfe aus. Die Teilnehmer dieses Experiments wurden gebeten, einen Artikel auszuwählen.

Die Teilnehmer wurden aufgefordert zu sagen, welcher Artikel die beste Qualität hätte und sollten ihre Wahl begründen. Es ließ sich beobachten, dass die überwiegende Mehrheit der Probanden zu einem Artikel rechter Hand griff.

Das Verblüffende: Als die Probanden nun nach dem Grund Ihrer Wahl gefragt wurden, hat keiner den offensichtlichen Grund genannt, nämlich dass die Position des Artikels bei der Wahl eine Rolle spielte. Und noch besser: Wurden sie direkt dazu befragt, ob die Position vielleicht einen Einfluss gehabt haben könnte, wurde das verneint.

Stattdessen ließen sich etliche Konfabulationen feststellen: Die Farbe, die Beschaffenheit des Materials – selbst bei identischen Artikeln: Die Teilnehmer ersannen alle möglichen Gründe, die nichts mit dem offensichtlichen zu tun hatten, aber dennoch plausibel waren.

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Konfabulation: Beispiel für Berufsalltag

Konfabulation lässt sich auch außerhalb experimenteller Situationen beobachten. Beispielsweise kommen verschiedene Studien zu dem Ergebnis, dass Bewerber mit ausländisch klingenden Namen benachteiligt werden.

Angenommen, es gibt Bewerbungen in einem Unternehmen von einem Mathias Hechter und einem Ali Özgür. Mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit würde die von Ali Özgür abgelehnt werden.

Würde der Personaler befragt, der die Ablehnung zu verantworten hat, kämen völlig plausible Gründe zum Vorschein, etwa die besseren Qualifikationen von Mathias Hechter, die überzeugendere Performance im Vorstellungsgespräch.

Das Erschreckende daran ist, dass in der Mehrzahl der Fälle konfabuliert würde, denn diese Entscheidung fällt auch bei gleichen Qualifikationen der Bewerber zumeist zugunsten eines Mathias Hechter aus. Natürlich würde kein Personaler hier zugeben, dass er voreingenommen ist.

Das würde sein Selbstbild von sich als unvoreingenommenen und rational vorgehenden Personaler ankratzen. Diese Konfabulationsneigung haben also alle Menschen unabhängig von irgendwelchen Vorerkrankungen oder Suchtproblemen.

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Konfabulation hilft beim Selbstbild

Das obige Beispiel zeigt die Schattenseiten von Konfabulation, die eindeutig existieren. Allerdings lässt sich das Ganze auch von einer anderen Warte betrachten. Konfabulation hilft uns dabei, eine Identität zu entwickeln.

Wir alle haben ein Bild von uns selbst, dass wir ebenso nach außen vermitteln wollen. Ungünstigerweise passen nicht immer alle Details in unserer Biographie zu dem, was wir darstellen wollen.

Konfabulation erleichtert den Umgang mit der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie hilft offenbar so unerfreuliche Seiten wie Voreingenommenheit zu überdecken. Statt sich eigenen, wenig liebenswerten Charaktereigenschaften stellen zu müssen, ermöglicht Konfabulation nicht nur einen hervorragenden Selbstbetrug.

Mehr noch: Nach außen entsteht der Eindruck von einer Person, die weiß, was sie tut und warum sie es tut. Mit Blick auf das Experiment mit den Bekleidungsstücken fällt der Vorteil von Konfabulation noch etwas stärker ins Auge.

Statt einer Antwort, die eher den Anschein erweckt, dass diese Person x-beliebig zum nächsten Artikel greift, hat sie stattdessen den Eindruck von Kompetenz vermittelt. Und genau das ist der Eindruck, den jeder bei anderen erzeugen möchte.

[Bildnachweis: Elnur by Shutterstock.com]

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