Ordnung ist das halbe Leben. Und die andere Hälfte?
Chaos ist kein Zustand, sondern ein Organismus! Er lebt – und vermehrt sich. Wer das nicht glaubt, muss einfach nur sein Umfeld beobachten: Abends werfen Sie irgendwo Ihre getragenen Socken in die Ecke, am nächsten Morgen ist daraus ein veritabler Wäscheberg entstanden. Genauso geht’s im Büro: Es reichen schon irgendwo auf dem Schreibtisch oder Stehschreibtisch ein paar lose Blätter – schon gesellen sich Aktenordner, Kaffeetassen, Zeitschriftenausrisse und der Himmel weiß was sonst noch dazu.
Dahinter steckt weniger ein nicht diagnostiziertes Messie-Syndrom, sondern oftmals der sogenannte Broken-Windows-Effekt. Einfach erklärt sagt der: Liegt irgendwo eine geringe Menge Müll herum, braucht es nicht lange bis die gesamte Umgebung ins Chaos stürzt.
Schreibtischchaos macht kreativ
Aber was sagt ein unordentlicher Schreibtisch über die Arbeitsweise aus? Viele verunglimpfen die Diener des Durcheinanders als „Chaoten“ – aber auch zurecht? Tatsächlich sind viele davon enorm kreativ. Zwischen Umgebung und Geist besteht eine Wechselwirkung: Zugegeben, allzu großes Chaos kann unsere Arbeitsweise – aber eben nicht nur negativ.
Die Psychologin Kathleen Vohs von der Universität von Minnesota hat schon vor einiger Zeit untersucht, ob und wie ein blitzblankes Arbeitsrevier sowie Produktivität beziehungsweise Kreativität zusammenhängen. Und ob der saubere Schreibtisch-Typ wirklich der bessere Mitarbeiter ist. Resultat: Schreibtisch Chaos sorgt nicht unbedingt für mehr Ideen – aber für deutlich originellere. Die Probanden aus dem Messy-Büro lieferten einfallsreichere und experimentierfreudigere Lösungen.
Chaos macht offen für Neues
Nach weiteren Versuchen ist Kathleen Vohs heute davon überzeugt, dass eine unaufgeräumte Umgebung eher zu unkonventionellen Lösungswegen anregt als klinisch strukturierte Büros, in denen man zur Not auch eine Operation am offenen Herzen praktizieren könnte. Das Ergebnis deckt sich mit Untersuchungen von Jia Liu und Debra Trampe von der Universität Groningen: Chaos auf dem Schreibtisch, so ihre Feststellung, hilft dabei, einfacher zu denken und sporne an, simplere Lösungen zu finden. Es biete dem Gehirn Ablenkungen und damit zugleich zahlreiche Impulse und Anknüpfungspunkte, um daraus neue Ideen zu entwickeln. Es ermutige die Menschen geradezu, Neues auszuprobieren.
Dahinter steckt ein simpler Psychoeffekt: Zunächst streben wir alle nach Ordnung. Wo immer Probanden mit Chaos konfrontiert wurden, versuchten sie dieses zu sortieren und organisieren. War das Ausmaß des Durcheinanders allerdings so groß, dass schnelles Aufräumen unmöglich wurde, schaltete das Gehirn um auf: „Finde den einfachsten Lösungsweg!“ Zwar räumen die Wissenschaftlerinnen selbst ein, dass Unordnung im Büro nicht unbedingt produktiver macht. Es helfe aber dabei, Aufgaben zu vereinfachen und sich bei der Lösung auf das Wesentliche zu fokussieren.
Visitenkarte Schreibtisch
„Man kann nicht nicht kommunizieren!“, mahnte schon Paul Watzlawick. So ist es mit dem Schreibtisch leider auch. Etwas Schreibtisch Chaos mag noch so kreativ machen – es wird aber auch immer interpretiert. Vor allem vom Chef und anderen Führungskräften. Versiffte Kaffeetassen, meterhohe Zettelberge und vertrauliche Dokumente, die offen herumliegen – der Mehrheit der Manager ist das ein Graus. Sie bevorzugen Mitarbeiter mit ordentlichen Schreibtischen, so eine Umfrage des britischen Psychologen Cary Cooper.
Der einfache Grund: Die Schreibfläche ist zugleich Projektionsfläche. Ein unaufgeräumtes Pult steht häufig für eine desolate Persönlichkeit. So jemand, so das Stereotyp, ist weder strukturiert noch zielorientiert, hat weder Ehrgeiz noch Führungsqualitäten. Mehrheitlich ist das Quatsch, das haben Klischees so an sich. Allerdings genauso wie die Eigenart, sich hartnäckig zu halten und die Karriere zu beeinflussen.
Schreibtisch Chaos schadet der Karriere
Trotz aller Vorzüge eines chaotischen Büros: Nach dem Abschluss eines Projekts sollte man seinen Schreibtisch doch besser wieder aufräumen und – zumindest vorübergehend – Ordnung walten lassen. Der Akt des Aufräumens signalisiert nicht nur physisch, dass eine Sache abgeschlossen wurde und nun Platz für Neues entsteht. Er mistet auch die Gedanken aus und macht den Kopf frei für frische Impulse. Obendrein sammeln Sie dabei Pluspunkte beim Chef. Bei den meisten jedenfalls.
Anti-Schreibtisch-Chaos: 8 Tipps zum Aufräumen
Wer zum Messi neigt, wird mit spontanen Ausgrabungen und einer Hauruck-Putz-Aktion nicht lange das Chaos auf seinem Schreibtisch beherrschen. Deswegen: Misten Sie Ihr Büro regelmäßig aus! Hier 8 Tipps wie Sie die Ordnung im Büro dauerhaft konservieren – ohne gleich zum Ordnungsfanatiker zu werden:
-
Zurücklegen
Wer das Chaos dauerhaft besiegen will, sollte sich angewöhnen, seinen Arbeitsutensilien feste Plätze zuzuweisen. Alle Stifte in einen Stifthalter; Tacker, Locher, Tesafilm, Büroklammern & Co. in eine bestimmte Schublade, Briefe und Zettel in spezielle Ablagen und so weiter. Auch gut: die Arbeitsgeräte zu sogenannten Themeninseln zu sortieren – also Stifte, Radierer und Spitzer zusammen oder Brieföffner, Tacker und Locher. Wichtig dabei: Nachdem Sie die Geräte benutzt haben, legen Sie sich jedes Mal auch wieder an ihren Platz zurück. Nicht einfach liegen lassen! Das spart Suchzeit.
-
Hierarchisieren
Ordnen Sie Ihre Utensilien nach Gebrauch: Manche Dinge brauchen Sie öfter als andere. Die gehören in die Nähe Ihres Platzes, am besten in Griffweite. Andere können im Umfeld platziert werden. So werden Sie zudem auch schneller. Viele machen den Fehler, Ihren Schreibtisch mit hübschen, aber nutzlosen Dingen zu dekorieren. Beherzigen Sie lieber das Designer-Motto: „form follows function.“
-
Wegschmeißen
Mal ehrlich: Wie viele Stifte liegen in Ihrer Schublade? Wie viele zusätzlich auf dem Tisch? Und wie viele davon benutzen Sie regelmäßig? Eben. Stifte, die nicht mehr schreiben, gehören in den Mülleimer. Ansonsten reichen in der Regel ein Bleistift, ein Kuli, ein Fineliner und vielleicht noch ein paar Textmarker. Den Rest können Sie zurück ins Sekretariat oder Depot bringen – oder wegschmeißen. Die beste Ordnung nutzt nichts, wenn Sie Überflüssiges nicht regelmäßig entsorgen.
-
Zwischenspeichern
Im Verlauf eines Tages werden Sie vielleicht mal ein paar Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder To-Do-Punkte notieren. Das auf Post-ist zu kritzeln, ist immer noch besser als den nächstbesten Zettel zu greifen und es auf eine Ecke zu schreiben. Verschlamp-Gefahr! Ideal ist jedoch eine Art Abreiß-Schreibtischunterlage. Dort finden Sie solche Notizen sofort wieder, und was erledigt ist, wird durchgestrichen. Am Abend reißen Sie das oberste Blatt einfach ab, übertragen Unerledigtes und schmeißen die papierne Zwischenablage weg. Und ganz Wichtiges können Sie immer noch in ein Moleskin übertragen.
-
Bündeln
Kabelsalat – kaum etwas sorgt für mehr Chaos auf dem Schreibtisch und konserviert die Unodnung als die zahlreichen Kabel für PC, Tastatur, Maus, Drucker, Telefon, etc. Wo immer Sie können, steigen Sie auf Bluetooth- oder eine andere Wireless-Technik um. Ansonsten: Sortieren Sie die Kabel, bündeln Sie diese zu größeren Strängen und fixieren Sie das Ganze mit etwas Klebeband (oder einem speziellen Kabelschlauch – gibt’s billig bei Ikea.). Profis verwenden dafür sogar Klettband, so lassen sich Kabel nachträglich leicht austauschen. Wichtig nur: Packen Sie die Bündel nicht zu stramm, sonst lassen sich die Geräte hinterher kaum noch bewegen – etwa zum Staubwischen.
-
Ablegen
Überlegen Sie sich ein sinnvolles Ablagesystem für Papierpost ebenso wie für E-Mails oder Dateien auf dem Desktop. Entscheiden Sie etwa, was wirklich wichtig und dringend ist und was noch Zeit hat oder delegiert werden kann. Die Eisenhower-Methode eignet sich dafür besonders gut. Nach demselben Prinzip können Sie auch entsprechende Ordner anlegen – oder Ihr ganz eigenes System entwickeln.
-
Vereinheitlichen
Versuchen Sie Ihre Ordner- oder Ablagesysteme möglichst gleichartig zu gestalten: Also stets dieselbe Art und Form der Beschriftung von Ordnern, diese möglichst auch vom selben Hersteller und alles in einem konsequenten Farbsystem. So sehen die Stehsammler im Regal nicht nur harmonischer aus, Sie behalten auch den Überblick über das Sammelsurium
-
Aufräumen
Das klingt nur tautologisch. Gemeint ist: Machen Sie es sich zur Gewohnheit Ihr Büro jeden Abend nur akkurat zu verlassen. Schon im eigenen Interesse: Sollte den Arbeitsplatz mal jemand anderes nutzen, so kann derjenige keine Horrorgeschichten von lebendem Kaffeesatz erzählen. Aber auch Sie selbst starten am nächsten Morgen viel entspannter und organisierter in den Tag.