Raumpsychologie: Du bist dein Büro
Laut Raumpsychologie nimmt jeder von uns unbewusst und binnen Sekunden-Bruchteilen Details in einem Raum wahr. Und diese machen etwas mit uns – wir interpretieren sie und ziehen daraus Rückschlüsse auf den Bewohner, dessen Persönlichkeit und Charakter. Das gilt für Büros genauso wie für Wohnzimmer oder Schlafzimmer.
Dazu gibt es ein spannendes Experiment. Der US-Psychologe Samuel Gosling von der Universität Austin-Texas schickte einmal Probanden in die Büros wildfremder Arbeitnehmer. Danach sollten sie die Unbekannten charakterisieren. Das Erstaunliche: Die Beurteilungen lagen erschreckend nahe an der Wirklichkeit. Das Büro und seine Merkmale wurden zum Verräter. Gosling ist heute überzeugt: „Die Art, wie wir unsere Umgebung gestalten, spiegelt unser Inneres wider.“
Klischees zu Raum und Persönlichkeit
Die Botschaften sind zwar teilweise banal – wirken aber fundamental:
- Wer etwa viele Bücher im Schrank stehen hat, erscheint für Außenstehende gebildet, weise, smart – auch wenn die Bände ungelesen sind.
- Wer Bilder aktuell angesagter Künstler an seine Wand hängt, wirkt kreativer und lebensfroher als der Kollege im kahlen Nachbarzimmer.
- Ein imposanter Schreibtischstuhl lässt selbst Subordinierte mächtiger aussehen.
- Wer im Büro Telefon, Uhr und Laptop stets im Blick hat, scheint bestens organisiert – allerdings nur, wenn er oder sie im sichtbaren Kalender auch ein paar Termine einträgt.
Gewissenhaftigkeit wird in der Arbeitswabe damit genauso sichtbar, wie die Loyalität zum Unternehmen oder die Leidenschaft für den Job. So strahlen eine Partyfoto-Kollektion oder eine Voodoo-Puppe vom Chef nur wenig davon aus – und die Spielzeugsammlung aus Ü-Eiern sagt auch nur: „Hier haust ein Eierkopp!“
Raumpsychologie: Nutzen Sie die Kulisse richtig?
Kluge Bürobewohner nutzen umgekehrt die subtilen Signale der Boards, Bilder und Bücher umso mehr für eine gelungene Inszenierung – und für die Karriere. Die britische Verhaltenspsychologin Donna Dawson sagt zum Beispiel: „Sobald jemand verstanden hat, dass er den Eindruck, den sein Büro hinterlässt, auch manipulieren kann, kann er Botschaften senden, die über das hinaus gehen, was er tatsächlich ist.“
Nahezu 90 Prozent der Arbeitnehmer in den USA personalisieren ihre Büros oder Cubicals, so eine Studie zur Raumpsychologie an der Eastern Kentucky Universität. Für Deutschland liegen zwar keine vergleichbaren Studien vor, das Ergebnis dürfte aber ähnlich ausfallen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: In den meisten Fällen dient das Dekor dem Komfort – umgeben von vertrauten Dingen fühlen wir und wohler. Zugleich markieren die persönlichen Gegenstände eine Art Territorium: Wer hier eindringt, betritt in einen privaten Schutzraum.
Diese 2 Objekttypen gibt es in jedem Raum
Jeder Raum enthält laut Gosling zwei grundsätzliche Objekttypen:
- Identitätskörper
Diese hat der Bewohner bewusst drapiert, um sich damit auszudrücken. Dazu gehören individuelle Bilder, Schmuckstücke oder Trophäen wie Pokale und andere Auszeichnungen. - Verhaltensrückstände
Diese sind zwar nur unbewusste Spuren. Sie lassen aber ebenfalls Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu – wie zum Beispiel ein vollgekritzelter Tischkalender oder schlicht Unordnung.
Am Arbeitsplatz spricht sogar das Ausmaß der Personalisierung selbst Bände: Je wohnlicher das Büro, desto größer das Wohlfühlbedürfnis des Mitarbeiters und desto mehr fühlt er oder sie sich dort zuhause. Das Büro avanciert zum Zweitwohnsitz.
Raumpsychologie: Was die Büroausstattung über Sie verrät
Welche Ausstattungsoptionen Sie auch haben: Sie können eine Menge über Sie verraten. Hier die häufigsten Merkmale und ihre Bedeutung laut Raumpsychologie:
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Deckenhöhe
Nach der Regel – je mehr Raum, desto wichtiger der Bewohner – fördert eine hohe Zimmerdecke den Status. Die Raumhöhe begünstigt sogar bessere Ideen, wollen die US-Psychologen Joan Meyers-Levy und Juliet Zhu herausgefunden haben. Allerdings schränkten sie ein: Vorteile bringen hohe Decken nur bei freien Arbeiten wie Brainstormings. Wenn es darum geht, die Ideen umzusetzen, seien niedrige Decken besser.
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Wandkunst
Managerbüros sind heute voll mit abstrakten Bildern zeitgenössischer Künstler, um Offenheit, Dynamik und frisches Denken zu dokumentieren. Mittelständler hängen auch schon mal Ahnenporträts hinter den Schreibtisch. Das soll Verlässlichkeit und Tradition ausdrücken. Wandschmuck gibt jedem Auftritt den passenden Hintergrund: Je größer der Rahmen, desto elitärer die Wirkung. Wer den Stil seiner Zieletage anpasst, teilt mit, wo er sich in der Hierarchie sieht. Er kann aber auch eine eigene Form wählen, um Individualität und Kreativität zu betonen. Nur sollte das dezent geschehen. Ist das Gemälde teuerer als das vom Chef, gilt man schnell als Prahlhans.
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Familienfotos
Für Psychologen sind sie Statussymbole, insbesondere Bilder von vielen Kindern. Für andere reflektieren sie ein schlechtes Gewissen: Wenn einer schon viel Zeit im Büro verbringt, will er wenigstens ab und an seine Lieben sehen. Einigkeit herrscht hingegen bei der Blickrichtung: Schauen die Konterfeis in Richtung Besucher, sind sie mehrheitlich Statussymbole; hat der Bürobewohner sie stets im Blick, dienen sie einem persönlichen Zweck.
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Kinderbilder
Alles, was Kinder gemalt haben, strahlt Wärme aus. Kinder stehen für Fürsorge und Verantwortung sowie für Simplizität und jemanden, der nicht nur Zahlen und Geld im Sinn hat. Kurz: für Vertrauenswürdigkeit. Kinderlose Profis besorgen sich deshalb gerne ein paar selbstgemalte Bilder von ihren Nichten, Neffen oder Patenkindern. Für all die privaten Wandbilder gilt: Sie müssen gerahmt sein. Erst das gibt ihnen Gewicht. Mit Tesa oder Klebepunkten befestigte Lose-Blatt-Sammlungen symbolisieren Wankelmut.
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Bücher
Literatur sagt Besuchern, womit sich der Mensch beschäftigt und was ihn interessiert. Poesie oder Kunstbände symbolisieren einen kreativen Charakter, Fachbücher und Lexika weisen Sie als Experten aus. Um jedoch nicht als Fachidiot dazustehen, sollten Sie Ihr Sortiment durch repräsentative Bildbände oder Promi-Biografien ergänzen. Titel wie „Nieten in Nadelstreifen“ oder „Endlich aussteigen“ gehören nicht ins Büro.
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Aktenordner
Oberflächlich stehen sie für Struktur und Ordnung. Zum Prestigeturbo avancieren die Pappdeckel jedoch, sobald dort gut lesbar Stichwörter, wie „Streng vertraulich“, „Budgets“ oder „Mitarbeiter“ stehen. Botschaft: „Hier arbeitet jemand mit Verantwortung und Herrschaftswissen!“
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Auszeichnungen
Trophäen dokumentieren vergangene Erfolge. Sei es für sportliche Siege oder besondere Leistungen im Job – Pokale & Co. reflektieren Zielstrebigkeit und Ehrgeiz, im Subtext aber auch, dass es sich hier um einen Gewinner handelt. Hinter dem Rücken platziert stärken sie Ihr Prestige sogar. Nichts ist so sexy wie Erfolg…
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Accessoires
Hier entscheidet sowohl die Summe (Krimskrams wirkt verspielt, unordentlich, unfokussiert) als auch die Auswahl: Wertvolle Reisesouvenirs sowie wuchtige Stauten aus Fernost werten jedes Arbeitsumfeld auf und rücken es in einen globalen Kontext. Zudem stehen sie für einen weltläufigen, neugierigen, vielleicht sogar abenteuerlustigen Bewohner. Aber Achtung: Nur Originale, zu denen Sie eine Geschichte erzählen können, wirken so. Deko-Accessoires aus dem Einrichtungshaus entlarven den Hundertsassa.
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Pflanzen
Gepflegte, große Büropflanzen versinnbildlichen Sorgfalt und Wachstum, sie stehen zudem für einen loyalen Mitarbeiter, der vorhat, länger zu bleiben: Er schlägt sprichwörtlich Wurzeln. Einen zusätzlich aufgeweckten Geist verkörpern sie, wenn Sie die typischen Büro-Staubfänger meiden: Gummibaum, Monstera oder die Grünlilie – auch als „Sekretärinnenblume“ verspottet – versprühen allenfalls Ideenlosigkeit und den Muff von Behörden.
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Schreibtisch
Die Arbeitsfläche ist Projektionsfläche Nummer 1 und verrät am meisten über den Bürobewohner. Ob Chaot, Technik-Nerd oder Pedant mit exakt ausgerichtetem Mousepad – Besucher nehmen jede Kleinigkeiten wahr. Etwa, dass der Tischkalender noch den vergangenen Monat zeigt (planlos) oder dass die 10-Cent-Stifte das Logo eines Kunden zeigen (wertlos). Im schlimmsten Fall können sie gar die Kaffeeringe in Ihrem Becher zählen (achtlos).
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Utensilien
Geschenkstifte haben auf dem Schreibtisch ebenso wenig verloren wie Kaffeetassen mit dem Logo vom Großkunden oder Stifthalter aus dem Baumarkt. Teure Füller, ein geschmackvolles Handy, wertvolle Tischunterlagen oder Stifthalter sind viel repräsentativer und drücken Wohlstand wie Wertorientierung aus. Aber: Kostspielige und dennoch zusammen gewürfelte Utensilien wirken protzig und oberflächlich. Nur wo alles zueinander passt und sich harmonisch in das Büro einfügt, beweist der Bewohner Stil und den Blick für das große Ganze.
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Computer
Allenfalls Nerds interessieren sich für die Marke oder Leistungsstärke. Viel wichtiger ist die Ausrichtung: In den meisten Büros versperrt der Bildschirm den direkten Blick zum Gesprächspartner – und schafft damit eine räumliche Blockade. Hier schottet sich jemand ab. Wesentlich offener (und flexibler) wirken seitlich platzierte Laptops. Die können bei Besuch zudem zugeklappt werden.
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Post-Its
So nützlich die gelben Haftzettel auch sind – zu viele davon gelten als Zeichen von Überforderung und Konfusion.
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Schmutz und Staub
Zum Beispiel auf dem Telefon oder dem Adresskasten sind nicht nur ein Symbol für einen Saustall. Sie können ebenso einen Eigenbrötler andeuten, den niemand mehr anruft und der kaum Kontakte pflegt.
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Besprechungsecke
Ein runder Tisch kann eine Barriere sein oder ein Ort, an dem zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen. Sitzen Besucher tiefer oder schlechter als der Bürobewohner, wird automatisch Hierarchie aufgebaut. Gemütliche Loungemöbel in intensiven Farben wiederum strahlen sofort Wohnlichkeit aus – und somit eine nicht nur sachorientierte Unternehmenskultur.
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Süßigkeiten
Eine Schale mit Süßigkeiten, etwa edle Schokoladentäfelchen, wirkt stets einladend. Sie repräsentiert aber auch einen extrovertierten, geselligen Charakter – ein Eigenbrötler würde nichts hinstellen, was andere verführt, sein Büro zu betreten.
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Möbel
Beistelltische, Stühle und Boards dürfen individuell sein, um Kreativität und Dynamik ausdrücken sollen. Eine Leuchtreklame über der Tür, eine Espressomaschine auf dem Sideboard oder ein Regal aus alten Skateboards? Alles okay, solange es ein Akzent bleibt. Alles andere wäre aufdringlich und deutet eher eine Profilneurose an.
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Farben
Sie lösen nicht nur Emotionen aus, sie verraten auch einiges über die Psyche eines Menschen. Die Assoziationen, die bestimmte Farben bewirken, sind bei vielen Menschen gleich – relativ unabhängig von Kultur, Alter oder Geschlecht. So steht etwa Rot für Selbstbewusstsein, Stärke, Vitalität, Leidenschaft, Dynamik, Konkurrenz; Blau strahlt Wohlbehagen, Ausgeglichenheit, Nachdenklichkeit und Bindung aus; Gelb steht für Freiheitsstreben, Neugier, Spontaneität und Offenheit; Grün für Selbstachtung, Ehrgefühl, Autorität und Geltungsanspruch; Schwarz symbolisiert Leitungswillen, Unnahbarkeit, Ernst, Intoleranz und Auflehnung; Braun dagegen Genuss, Sinnlichkeit, Sanftmut, aber auch Bequemlichkeit sowie Einfallslosigkeit. (siehe: Farbpsychologie).
Revierverhalten: Warum wir unseren Arbeitsplatz markieren
So ziemlich jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin kolonialisiert früher oder später das Büro. Erst wird der Computer-Desktop persönlich modifiziert, dann kommen ein paar Bilder auf den Schreibtisch, schließlich folgen Designobjekte oder Auszeichnungen, die im Raum verteilt werden.
Diese symbolischen Barrieren und Einflussbereiche sind mehr als bloße Dekoration. Sie markieren immer auch ein Territorium und privaten Schutzraum. Laut Studien des Organisationspsychologen Graham Brown gibt es vor allem drei Arten, sein berufliches Territorium anzustecken:
1. Kontrollmarken
Mittels persönlichen Gegenständen wird ein Gebiet als „schon besetzt“ gekennzeichnet. Dazu gehören Namensschilder an der Tür oder auf dem Schreibtisch, Aktenstapel und persönliche Posteingänge, Kleidungsstücke über dem Stuhl (auch im Meeting) sowie Kaffeetassen mit persönlichen Sprüchen.
2. Identitätsmarken
Dabei wird die Arbeitsumgebung umdekoriert, um ihr eine persönliche Note zu verleihen. Familienfotos auf dem Schreibtisch, Bilder an der Wand, Bücher im Regal, Kunst im Raum – all das soll die Individualität betonen. In jedem Fall drückt es etwas bewusst über uns selbst aus.
3. Verteidigungsmarken
Um zu verhindern, dass andere den persönlichen Arbeitsraum in Beschlag nehmen, werden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Schränke abgeschlossen, der PC per Passwort abgeschirmt, die Bürotür verriegelt. Selbst übermäßiges Chaos auf dem Schreibtisch kann dazu dienen, dass andere das Büro nicht nutzen können.
Studien von Eric Sundström zeigen, dass Mitarbeiter, die über einen individuell gestalteten Arbeitsplatz verfügen, im Beruf mehr Verantwortung übernehmen. Die Bürogestaltung sei schließlich auch ein Motivationsfaktor.
Gestalten Männer und Frauen ihre Büros anders?
Tatsächlich gestalten Männern und Frauen ihre Büros unterschiedlich. Das ist Ergebnis von Studien um die türkische Psychologin Pinar Dinc von der Gazi-Universität:
- Männer
Männer betrachten ihr Büro vor allem als Revier und Statussymbol: Lage, Größe, Anzahl der Fenster, Ausstattung, Möblierung – das sind für Männer wichtige Repräsentationsflächen und Ego-Spiegel. Entsprechend häufig seien in ihren Arbeitsräumen Trophäen, Auszeichnungen und Urkunden zu finden. - Frauen
Frauen wollen mit ihrem Arbeitsplatz weniger Eindruck schinden, dafür mehr Kontakte pflegen. Entsprechend seien ihre Büros wie soziale Treffpunkte gestaltet, in denen man sich zum Plausch zurückziehen kann. Entsprechend sei der Accessoire- und Krimskrams-Faktor in Frauenbüros um ein Vielfaches höher.
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