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Ordnungsfanatiker: Zwei Seiten einer Medaille

Ordnungsfanatiker haben vor allem ein Ziel: Ordnung um jeden Preis! Was für den einen noch harmloses Durcheinander oder kreatives Chaos zu sein scheint, stürzt einen echten Ordnungsfanatiker in die Krise. Dabei haben beide Seiten auf ihre Art recht, nur stellt sich die Frage nach der Art und Weise, wie etwas vermittelt wird. Denn Fanatismus ist nie ein guter Ratgeber. Wer unter der Unordnung seiner Kollegen leidet, muss Wege finden, damit klarzukommen…



Ordnungsfanatiker: Zwei Seiten einer Medaille

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Ordnungsfanatiker Bedeutung: Extrem ausgeprägter Ordnungssinn

Um zu verstehen, was ein Ordnungsfanatiker ist, muss erst einmal die Bedeutung von Ordnung erläutert werden. Als Ordnung wird ein Zustand bezeichnet, der durch vorherige Sortierung und Aufräumen hergestellt wird.

Dingen werden klare Orte zugewiesen, so dass sich für denjenigen, der diese Systematik hergestellt hat, eine geregelte Übersicht ergibt. Ein Ordnungsfanatiker hält sich sklavisch an diese Systematik.

Meist ist diese Sortierung naheliegend – Schreibutensilien werden im Schreibtisch untergebracht, Ordner (beispielsweise mit Personennamen) werden alphabetisch sortiert. Es haben sich bestimmte Ordnungsvorgänge allgemein bewährt. Daneben gibt es immer Gegenstände, denen kein klarer Ort zugewiesen ist.

Im Büro sind das häufig persönliche Dinge und solche, die nicht direkt mit der Arbeitsumgebung zu tun haben. So etwa Bilderrahmen und Blumen, der Müsliriegel oder die Ersatzkrawatte, für die kein eigener Kleiderschrank existiert. Für einen Ordnungsfanatiker ist das tendenziell eine Katastrophe. Er muss überall penibel Ordnung halten.

Chaos fördert Kreativität

Nicht jeder braucht ein aufgeräumtes Büro oder fühlt sich darin noch wohl. Manche Menschen empfinden bis zum Anschlag aufgeräumte Schreibtische als steril, wenig persönlich. Die weniger peniblen unter den Kollegen retten sich meist in Sprüche wie „Wer Ordnung hält, ist zu faul zum Suchen“ oder „Das Genie beherrscht das Chaos“.

2013 erschien eine gern zitierte Studie der University of Minnesota unter der Leitung der amerikanischen Psychologin Kathleen D. Vohs. Diese will herausgefunden haben, dass der Ordnungszustand des Schreibtisches etwas über die Intelligenz seines Benutzers aussagt.

Demnach wären chaotische Menschen kreativer und schlauer. Der Gedanke dahinter: Bücher, Papiere und dergleichen bleiben auf dem Schreibtisch liegen, weil die Person mit Wichtigerem beschäftigt sei als Ordnung zu halten. Der Versuchsaufbau ist durchaus kritisiert worden.

Zur Erkenntnisgewinnung wurden beispielsweise die Studienteilnehmer gebeten, in einem Büro Fragebögen auszufüllen. Einige wurden dafür in ein aufgeräumtes Zimmer geschickt, andere in ein unordentliches. Anschließend wurden die Probanden vor die Wahl gestellt, für eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden und sich für einen Schokoriegel oder einen Apfel zu entscheiden. Wer im sauberen Büro untergebracht war, spendete für die Wohltätigkeitsorganisation und griff zum Apfel. Die Teilnehmer aus dem unaufgeräumten Zimmer entschieden anders.

In einem darauffolgenden Experiment mit denselben Teilnehmern mussten neue Verwendungsmöglichkeiten für Pingpongbälle erdacht werden. Die Anzahl der Vorschläge war bei beiden Gruppen gleich groß. Allerdings waren die Vorschläge von den Probanden aus dem Chaos-Büro deutlich interessanter.

Vohs Rückschlüsse aus diesen Experimenten: Eine ordentliche Umgebung lasse den Menschen auch gedanklich eher nach Sicherheit streben. Chaos hingegen bedeute die Loslösung von Traditionellem und würde daher eher zu Inspiration und Kreativität führen, weshalb kreative Menschen also zu Unordnung neigten.

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Leiden Ordnungsfanatiker unter einer Krankheit?

Der Wunsch nach Ordnung und Überblick ist zunächst einmal nichts Krankhaftes. Allerdings steckt in „Ordnungsfanatiker“ eben auch Fanatiker. Der Duden definiert einen Fanatiker als jemanden…

der von bestimmten Ideen, einer bestimmten Weltanschauung oder Ähnliches so überzeugt ist, dass er sich leidenschaftlich, mit blindem Eifer [und rücksichtslos] dafür einsetzt.

Der Verweis auf mangelnde Rücksichtnahme und die Tatsache, dass Fanatismus häufig mit religiösem oder politischem Extremismus in Verbindung gebracht wird, rückt einen Ordnungsfanatiker nicht gerade in ein gutes Licht.

Glücklicherweise sind keine größeren Vorkommnisse bekannt, die nur durch Unordnung einen Ordnungsfanatiker derart in Rage gebracht hätten, dass Menschen dadurch Schaden erlitten hätten. In den meisten Fällen handelt es sich vermutlich um einen extrem ausgeprägten Ordnungssinn.

Kaum jemand wird sich selbst als Ordnungsfanatiker bezeichnen, dies ist eher eine Zuschreibung von außen und kein Fachbegriff. Ob dennoch eine Krankheit vorliegt, ist eher eine Frage des Leidensdrucks. Der ist vorhanden, wenn jemand regelrecht körperliche und psychische Beschwerden empfindet, sofern nicht die gewünschte Ordnung eingehalten wird.

In solchen Fällen ist von Ordnungszwang die Rede. Der Ordnungszwang ist erst seit etwa 25 Jahren als Zwangsstörung anerkannt. Die Zuordnung als psychische Erkrankung erleichtert es Betroffenen, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Voraussetzung dafür ist, dass der Ordnungsfanatiker seinen Zwang selbst entsprechend kategorisiert und ihn als unangemessen empfindet, jedoch nicht in der Lage ist, gegen dieses Gefühl anzukämpfen. Stattdessen gibt er ihm nach.

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Zwänge sind nicht automatisch schlecht

Dem Begriff „Zwang“ haftet wenig Positives an, wird damit schließlich in Verbindung gebracht, dass jemand etwas nicht freiwillig macht. Auf der anderen Seite ist jeder Mensch einer Reihe von Sachzwängen unterworfen, die er bereitwillig akzeptiert. Auch wenn jemand sein Gehalt weitaus kreativer und schöner einsetzen kann: In der Regel wird eine nicht geringe Summe für Miete (oder in einigen Fällen Grundsteuer) gezahlt werden.

Passiert dies nicht, wird er über kurz oder lang aus der Wohnung geschmissen. Zwänge sind in vielen Fällen einfach nur Erfordernisse, sie regeln das Berufsleben ebenso wie das Privatleben. Sie können natürlich unpünktlich zur Arbeit kommen, aber das wird irgendwann in einer Abmahnung und schließlich Kündigung resultieren – also lassen es die meisten Arbeitnehmer.

Viele Zwänge münden in Routine. Sie stempeln sich ein, bevor Sie an den Arbeitsplatz gehen. Sie räumen Ihren Schreibtisch auf, bevor Sie ihn zum Feierabend hin verlassen. Solche Tätigkeiten würde niemand als zwanghaft einordnen, höchstens als spießig.

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Wenn aus Ordnungsliebenden Ordnungsfanatiker werden

Krankhafte Zwänge hingegen sind das Gegenteil von dem, was Ordnungsliebe eigentlich bedeutet. Das gängige Argument von Ordnungsfanatikern und -liebenden, dass Ordnung Zeit spare, wird ad absurdum geführt. In dem Moment, wenn es bereits Ordnungszwang ist, kostet er Zeit und Lebensqualität.

Häufig werden dann rituelle Handlungen vollzogen, die losgelöst vom eigentlichen Sinn sind. Meist spielen zwanghafte Gedanken um Symmetrie eine große Rolle – selbst Prominente wie David Beckham sind davon betroffen. Dinge müssen dann gerade, in einer bestimmten Richtung oder Anzahl angeordnet werden.

An dieser Stelle wird es in mehrerlei Hinsicht problematisch. Zum einen, weil Ordnung zum Selbstzweck verkommt. Dabei soll sie eigentlich Hilfsmittel sein, Menschen die Suche nach benötigten Materialien und damit Arbeitsabläufe erleichtern.

Zum anderen leidet der Ordnungsfanatiker selbst darunter und mit ihm seine Umgebung. Wer unglaublich pedantisch seinen inneren Zwängen folgen muss, reagiert meistens sehr unentspannt, wenn andere Menschen anders handeln.

Vorteile von Ordnung

Je nach Ausprägung ließe sich von einem Ordnungsfanatiker synonym auch als Ordnungsliebenden sprechen. Ordnung hat ja durchaus viele Vorteile. Moderne Arbeitsmodelle wie Desk Sharing, bei dem Arbeitnehmer den Schreibtisch benutzen, der gerade frei ist, würden ohne Ordnung kaum funktionieren.

Müsste jeder Mitarbeiter erst einmal umständlich suchen, wo der Kollege denn den Locher versteckt hat, wäre die Zeitverschwendung groß. Gleiches gilt für die Ablage von Dateien und deren Benennung. Feste Ordnungssysteme haben ihre Berechtigung.

Eine Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung hat ergeben, dass fehlende Arbeitsutensilien sowie die Suche nach Dokumenten in chaotischen Dateiverzeichnissen rund zehn Prozent der Arbeitszeit kostet.

Ganz zu schweigen davon, dass ein völlig chaotisches Büro nicht besonders repräsentativ aussieht, besteht die Gefahr der „Ansteckung“. Unter Experten ist die Rede vom Broken-Window-Effekt, die Unordnung findet Nachahmer.

Ist nicht mehr nur ein einzelner Schreibtisch oder ein einzelnes Büro etwas unaufgeräumt, sondern sind ganze Flure voll gestellt, erweckt das eher den Anschein, dass jemand weder den Laden noch sein Leben im Griff hat. Ähnliches ist im Alltag als Messie-Syndrom bekannt.

Tipps für ein gesundes Maß an Ordnung

In die soziale Isolation vieler Messies werden die wenigsten Menschen geraten wollen. Ohne gleich zum Ordnungsfanatiker zu werden, gibt es einige nützliche Tipps, die Sie beachten können, wenn Sie Ihren Arbeitsplatz ordentlich halten wollen:

  • Häufigkeit

    Dinge, die Sie häufig brauchen, sollten Sie griffbereit haben. Die gehören entweder auf den Schreibtisch oder in die oberste Schublade.

  • Zuordnung

    Finden Sie einen festen Platz für die Dinge, die Sie nur gelegentlich brauchen. Sortieren Sie ähnliche Gegenstände oder Unterlagen in denselben Bereich. Das erleichtert die Wiederauffindbarkeit.

  • Entsorgung

    Das größte Problem bei Messies ist, dass sie nichts wegschmeißen können. Oft steckt dahinter der wohlmeinende Gedanke, dass etwas noch einmal gebraucht werden könnte. Ein echter Ordnungsfanatiker teilt die Sorge, dass fälschlicherweise etwas weggeschmissen wurde, nicht.

  • Routine

    Machen Sie es sich zur Routine, jeweils wenige Minuten vor Feierabend Ihren Schreibtisch aufzuräumen. Das wirkt professioneller und deutlich motivierender am nächsten Morgen.

[Bildnachweis: Phongphan by Shutterstock.com]